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Menschen

Andi Borg ist mein Liebling

„Sie sind der erste Mensch seit wer weiß wie langer Zeit, mit dem ich sprechen kann. Manchmal ertappe ich mich dabei, daß ich mit mir selbst rede und wenn mir das dann bewusst wird, erschrecke ich über den Klang meiner eigenen Stimme.

Nein, alt zu sein, das ist nicht schön. Ich bin über 40 Jahre arbeiten gegangen, habe zwei Kinder geboren und einen Mann versorgt. Das eine Kind ist mit sechs Jahren vom Auto überfahren worden und mein Jüngster ist jetzt auch schon seit acht Jahren tot.

Als vor vier Jahren mein Mann gestorben ist, da hat meine inzwischen auch verstorbene Cousine Klara gesagt: ‚Los Lotte, jetzt machst Du erst mal eine Weltreise, schaust Dir alles das an was Dich interessiert, die Pyramiden, den Grand Canyon, das Empire State Building, die Niagara-Fälle, das wolltest Du doch immer mal alles sehen.‘
Ja und dann? Dann bin ich krank geworden und kann kaum noch laufen. Gucken Sie mal, was ich für dicke Beine habe, Thromboserisiko und da ist ja Fliegen nichts für mich.

Sie glauben nicht wie froh ich bin, daß es so schöne Sachen im Fernsehen gibt. Ich habe ja bloß die richtigen Sender, also die ohne Reklame, aber da kommen auch so wunderschöne Sendungen, die ich immer gucke.
Besonders wenn der Florian Silbereisen kommt, den mag ich ganz besonders. Aber mein Liebling, das ist der Andi Borg, so ein lieber, netter Mann.

Den Harald Schmidt, den mag ich nicht so, der ist mir zu blöd, aber der Thomas Gottschalk, hoffentlich macht der das noch eine Weile, – also die Sendung da, meine ich jetzt.

Einmal im Monat kommt die Frau mit dem Kirchenblatt, die bleibt manchmal so eine Viertelstunde, da warte ich dann immer schon die ganze Woche drauf. Früher konnte man ja beim Einkaufen immer jemanden treffen, aber die sterben ja alle weg, die jungen Leute sind immer nur in Eile und kein Mensch hat mehr Zeit.

Der Friedhof ist für mich eine richtige Oase, da treffe ich manchmal andere Witwen und dann bleibe ich dort ein Stündchen auf der Bank sitzen und wir erzählen. Aber länger kann ich mir das nicht anhören. Die meisten bemitleiden sich nur selbst und jammern weil ihre Männer tot sind.

Nee, glauben Sie mir, wenn Sie noch irgendwas vorhaben, dann machen Sie das bald, auf jeden Fall bevor Sie zu alt sind dafür. Denn es hat keinen Zweck irgendwas aufs Alter zu verschieben, dann können Sie wahrscheinlich nicht mehr.“

Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Juni 2012 | Peter Wilhelm 28. Juni 2012

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24 Kommentare
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Se7en
13 Jahre zuvor

Wenn ich sowas lese, freu ich mich immer richtig aufs alt werden 🙁

aber hey… sind ja noch 45 jahre bis zur 70 *toitoi*

Melanie
13 Jahre zuvor

Dafür muß man nicht mal alt werden. Meine Mutter (51, wird 52) und mein Vater (64, wird 65) gehen schon seit mindestens 5 Jahren kaum mehr außer Haus. Einmal haben wir sie zum Ikea mitgenommen weil wir dachten da kommen sie mal raus, aber zum einen waren ihnen die nicht mal 20 km schon fast zu weit und dann wollten sie im Ikea keine paar Meter laufen. War ihnen alles zu beschwerlich. Meine Mutter sitzt seit Jahren fast nur daheim und zieht sich eine Seifenoper nach der andren rein, mein Vater macht mittlerweile mit und wenn man ihnen sagt sie sollen doch mal außer Haus dann heißts nur sie haben das eh mal vor. Dabei bleibts dann. Sogar als sie meinen Mann mal in die Arbeit gefahren haben (9 km!!!!) hieß es „da fährt man aber schon lange!“. Tja, im Gegenzug dazu rufen sie oft an und wollen daß man vorbeikommt. Sie kommen eigentlich nie bei uns vorbei und wenn man sie mal besucht hört man meistens „warts aber schon lang nimmer da“ auch wenn… Weiterlesen »

Thomas
13 Jahre zuvor

Tja, die Menschen sehnen sich nach dem ewigen Leben und wissen nichts mit einem Sonntagnachmittag an zu fangen.

13 Jahre zuvor

Ein wahrer Spruch: Nicht zu lange warten. Deshalb hat meine Freundin sich auch gerade mit 68 Jahren ihr erstes Motorrad gekauft. Cool, oder…?!

Anita
13 Jahre zuvor

Mit Thromboseriskio kann man durchaus fliegen.
Hab selber eine Thrombophilie.
Sollte halt keine _zu_ lange Strecke sein.
Und mit dem Arzt ueber Heparinspritzen sprechen, waer auch keine schlechte Idee.
Aber Flugreisen innerhalb Europas gehen durchaus.
Sollte halt nicht mehr als 4h sein.

Die Sache mit: „verschieb nicht alles auf spaeter“ ist schon o.k. so, aber nur indem man nicht jeder spontanen Lust nachgeht, kriegt man was auf die Reihe.

Gerade der juengeren Generation wird ja vorgeworfen, alles sofort haben zu wollen und sich nicht mehr gedulden zu koennen.

13 Jahre zuvor

@2: Melanie, bist Du meine Schwester? ;D

Matthias
13 Jahre zuvor

Aber solange man jung ist, muss man eben Kinder aufziehen, arbeiten gehen und sich die Rücklagen für seine Träume schaffen :/

Tanja
13 Jahre zuvor

@Matthias: Seit wann MUSS man Kinder aufziehen? Man muss doch nicht unbedingt Kinder bekommen, wenn man eben andere Pläne hat. Lässt sich doch prima verhindern, sowas.

Anita
13 Jahre zuvor

@ Matthias

Also fuer mich faellt Kinder haben schon unter die Kategorie Spass haben.
Und das obwohl meine Kleine gerade 3MonatsKoliken hat.

13 Jahre zuvor

@ melanie: ich fass es nicht? 52??? ich bin gerade 49 geworden und fühle mich wie 25 und benehme mich auch so…ich finde es eher ganz befremdlich, daß ich schon so alt bin.

@ tanja: haha….genau!!!

Anita
13 Jahre zuvor

@ gesche clasen

Einige Leute kommen schon „alt“ zur Welt.

MacKaber
13 Jahre zuvor

Oh, danke für die Erinnerung, muß noch die Karten für meine Geschwister Hofmann holen, sonst ist wieder ausverkauft. Dauernd verschiebt man es auf bald.

madove
13 Jahre zuvor

Meine Eltern sind 62 und 69, haben jetzt gerade ein tolles Wohnprojekt mit aufgebaut, machen trotz zunehmender Gesundheitsprobleme ständig bei irgendwelchen Sportmeisterschaften mit und sind auch sonst, zB politisch, sehr aktiv. Aber ich glaub wirklich, man muß schon vorher mit der richtigen Einstellung aktiv sein, und dann bloß nicht damit aufhören!

13 Jahre zuvor

„Nee, glauben Sie mir, wenn Sie noch irgendwas vorhaben, dann machen Sie das bald, auf jeden Fall bevor Sie zu alt sind dafür. Denn es hat keinen Zweck irgendwas aufs Alter zu verschieben, dann können Sie wahrscheinlich nicht mehr.“

Ein Motto das ich mir schon sehr früh zugelegt habe! Wenn man zwei Todesfälle im Alter von 36 (beide Krebs) in der Familie hat verschiebt man auch nichts mehr auf die Rente!

Agy
13 Jahre zuvor

Traurig. Deshalb schwatzen alte Leute auch meistens die Kassierer voll und erzählen genau, was sie gerade machen und wofür sie das eingekaufte brauchen. Aber wenn man weiß, woher es kommt, regt man sich in der Schlange dahinter nicht auf. Irgendwann geht es einem selbst vielleicht auch so.

Eine andere Frage:

„Und dann hat er dem großen Fehler gemacht, der die Katastrophe gemacht hat.“

Welchen Fehler hat nun der Bauer denn gemacht???

misanthropia
13 Jahre zuvor

welche bauer, häh?

Matthias
13 Jahre zuvor

@Tanja: Klar, man kann auch das ganze Leben lang nur an sich denken und „konsumieren“ (auch wenn ich als Kapitalist das Wort hasse). Bloß nix aufbauen, keine Verantwortung übernehmen.

Hast du dein schönes Leben? Dann freu dich, dass deine Eltern nicht so gedacht haben.

kall
13 Jahre zuvor

@Matthias
ich nehme an „Jungkapitalist“, sonst wüsstest Du, dass das eine (Aufbauen, Verantwortung übernehmen) ohne das andere (Konsumieren) nicht funktioniert.
Vielleicht benötigst Du schon in jungen Jahren den Stolperstein, der vielen erst im reiferen Alter in den Weg gelegt wird, um zu erkennen, dass alles seine Zeit und sein Maß hat und Dinge die zur Unzeit oder im Unmaß getan werden, nicht zum Erfolg führen.

13 Jahre zuvor

hmm… wobei „alt“ für die meisten ein synonym ist für „wenn ich mal zeit hab“ oder „wenn ich mal geld (für mich übrig) hab“. obwohl wir wissen, dass unser leben endlich ist – leben wir trotzdem so als wären wir unsterblich.

13 Jahre zuvor

raus in die natur, frische luft, nicht zu hause rumsitzen, schafft euch einen hund an, dann müsst ihr alle raus.
ich bin 60
mein mann ist 70
wir laufen jeden tag kilometerweit
lebe heute, nicht in der zukunft. du weisst doch garnicht ob du noch eine hast
ich lebe den tag. sonst nichts. ich plane auch nichts vor für jahre. für mich zäghlt der tag. ich hab auch gearbeitet 30 jahre lang und nebenbei einen sohn grossgezogen der heute 38 ist und nichts mehr von mir wissen will, will mir erzählen, was und wie ich mich zu verhalten hätte , na danke, kinder bekäme ich keine mehr.

Anita
13 Jahre zuvor

@marianne

Nur weil dein Sohn sich nicht so verhaelt, wie du dir das wuenscht, wuenscht du, er waere nicht geboren?
Kein Wunder, dass er nichts mehr von dir wissen will.
Kinder bekommt man um sie gluecklich zu machen, nicht damit sie einen gluecklich machen.

Big Al
13 Jahre zuvor

@ Anita.“Kinder bekommt man um sie glücklich zu machen, nicht damit sie einen glücklich machen.“
Das bringt es auf den Punkt. Die glücklichen Kinder geben einem mehr als genug zurück. Wenn Kinder allerdings als Belastung angesehen werden stimmt meistens mit den Eltern etwas nicht und nicht mit den Kindern.
@ marianne. „..und NEBENBEI einen Sohn großgezogen…“ , hallo, kein Wunder daß der „Nebenbei-Sohn“ nix mehr von Muttern wissen will.
B. A.

Ma Rode
13 Jahre zuvor

Mooooment mal! Bitte jetzt nicht auf Marianne rumhacken, weil sie keine gute Beziehung zu ihrem Sohn (mehr) hat. Ihr kennt doch garnicht die Hintergründe.
Und ganz nebenbei hab ich mich auch entschieden, keine Kinder zu bekommen (aus welchen Gründen auch immer) Also ein bisschen mehr Toleranz und gut isses.

Astrid
13 Jahre zuvor

Ich finde, man sollte – sofern man es kann und es niemandem schadet – immer das tun, was man gerne tun möchte und es nicht nach hinten verschieben, es kann ja morgen schon zuende sein. Ich würde es aber auch niemandem vorwerfen, wenn er nichts großartiges tut in seinem Leben, solange er so zufrieden ist, ist es auch seine Sache.




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