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Menschen

Bei der rüstigen Ameise sind Sie verkehrt

„Bratfisch!“

„Wie bitte?“

„Bratfisch!“

„Äh…“

„Wir heißen so.“

„Macht ja nichts.“

„Unsere Omma is tot.“

„Ja, war der Arzt schon da?“

„Jau, der Arzt, der Pastor und die Frau vom Pflegedienst. Der Arzt hat einen Haufen Zettel ausgefüllt, der Pastor so das Übliche und die vom Pflegedienst hat die ganzen übrig gebliebenen Medikamente, Windeln und anderen Sachen mitgenommen.“

„Aha…“

„Kommen Sie dann?“

„Ja, geben Sie mir bitte Ihre Adresse, Herr Bratfisch?“

„Jau, hammse watt?“

„Was?“

„Watt zum Schreiben?“

„Ja.“

„Fuchsienallee 17“

„Fuchsienallee? Wo soll die denn sein, hier in unserer Stadt? Habe ich noch nie gehört. Ist das in Süd, im Neubauviertel?“

„Nee, inne Schrebergärten beim Kraftwerk.“

„Die Verstorbene liegt in einem Schrebergarten?“

„Ja nich im Garten jetzt, sondern mehr so in der Laube.“

„Ungewöhnlich…“

„Datt wollte die so, die wollte in ihrem Garten sterben, da hammwer se vor drei Wochen hier rüber. Der Gartenvorstand hat erst gemotzt, weil man ja hier nich wohnen darf, aber erstens hab ich dem gesacht, datt Sterben nicht dat selbe wie Wohnen is und zweitens hab ich dem sechs Euro achtzig für’t Wassergeld gegeben und dann war der ruhig.“

„Also Fuchsienalle 17 in der Schrebergartenkolonie.“

„Jau, und kommense bitte nicht mittem Leichenwagen zur Laube.“

„Wie bitte?“

„Ja, die Omma hat ihren Garten hinten im alten Teil, da wo die Wege so eng sind, da können’se nich mittem Leichenwagen hinfahren.“

„Da kann man nicht mit einem Auto hin?“

„Nee, nur mitte Schubkarre oder mit sonnem Vespa-Töff-Töff, so eins mit drei Räder.“

„Hm, und wie sollen wir die Verstorbene dann abtransportieren? Wie weit ist es denn vom Gartenhaus bis zur nächsten befahrbaren Straße oder Stelle?“

„Ach, datt is gezz nich soooo weit, gute zwanzich Minuten zu Fuß, man muß halt viel abbiegen, is ziemlich verwinkelt hier hinten.“

„Gut, dann sagen Sie mir jetzt, wo wir mit dem Auto hinfahren können und ab da kommen wir dann mit der Fahrtrage.“

„Kennen’se die „Rüstige Ameise“, datt Lokal?“

„Ja, das kenne ich.“

„Gut, wenn’se dahin fahren, dann sind’se verkehrt.“

„Was?“

„Ja nee, datt is zwar auch bei uns inne Anlage, aber mehr so auffe andere Seite, wo die ganzen Weißrussen gezz ihre Gärten haben. Sie müssten an datt Naturfreundehaus fahren, kennen’se datt?“

„Kenn ich auch.“

„Gut, da wären’se richtich. Da stellen’se datt Auto hin und dann kommen’se.“

„Okay und wie weit ist es vom Naturfreundehaus bis zu ihrem Garten?“

„Ich sachte ja schon, so ’ne Viertelstunde bis zwanzich Minuten, wenn’se gut zu Fuß sind.“

„Also gut, können Sie jemanden zum Naturfreundehaus schicken, der dort auf den Bestattungswagen wartet und uns den Weg zeigen kann?“

„Jau, datt mach ich, da schick ich Ihnen den Werner, der steht hier sowieso nur im Weg rum. Aber mit der Fahrtrage das wird nix. Wenn datt so’n Ding is wie im Krankenwagen, so mit so kleine Räder unten dran, dann bleibense auffe nassen Wege stecken.“

„Wir machen das schon.“

„Wissen’se watt?“

„Nee.“

„Wir machen datt anders. Sie kommen an datt Naturfreundehaus und ich hol datt kleine Vespa-Auto mit der Pritsche vom Gartenvorstand und wir bringen Ihnen die Omma da hin.“

„Also wirklich….“

„Nee, hören’se, datt is datt Einfachste. So machen wir datt. So inne halbe Stunde? Also tschüß bis dann!“


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 12. Juni 2012 | Peter Wilhelm 12. Juni 2012

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bee
13 Jahre zuvor

Genau so wird’s kommen. Nach der Eigenbeteiligung an Krankenkasse und Pflege wird demnächst auch die Bestattungsvorsorge bundeseinheitlich als Pflichtversicherung geregelt, die Beitragssätze werden jährlich erhöht und zur Schonung der Arbeitgeber bleibt es vorerst bei einer Eigenanteilspflicht im Rahmen der ersten 15.000 Euro, wahlweise in bar oder als Sachleistung. Denkt an meine Worte.

Tzosch
13 Jahre zuvor

Kleingärtner sind halt Pragmatiker 🙂

Sensenmann
13 Jahre zuvor

Das muss ja ein Bild für die Götter sein. So ein kleines Gartenautochen und die tote Oma auf der Ladefläche… Fehlt nur noch, dass die ihre Oma noch auf einen Stuhl setzen.

13 Jahre zuvor

Tjaa – Aber wo er recht hat, hat er recht. Sterben ist nicht das gleiche wie Wohnen…. 😀

Schrebergartenhospiz – Eine Marktlücke.

Gruß
Joe

Mendian
13 Jahre zuvor

Tja Tom, mit diesem ‚bakfiets‘ gaebe es keine Probleme http://tinyurl.com/6bekvp

Salat
13 Jahre zuvor

Wie schön. Oma wollte im Garten sterben, also wurde es möglich gemacht. *schnüff*

Salat

Anita
13 Jahre zuvor

Oma wollte im Garten sterben, Oma ist im Garten gestorben.
Dann nimmt sie den etwas ruppigen Transport _nach_ ihrem Tod sicher gern dafuer in Kauf.

13 Jahre zuvor

Immerhin hat er nicht die Schubkarre genommen.

Anni
13 Jahre zuvor

Gibts da Fotos von??? 😉

Oliver
13 Jahre zuvor

Hätten die die Omi nicht auch gleich im Garten begraben können? Ich meine nur, was unterscheidet so eine Kleingartenkolonie von einem Friedhof?

turtle of doom
13 Jahre zuvor

Es gab doch schon mal eine Geschichte im Schrebergarten… da kam jemand mit dem Fahrrad, stürzte vor Schreck und seine ganze Suppe lief aus.

Schon ein eigenartig Völkchen, die Schrebergärtner. 🙂 Hatte mal ein Abendessen bei den Schrebers. Vom Gewürz über die Gemüse und die Früchte wurde alles frisch gepflückt und fürs Essen verwendet.

simop
13 Jahre zuvor

@turtle:
Ist doch klasse – und da Papi seit seiner Rente auch so ein Teil hat, gibt’s für mich Gemüse aller Art frei Haus – garantiert nicht gespritzt, frisch und lecker… *sabber*
Und im Herbst gibt’s Pilze, frisch aus dem Wald.Leider habe ich da nur noch eine Tüte davon übrig, muss ich mir gut einteilen…

13 Jahre zuvor

@Simop

Hoffentlich getrocknet, sonst würde ich mir das nochmal überlegen …

ravenstorm
13 Jahre zuvor

Bringet Eure Toten heraus!

Nur dass man sie dann am Naturfreundehaus abläd, ist neu. *kichers*

turtle of doom
13 Jahre zuvor

@ simop:

Möchte auch wieder mal einen Garten bebauen… jetzt bist DU schuld wenn ich wieder an meine tolle Kindheit denk! 😉

simop
13 Jahre zuvor

Also – mein Papi kann im Sommer immer einige helping hands gebrauchen… 😉

@kall: nö, geschnippelt und eingefroren…

13 Jahre zuvor

@simop

Mit moderner Technik hätte ich jetzt nicht gerechnet :p

13 Jahre zuvor

Jau soo machn wia datt!

Hihi, gibbt datt denn wiarklich sooo vawinkelte Gaatenweege?
Kann ich mia aigntlich nich voastelln.
Abba wea weiß schonn, watt datt füa ne olle Anlage iss.

Uli
13 Jahre zuvor

muß ich mich jetzt schämen, weil ich laut gelacht habe? Ich meine, tote Oma ist ja nun wirklich kein Grund zum lachen … aber der „Backfisch“ … die Oma schüttelt bestimmt von der Wolke herunter den Kopf und denkt sich ihren Teil …

nette Geschichte allemal … danke und schönen Sonntag noch

13 Jahre zuvor

Ich bin gespannt auf die Fortsetzung. Kam der wirklich mit dem töpf-töpf????

13 Jahre zuvor

Gestern Abend kam mal wieder „National Lampoon’s Vacation“ (der eher bescheidene, deutsche Titel: „Die schrillen Vier auf Achse“

http://nationallampoon.com/movies/vacation

Der Film gehört zu den Filmen, die ich auch beim 100sten Mal anschauen immer noch zum Wegschmeißen finde. Chevy Chase ja ohnehin.

Naja, da kommt es halt wie es kommen muss, die alte Tante, die sie ein Stück mitnehmen müssen, stirbt unterwegs und die beiden Kinder weigern sich natürlich, neben einer Toten zu sitzen. Also wird die Oma aufs Dach vom Auto geschnallt und später bei ihrem Sohn abgeliefert – mangels Anwesenheit des Sohnes sitzenderweise in einem Gartenstuhl.

Also da machen der Oma die paar Meter auf dem Töff-Töff bestimmt auch nichts aus 😀

gruß

Astrid
13 Jahre zuvor

Hmmm…also ich finde das schon schön, dass die der Oma dem Wunsch nachgekommen sind, dass sie in der Laube sterben möchte.

Persephone
12 Jahre zuvor

Hach ja, das ist eine meiner Lieglingsgeschichten hier. Oma wollt im Garten sterben, Familie und Pflegedienst machens möglich. Ist ja auch nicht ohne, täglich 20 min zu Fuss zum Garten hinlaufen. Die Geschichte les ich immer wieder gerne hier




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