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Die Kuckucksuhr -IX-

Jeder im ganzen Viertel ist sich darüber im Klaren, daß die Birnbaumer-Nüsselschweif eine ganz üble Nummer abzieht. Man muß doch nur Eins und Zwei zusammenzählen und es liegt doch klar auf der Hand, daß die dicke Berufsmutter und Afrikahelferin die Einsamkeit und Verlorenheit sowie die Schwäche der alten Frau Mandel ausnutzt, um sich in den Besitz von Auto und Haus zu bringen.

Die Gemüsefrau weiß angeblich sogar, daß die Birnbaumer neulich einen der goldenen Ringe von Frau Mandel getragen habe. Uns Männern fällt sowas ja nicht auf, ich wüßte allenfalls, daß die Birnbaumer Hände mit Fingern hat, aber was sie da so an Schmuck mit sich herumträgt – ich könnte es nicht wirklich sagen.
Ich weiß auch nie was jemand angehabt hat, zumindest nicht wenn mich meine Frau spontan danach fragt. Meistens sage ich immer das Gleiche: „Eine graubraungelbe Latzhose“, sie fragt dann nicht weiter, sondern rollt nur vielsagend mit den Augen. „Männer!“

Ich befinde mich, um auf die Birnbaumer zurückzukommen, mal wieder in einem Dilemma. Einerseits drängt mich mein Hang zur Gerechtigkeit und mein Bedürfnis, anderen helfen zu wollen, dazu, mich um Frau Mandel zu kümmern und sie davor zu bewahren, sozusagen ausgeplündert zu werden.

Auf der anderen Seite jedoch geht mich das alles im Grunde gar nichts an und wenn es sich herausstellen sollte, daß mit Frau Mandel alles in Ordnung ist, dann würden mir bald die Ausreden ausgehen, um ständig in Kontakt mit ihr zu bleiben.

Doch zuvorderst sollte einmal geklärt werden, was denn nun mit Frau Mandel los ist. Die Birnbaumer-Nüsselschweif kann mir doch nicht allen Ernstes weismachen, die alte Frau sei freiwillig in der Schweiz geblieben um zu putzen.
Oder sollte da doch was dran sein?

Ich warte gerade ab, bis es 9 Uhr am Morgen ist und dann rufe ich bei Birnbaumers an und bekomme tatsächlich die Ansage vom Band: „Wir sind in die Schweiz gefahren, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht…“

Natürlich piepse ich nicht nach dem Sprechton und lege einfach wieder auf.
Ja, das könne durchaus stimmen, erklärt mir die Pfarrsekretärin, die ich wegen eines anderen Sterbefalls anrufen muß und sie fügt hinzu: „Frau Birnbaumer-Nüsselschweif ist ja schon gestern früh morgens mit ihrem Mann losgefahren, dann können sie sich abwechseln, denn die wollen ja heute schon wieder da sein.
Ostern brauchen wir die Frau doch hier, ohne Frau Birnbaumer-Nüsselschweif können wir am Sonntag doch das Eierverstecken für die Kinder gar nicht machen. Die kümmert sich ja immer so lieb um alles.“

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob Frau Mandel tatsächlich heute aus der Schweiz zurückkehrt.
Und ich beschließe, daß ich alle Vorbehalte bezüglich meines Einmischens über Bord werfen werde und einmal Klartext mit der alten Dame reden werde. Denn irgendwann ist ein Zeitpunkt gekommen, da wird die Birnbaumer so einen Einfluss auf Frau Mandel haben, daß fremde Einrede und Bedenken gar nicht mehr bis ins Hirn vordringen.

Was die Birnbaumer und ihren Ostereier-Einsatz anbetrifft, so passt das wunderbar ins Bild.
Hört man manche Leute so reden, dann könnte man glatt meinen, Mutter Theresa habe doch eine Tochter gehabt und die dann auch noch mit dem Dalai Lama gezeugt…

In Wirklichkeit ist die Birnbaumer-Nüsselschweif nur darauf aus, sich zu beschäftigen, sich wichtig zu machen und hinterher in der Zeitung zu stehen.

Einige hier erinnern sich noch an die Sammlung für die Erdbebenopfer in der Türkei. Gut, das Erdbeben ist schon 1999 gewesen, aber manche Leute haben es der Birnbaumer bis heute nicht vergessen, wie sie sich damals mit fremden Federn geschmückt hat.

Die Mormonen haben auch bei uns hier ein Gemeindehaus und die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, wie die Mormonen-Kirche eigentlich korrekt heißt, zeichnen sich dadurch aus, daß sie niemandem etwas tun und jedermann gerne hilfsbereit zur Seite stehen. Man mag ja zu solchen Gruppen stehen wie man will, aber ich habe diese Leute stets als äußerst höflich und fröhliche Menschen erlebt, die keineswegs den Eindruck machen, als würden sie ausgebeutet, gegängelt und täten das was sie tun nicht gerne.

Das sieht die Birnbaumer-Nüsselschweif natürlich ganz anders. Für sie ist das eine „Ami-Sekte“ und die Mormonen sind ihr, ebenso wie die Zeugen Jehovas, ein Dorn im Auge. Jedenfalls hat sie immer schon gegen diese Leute gewettert und fordert heute noch, daß das Gemeindehaus der Mormonen und der Königreichsaal der Zeugen hier wieder verschwinden müssen. Das alles habe einen ganz schlechten Einfluss, aber einen ganz, ganz schlechten…

Nun ist es bei den Heiligen der letzten Tage nicht nur so, daß die keinen Alkohol trinken, nicht rauchen und kein Koffein zu sich nehmen, sie kaufen auch auf Vorrat ein. Je nach Platzangebot und finanziellen Möglichkeiten lagern manche ‚Heilige‘ bis zu einem ganzen Jahresvorrat an allem was man so braucht ein.
Von Lebensmitteln über Wasser bis hin zu Hygieneartikeln, sie halten es für klug, für schlechte Zeiten vorgesorgt zu haben und tatsächlich läßt sich mit einem gewissen Vorrat an diesem und jenem so mancher vorübergehende Engpass leichter bewältigen. Wird da mal einer arbeitslos und muß auf einen Teil seines Einkommens verzichten, dann kann er seine Familie eine ganze Weile aus den Vorräten gut über Wasser halten. Gar keine so schlechte Idee, finde ich.

Und genau diese Vorräte waren es, die den Bischof der ‚Heiligen‘ dazu bewegten, beim damaligen Pfarrer anzufragen, ob man sich nicht der Hilfsaktion für die Türkei anschließen dürfe. Es sei überhaupt kein Problem, bis zu 600 Pakete mit Lebensmitteln und anderen Dingen zu packen, wenn nur jedes Gemeindemitglied etwas von seinen Vorräten abgebe.
Natürlich hat der Pfarrer das Angebot angenommen und -man ahnt es schon- den Bischof an die Organisatorin der Hilfsaktion, Frau Birnbaumer-Nüsselschweif, verwiesen.
Die Mormonen kauften gelbe Postpakete und zwar die großen und packten tatsächlich 450 Stück davon voll.
Und hinterher? Wer war in der Zeitung abgebildet und bekam vom Bürgermeister die Hand geschüttelt? Na klar, die Birnbaumer-Nüsselschweif. Auf dem Foto thronte sie in dem offenstehenden Container vom Technischen Hilfswerk auf den gelben Kartons der ‚Heiligen‘ und breitet vielsagend ihre Arme aus: „In unermüdlichem Einsatz hat Frau Birnbaumer-Nüsselschweif einen ganzen Container voller Hilfsgüter zusammengetragen. Ein leuchtendes Beispiel für freiwilligen und ehrenamtlichen Einsatz einer tatkräftigen Bürgerin.“
Von den ‚Heiligen‘ war überhaupt keine Rede.

Nee, nee, mir braucht über die Birnenschweifige keiner was erzählen, und daß Frau Mandel tatsächlich heute wieder zurückkehren soll, das glaube ich erst wenn ich sie sehe.

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 10. Juli 2012 | Peter Wilhelm 10. Juli 2012

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Agamemnon
13 Jahre zuvor

Wir wollen endlich die gerechte Strafe lesen 🙂

Tichondrius
13 Jahre zuvor

Das is ja schlimmer als im Fernsehen mit den Unterbrechungen. Schäm dich! 😉

Roland
13 Jahre zuvor

Klasse geschrieben. Ich finde es geradezu grandios, wie du einen Spannungsbogen aufbaust und nicht nur hältst, sondern von Episode zu Episode die B.N. immer mehr charakterisierst.

Freue mich auf jeden Abschnitt.

auchnochda
13 Jahre zuvor

@roland…..biste bekloppt? Sowas zu schreiben…“freu mich auf jeden Abschnitt“

man könnte ja glatt auf die Idee kommen, das mit den Cliffhängern wäre im Sinne jedes Lesers….

Neeee, ich will endlich wissen wie das Nüsselschwein sein Fett weggekriegt hat.

Alleswisser
13 Jahre zuvor

Offizielle Drohung: Wenn Du das weiterhin mit uns machst, sperren wir Dich ein! Bei Wasser und Brot und als einzige Unterhaltung bekommst Du tonnenweise Bücher, bei denen die letzten zwei Kapitel herausgerissen wurden. Heraus kommst Du erst dann wieder, wenn Du von den vielen offenen Enden genauso wahnsinnig geworden bist, wie wir jetzt! Ggggggnnnnnnnnnnnnnnnaaaaaaaaaaaaaaaaaarghhhh… *indietischkanntebeiß*

Winnie
13 Jahre zuvor

@ 5 (Alleswisser)

Die Bücher müssen aber vom Rüsselschwein vorgelesen werden.

lovely bones
13 Jahre zuvor

Ich hatte so sehr auf eine Fortsetzung vor meinem heute beginnenden Urlaub gehofft und sie ja jetzt auch bekommen :)! DANKESCHÖN lieber TOM! Aber ich hoffe trotzdem, dass die Geschichte bald ein Ende findet! Ich halte die Spannung kaum noch aus…

Emilio
13 Jahre zuvor

Okaaaaay… Tom sagte ja, dass er schon weiß, was er die nächsten Jahre so schreiben will, da haben sich viele Erfahrungsberichte angehäuft.
Tom, kannst du nicht noch ein Buch rausbringen, nur mit den Cliffhanger-Geschichten, auch den unveröffentlichten? Dann können die Weblogleser die Geschichten häppchenweise bekommen, und die, die Geld dafür ausgeben wollen, kriegen alles gleich in einem Rutsch. Ist das nicht eine wunderbare und tolle Idee? *hoff*

😉

Claudia
13 Jahre zuvor

also wir haben ja 2 Möglichkeiten: entweder lesen wir die Geschichten wie sie passieren oder wir lesen lange nix und bekommen dann einen Roman auf Geschichte gekürzt am Stück als Nacherzählung. Mir sind die Etappen lieber und ich freu mich immer wieder über ein Stück Kuckucksuhr.

Vielleicht kommt ja das dicke Ende von Kapitel XX

Ich
13 Jahre zuvor

@Claudia

„entweder lesen wir die Geschichten wie sie passieren“

Tom hat schon mehrmals geschrieben, dass sich die Geschichten in der Vergangenheit abspielen… 😉

13 Jahre zuvor

Will ned mosern, aber:

Hilfswerk. So mit „f“ unzo.

Gut aufgebaute Geschichte! Ich freu mich auf weitere Episoden. Das Rüsselviech kann ja ned so böse sein, dass sie gleich eine Witwe um die Ecke bringt, entsprechend dürfte es sehr interessant werden …

Torsten
13 Jahre zuvor

Warum ist die nicht z.B. Lektorin geworden, Die werden auch gebraucht, siehe aktuell der RP-Kasten hier rechts weiter unten und auch deren Artikel – Überschrift: Ausländischen Eheleuten müssen Deutsch können: Klage um Deutschkenntnisse abgewiesen

Alwin
13 Jahre zuvor

Ich habe mich vor allem über den recht informativen Abschnitt über die Mormonen gefreut. Nachdem ich das Buch „Mord im Auftrag Gottes“ von Jon Krakauer gelesen hatte, stand ich dieser Kirche doch erst einmal negativ gegenüber; aber die handelnden Personen waren wohl fanatische Spinner, wie es sie in jeder Kirche gibt. Das Buch ist übrigens immer noch ein Lesetipp von mir, weil keine Fiktion, sondern Reportage.

Amazon-Link:
http://www.amazon.de/Mord-Auftrag-Gottes-religi%C3%B6sen-Fundamentalismus/dp/3492045715

Kommentator
13 Jahre zuvor

Ganz klar: TOM will die Todesrate mit „Cliffhanger-Herzinfarkten“ in umsatzfördernde Höhen treiben… Die Witwen und Witwer der Opfer sollen dann gleich im noch offenen Bestatterweblog des Verstorbenen den passenden Bestatter ermitteln…
HA! TOMs Geschäftsmodell ist identifiziert
(Und: Bitte, bitte eine Fortsetzung… Bitte?)

Verwiegald
13 Jahre zuvor

Die Mormonen sind mir von den „Neuen religiösen Bewegungen“, wie es so schön heißt, noch die liebsten. Schlimmer sind da schon die Zeugen Jehovas, die sind mir zu aufdringlich und einnehmend. Bleiben die S c i e n t o l o g e n, die eigentlich keine Religion darstellen, sondern ein Unternehmen. Mit vielen Anwälten. Mehr sollte man in Kommentaren auch nicht sagen. Wegen den Anwälten.

flavius
13 Jahre zuvor

In der naechsten Folge erfahren wir, wie die Birnbaumer ihrer Fussnaegel schneidet, und von Frau Mandel wissen wir immer noch nichts…

13 Jahre zuvor

Danke Tom. Ich musste grad eh aufs Klo, da kommt ne Pinkelpause beim Lesen gerade recht 🙂

niya
13 Jahre zuvor

nach den schichten die wir dank kranksein einiger kollegen aufgebrummt bekommen haben hast du mir die knapp 9 stunden bis zur nächsten schicht versüßt 🙂 danke dir

Desi
13 Jahre zuvor

@13

„Mord im Auftrag Gottes“ ist ein guter Einstieg und bis auf den Mord kannst du alles was über die Mormonen da geschrieben steht für bare Münze nehmen. Die sind nach aussen hin super nett – aber im inneren kein bischen besser als die ZJ im Gegenteil, das geht schon stark in Richtung Scientology. Wenn du mal Austeigerberichte und genaueres über die Mormonen lesen willst kannst du das unter http://www.mormonentum.de tun. Dann werden dir die Augen aufgehen was da so abgeht. Ich war 15 Jahre in dieser Sekte und heute bereue ich jeden Tag. Die machen dich genau so kaputt wie es Scientology tut. Aber eben auf die nette Art. Ich habe keinen Hass auf die Sekte, es war meine eigene Entscheidung da hinein zu gehen nur im Rückblick kann man davor nur warnen und die Menschen darauf hinweisen sich nicht von der schönen Fassade blenden zu lassen.

Micha
13 Jahre zuvor

Na wenigstens komm in den Unterbrechungen keine Werbung.

Alleswisser
13 Jahre zuvor

@19 (Desi): Die Mormonen in die Nähe von den Zeugen Jehovas zu stellen hätte ich mir ja noch gefallen lassen, denn Sekte ist Sekte und das woran sie glauben ist für den normalen Christen schon relativ … „erstaunlich“ … manchmal sogar etwas amüsant. Den Vergleich mit Scientology finde ich aber unangebracht – und mir ist dabei Wurst, wie lange Du dabei warst – ich habe selbst längere Zeit mit Mormonen zusammengelebt und, ohne selbst Mitglied geworden zu sein, einige Innenansichten kennengelernt. Ihr Glaube und die Regeln, die sie sich auferlegen, sagen mir überhaupt nicht zu, aber ich habe sie alle durchweg als tolerante und ziemlich normale Menschen kennengelernt. Zudem ist Mormone nicht gleich Mormone. Der Durchschnittsmormone aus Utah ist vielleicht einen Hauch konservativer als der Durchschnittskatholik aus Bayern. Das wars dann aber auch schon. Fährst Du jedoch zu gewissen abgelegenen Orten (ob in Utah oder anderswo) triffst Du auf bewaffnete Spinner und Fundamentalisten, die noch Vielweiberei betreiben und damit weitgehend in der Illegalität leben. Diese Splittergruppen sind von der mormonischen Kirche ausgeschlossen worden (oder haben… Weiterlesen »

MacKaber
13 Jahre zuvor

Und? Heute schon dreimal diskret bei Frau Mandel und bei B-N am Haus vorbeigefahren? Sind sie zurück?

Alleswisser
13 Jahre zuvor

Die Birnbaumer hat die Mandel zwangsweise als Osterei verkleidet und irgendwo im Garten versteckt und Tom muss sie morgen suchen.




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