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Die Mumie -II-

orgel

Frau Biedermann ist also ebenfalls Friseurin und war früher einmal Angestellte bei Frau Krüsemann-Wotz. Aus Gründen, die ich später noch schildern werde, hat die Biedermann aber vor Jahren schon ihren eigenen Salon aufgemacht und obwohl die beiden Frauen damit in direkter Konkurrenz zueinander stehen, sind sie gute Freundinnen geblieben.
Da ich mich aber um den Dorftratsch normalerweise nicht kümmere und an und für sich auch weniger zum Damenfriseur gehe, wußte ich von dem ganzen Drumherum nichts weiter, bis eines Tages die Biedermann völlig aufgelöst zu mir kam. Sie habe gehört, ich sei da in der Mittelstandsarbeit engagiert und habe einen gewissen Einfluß und deshalb wolle sie mich um Hilfe bitten.

Monika Biedermann führt einen schönen kleinen Salon, das weiß ich von meiner Frau, und kommt mit den Einkünften gerade so zurecht. Mal klappt das etwas besser, mal weniger gut. Da ist sie glücklich, daß sie einen Überziehungskredit in Anspruch nehmen kann, das hilft immer ganz gut, um am Monatsende den einen oder anderen Engpass ausgleichen zu können.
In einem Monat hat das aber nicht geklappt, das Konto blieb überzogen und es kam dann nach ein paar Wochen wie es kommen mußte, die Bank schrieb Frau Biedermann einen Brief und bat um Rückzahlung. Da heißt, zuerst machte man aufmerksam „vermutlich ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen“ und erst dann kam ein Brief „erwarten wir die Rückführung bis zum“.

Vielleicht hätte sie früher dorthin gehen sollen, auf jeden Fall ging Monika Biedermann erst dann…

…zur Bank, als es schon fast zu spät war. Der Filialleiter, Herr Blatschke, machte ihr nicht viel Hoffnungen und erst als die Biedermann anfing zu weinen, ließ sich Blatschke erweichen und bat die junge Friseurmeisterin in sein Büro.

„Mir kam das ja schon komisch vor, daß der die Jalousien, die seinen Glaskasten den er Büro nennt, abschotten, immer heruntergelassen hat, aber ich dachte das wäre wegen der Privatsphäre und dem Kundenschutz so. Aber dann wurde der anzüglich, grabschte nach meinem Hintern und meinte, es gäbe da noch eine Möglichkeit, ich müsse nur ein bißchen nett zu ihm sein.“

Nun kenne ich den Blatschke, einen großen, sehr korpulenten Mann mit Glatze und schmatzendem Sprechkäse in den Mundwinkeln und weiß, daß der mit seiner etwas bieder wirkenden Frau und seinen drei daheimgebliebenen erwachsenen Töchtern jeden Sonntag in der Kirche in der ersten Reihe sitzt und hin und wieder an der Kirchentür auch den Klingelbeutel aufhält; das aber hätte ich ihm nicht zugetraut, aber wen kennt man schon?

„Ja und? Haben Sie sich nicht gewehrt? Sowas gibt’s doch gar nicht!“ sagte ich und ich gebe zu, daß ich sehr ungläubig reagierte. Die ganze Sache kam mir beinahe zu klischeehaft vor, doch auf der anderen Seite saß mir da eine sehr gut aussehende Frau von etwa 33 Jahren gegenüber, die durchaus glaubwürdig wirkte.
Das sei so ekelhaft gewesen, aber natürlich habe sie sein Ansinnen weit von sich gewiesen und sei dann recht schnell gegangen. Doch schon zwei Tage später habe Blatschke sie angerufen, diesmal ganz geschäftsmäßig und sachlich und ihr angeboten, den Überziehungskredit in einen normalen Kredit umzuwandeln. Da sie aber keine so ganz einwandfreie Schufa-Akte habe, gehe das wirklich nur ausnahmsweise und unter einer Bedingung. Sie müsse ihr Konto von nun an auf Guthabenbasis führen und jede Überziehung müsse mit ihm persönlich abgestimmt werden.

„Von da an bin ich dann jede Woche zu ihm gegangen und habe ihm meine Überweisungen vorlegen müssen. Blatschke hat dann entschieden, was geht und was nicht geht.“

„Ja und?“

„Wie, ja und?“

„Und, ist der nochmals zudringlich geworden?“

„Anfangs nicht, im Gegenteil, der tat so, als ginge es nur ums Geschäft. Und, ob Sie es mir glauben oder nicht, das hat sogar funktioniert. Alles Unnötige hat er abgelehnt und schon ab der dritten Woche habe ich mir bei jeder Bestellung, bei jedem Kauf genau überlegt, ob das geht oder nicht. Manchmal hatte ich zwei Wochen am Stück gar keine Zahlungen zu leisten und brauchte auch nicht zu Blatschke. Meine Finanzen haben sich erholt, ich kann jetzt den kleinen Kredit abbezahlen.“

„Und was genau soll ich jetzt für Sie tun?“ wollte ich wissen und Frau Biedermann seufzte: „Der hat natürlich wieder angefangen. Ich krieg das nicht in meinen Kopf!“

„Was denn?“

„Na, was Männer für Sprüche drauf haben und sich dann noch einbilden, das könne einer Frau imponieren. Einmal hat er zum Beispiel gesagt, daß da noch ein Stempel drauf müsse und dann hat er sich an mich geschmiegt, daß ich seinen schlechten Atem riechen konnte und gesagt, am Liebsten würde er mir seinen Stempel auch mal wohin drücken. Beim nächsten Mal hat er sich verabschiedet mit den Worten, ich solle doch beim nächsten Mal was Netteres anziehen: ‚Sie sind ja immer so zugeknöpft, ihr jungen Dinger könnt doch mal was Nettes anziehen, einen kurzen Rock zum Beispiel‘, das würde mir doch sicher ganz gut stehen und er wolle doch schließlich auch seinen Spaß.“

„Eklig ist das schon, aber was soll man machen?“

„Naja, der Blatschke hat dann klipp und klar gesagt, das mit dem Kredit könne auch sofort wieder vorbei sein und dann müsste ich alles auf einmal bezahlen, er habe da einen Bekannten, der ein Wochenendhaus habe und da müsse er manchmal nach dem Rechten sehen und er erwarte, daß ich ihn da mal begleite…“

„Nein!“

„Doch!“

„Ja und? Haben Sie ihn begleitet?“

„Nein, natürlich nicht, aber der hört nicht auf damit und noch habe ich ja einen Teil des Kredites laufen.“

Um es kurz zu machen: Frau Biedermann hat sich dem lüsternen Bänker nicht hingeben müssen. Die Geschäftsleute haben kurzfristig zusammengelegt und die Biedermann bei dieser Bank ausgelöst. Sie hat sich ein Konto bei der Konkurrenz genommen und erstaunlicherweise war für diese Bank die Schufa-Auskunft gut genug, um ihr wiederum einen Dispo-Kredit einzuräumen. So bekamen wir alle unser Geld zurück.
Ich hatte mir vorgenommen, Blatschke bei passender Gelegenheit ganz konkret auf diese Geschichte anzusprechen, der Biedermann konnte ja nichts mehr passieren, aber dazu ist es nicht mehr gekommen, Blatschke ist in einen anderen Stadtteil versetzt worden.

Durch diese Begebenheit ist Monika Biedermann aber eine gute Bekannte geworden, ich weiß gar nicht ob ich das erzählen darf und ob das Schwarzarbeit ist, jedenfalls schneidet sie seitdem meinen Kindern kostenlos die Haare. Ja und immer wenn sie da ist, erfährt man natürlich das Neueste vom Neuesten. Genau so habe ich die ganzen Geschichten von der Gundel und ihrem Mann erfahren.

So kam es, daß ich schon im Voraus einiges wußte, als Frau Gundula Krüsemann-Wotz bei mir saß und die Beerdigung für ihren Mann bestellte. Man weiß ja nie, was an solchem Dorftratsch dran ist, aber immerhin sind die beiden Friseurinnen eng miteinander befreundet und so kann man davon ausgehen, daß die Erlebnisse nicht durch tausend Hände, Münder und Gehirne gegangen sind, bevor ich sie erfuhr.

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 31. Juli 2016 | Peter Wilhelm 31. Juli 2016

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Kirstin
14 Jahre zuvor

Grmpf Tom.. schreib shcneller.. nun bin ich als Dame doch auch neugierig geworden was du über die Gundel und Ihren Mann so weist…
Ich koche mir derweile ma nen neuen Kaffee.

Manuela
14 Jahre zuvor

Tom, ich weiß dein Schreibtempo zu schätzen :-). Trotzdem bleibt die Frage der ausbleibenden Trauer der verwitweten Mumie nach wie vor offen, aufgrund der Anspielungen hätte ich eher auf ein Verhältnis des verblichenen Nimrods mit besagter Friseurin getippt.

Und diesmal steht nicht „kommt gleich“.

Ein gutes hatte die Geschichte für Frau Biedermann. Immerhin hat sie so ihre Finanzen auf die Reihe gekriegt.

Bernd
14 Jahre zuvor

Ich warte noch auf Hexenhaus V und da fängt Tom mit der nächsten längeren Story an. Ohhh Mann!!!

Alleswisser
14 Jahre zuvor

Ich will ja nicht nörgeln, aber irgendwie sind da noch andere Geschichten offen: Hexenhaus, Olaf, … Oder verbinden sich diese zu einem einzigen fulminanten Ende? 🙂 Dann allerdings verlange ich den ersten Bestatterweblog Kinofilm – denn filmreif wäre das allemal! *g*

Kerstin
14 Jahre zuvor

@Alleswisser: Klar:

Olaf zieht bei der Witwe ins Hexenhaus ein, die mörderische Schwester versöhnt sich am Sterbetag mit der getöteten Schwester, beide beziehen einträchtig ein Reihengrab und Bruno muss für beide die Grabpflege übernehmen.

Olaf wiederum wird glücklich mit der Witwe und darf endlich wieder in der Bettritze schlafen, da Mutti und Witwe jeweils die Betten belegen.

TOM SCHREIB SCHNELLER!!! DIE KUNDEN KANN AUCH SANDY ÜBERNEHMEN! *g*

14 Jahre zuvor

Hm haste ihr nicht geraden den Typen noch anzuzeigen? Aber das lingt echt erstmal wie so ne billige Klischeeverfilmung…

Undertaker – Der Film das wäre doch echt mal was.

14 Jahre zuvor

Das ist hier auch schon fast wie beim Friseur oder wo sonst man die Klatschgeschichten zu hören bekommt …
aber spannend ist es trotzdem 🙂
Bitte weiter!

eulchen
14 Jahre zuvor

…ärks… und was will des Gundula nun? Soll der verstorbene Jäscher ausgestopft werde? Jeses diese unerträgliche Spannung.

JHT
14 Jahre zuvor

Keine Angst Tom. Wenn deine Kinder jetzt Gratis-Haarschnitte bekommen, ist das keine Schwarzarbeit, sondern Dankbarkeit.

14 Jahre zuvor

jaaaaaa….???

🙂

martin
14 Jahre zuvor

die richtige antwort von frau biedermann zum ferienhäuschen wäre gewesen: “ aber gerne doch! ich klär das mal mit ihrer frau ab und dann können wir los…“

MacKaber
14 Jahre zuvor

So so, der Blaschke ist „zufällig“ versetzt worden.
Ob da nicht irgendwo ein Vögelchen aus der Mittelstandsvereinigung beim gemeinsamen Abendessen mit dem Herrn Bankvorstand ein klein wenig ins Plaudern geraten ist?

Alleswisser
14 Jahre zuvor

Jetzt hab ich es: Tom wird noch 5 spannende Geschichten anfangen und dann… verabschiedet er sich in die 8-wöchige Sommerpause… *aaaarrrgghhh* 😉

eulchen
14 Jahre zuvor

psst…bring ihn bloss nicht auf dumme Gedanken…

Emz
14 Jahre zuvor

Wie SOMMERPAUSE??? Ich bin entsetzt…

fuzzy
14 Jahre zuvor

Onkel Toms Märchenstunde! Immer wieder herrlich :D.

Ich schließe mich Kerstin an: Lass Sandy die Kunden übernehmen und konzentriere dich ganz aufs Schreiben…

hss
14 Jahre zuvor

Werbeunterbrechung? Ich hol mir dann mal eben ne Tüte Chips und ein Bier. Geht gleich weiter, oder?

BBIIIIIITTTEEEEEE!

14 Jahre zuvor

und was erfuhrst du nun?
Ich hasse das, wenn ich abends sowas lese und dann kein ende kommt … grrrr…..

14 Jahre zuvor

Wegen dir kann ich nicht schlafen, ich will doch wissen wie es weiter geht 🙂

Kerstin
14 Jahre zuvor

wieso seh ich vor meinem geistigen Auge jetzt folgendes Bild: Einen leise kichernden Tom vor seiner Tastatur hockend, gemütlich einen Kaffee schlürfend und sich grinsend die Kommentare angucken…?

🙂

ein anderer Stefan
14 Jahre zuvor

Den Bänker deswegen anzeigen ist eine gute Idee, prinzipiell. Leider werden solche Delikte allzuoft verharmlost oder mit „die ist doch selber schuld“ oder „es is doch nix passiert“ abgetan und nicht besonders konsequent verfolgt. Wenn dann nur Aussage gegen Aussage steht, kommt wahrscheinlich eh nix bei raus. Möglicherweise gibt es dann die Gegenklage wegen Verleumdung, Motiv: sie bekam keinen Kredit mehr von der Bank und wollte sich rächen. Und als Selbstständige die Prozesskosten stemmen, wenn der Laden gerade eben genug abwirft – das würde ich mir auch genau überlegen.

Bernd
14 Jahre zuvor

@ MacKaber

> So so, der Blaschke ist „zufällig“ versetzt worden.
> Ob da nicht irgendwo ein Vögelchen aus der
> Mittelstandsvereinigung beim gemeinsamen Abendessen mit
> dem Herrn Bankvorstand ein klein wenig ins Plaudern
> geraten ist?

Dachte ich mir auch! Bei solchen Vorfällen funktioniert sowas oft wahnsinnig gut.
Und in der Firma sind solche Leute auch meistens durch. Da muss nur nochmal eine kleine Andeutung kommen und der typ ist weg vom Fenster.

tattva
14 Jahre zuvor

Sprechkäse im Mundwinkel -> Endlich hab ich da nen Ausdruck für! Danke 🙂

14 Jahre zuvor

Ach Klage, da gibts doch wirksamere Methoden um so einem Kerl das Leben zur Hölle zu machen.

Angefangen bei seiner Frau, seinen Kollegen, oder das mal in der Kirchencommunity zum besten geben…

Torsten
14 Jahre zuvor

„schmatzendem Sprechkäse in den Mundwinkeln“
Äh, @22, mir geht es jetzt so: ich habe und kenne nun diesen Ausdruck, hab aber keinen blassen Schimmer, was der bezeichnet. Mag mir wer auf die Sprünge helfen?




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