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Menschen

Drum hör gut zu und gib fein acht…

Jemandem die Rente auszurechnen, das ist schon was Kompliziertes. Das muß ein Fachmann machen. Weniger kompliziert ist die Angelegenheit aber schon dann, wenn beide Ehepartner schon Rentner waren, dann einer von denen stirbt und der Übrigbleibende nun Witwen- oder Witwerrente bekommen soll.

Das ist immer noch schwierig genug, aber immerhin entfällt bei diesen Kandidaten das oft langwierige Nachweisen nachkrieglicher Ausfallzeiten und das früher oft problematische Herbeischaffen irgendwelcher Kriegskameraden.

Dennoch kümmern sich die Bestatter nicht um die Beantragung der Hinterbliebenenrente, dafür fehlt ihnen das Fachwissen und sie wollten es vermutlich auch nicht tun, um nicht später für irgendeinen dabei gemachten Fehler in Haftung genommen werden zu können.

Was der Bestatter jedoch regelmäßig macht, ist das Beantragen der 3monatigen Übergangsrente. Das geht mit einem einfachen Formblatt, da kann man nicht viel verkehrt machen.

So sagen wir also zu unseren Kunden:

„Also, ich erkläre es Ihnen nochmals ganz kurz: Die Dreimonatsrente habe ich jetzt für Sie beantragt. Das Geld sollte in vier bis sechs Wochen auf Ihrem Konto sein, in einer Summe. Aber nicht gleich alles für den Grabstein ausgeben, denn bis Sie Ihre Witwenrente bekommen, kann eine gewisse Zeit vergehen. Auf jeden Fall sollten Sie baldmöglichst aufs Bürgeramt gehen und dort den Rentenantrag stellen.“

Genau das sage ich auch zu Frau Schwirpeldinger und weil sie mich etwas kuhäugig anglotzt, male ich mit Worten ein Ernie-und-Bert-Bild: „Also nur die Dreimonatsrente ist beantragt, die Witwenrente bekommen Sie nur, wenn Sie bald aufs Bürgeramt gehen, ja?“

„Ja, ist klar“, strahlt mich nun Frau Schwirpeldinger an, steckt ihre Durchschläge und Kopien ein und sagt:

„Meine Rente ist dann also beantragt, ich muß jetzt nichts mehr machen, ja?“

„Nein! Nur die Übergangsrente! Die eigentliche Witwenrente…, da gehen Sie aufs Bürgeramt.“

„Ah ja, warum sagen Sie das nicht gleich? Ich brauche dann nichts mehr zu tun, ist alles erledigt, wie gut daß der Bestatter das auch mit der Rente macht.“

„Nein, nein, nein, Sie müssen aufs Bürgeramt!“

„Gut so, ich dachte schon, ich müßte da noch extra aufs Rathaus.“

„Ja ja, aufs Rathaus, zum Bürgeramt, wegen der Rente.“

„Weil alle andere alten Frauen, die ihren Mann verloren haben, mußten früher immer aufs Bürgeramt.“

„Müssen Sie auch! Bürgeramt! Rathaus! Rente! Hingehen! Bald!“

„Ach so. Na wenn das so ist, dann gehe ich da morgen gleich hin.“

„Nein, morgen ist die Beerdigung von Ihrem Mann. Gehen Sie da übermorgen oder nächste Woche hin.“

„Wie? Ist die Beerdigung von meinem Mann verschoben worden? Warum sagt mir das denn keiner? Ich muß dann doch den Pastor noch anrufen. Das ist so ein lieber Mann!“

„Frau Schwirpeldinger, jetzt atmen Sie mal ganz tief durch und hören Sie mir bitte in aller Ruhe zu, ich schreibe es Ihnen auch noch mal alles auf einen Zettel: Morgen ist die Beerdigung von Ihrem Mann. Der Pfarrer weiß Bescheid und kommt, da brauchen Sie nichts mehr machen. Die Übergangsrente ist jetzt beantragt und ein paar Tage nach der Beerdigung gehen Sie zum Rathaus.“

„Hoffentlich fängt der nicht an zu riechen, wenn das jetzt noch ein paar Tage dauert.“


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

keine vorhanden

Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 20. Juli 2012 | Peter Wilhelm 20. Juli 2012

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14 Jahre zuvor

wie schaffen es solche Leute nur heil durchs leben?

Turtle
14 Jahre zuvor

Dafuer haben die Ehepartner. Ab jetzt wird hart fuer Frau Schwirpeldinger.

Ponder
14 Jahre zuvor

Mit etwas Pech leider gar nicht – da hat sich nämlich der kürzlich dahingeschiedene Gatte um alles gekümmert und die Dame weiss mit etwas Pech nicht mal, wie sie an ihr Konto kommt um Geld zu holen. Mit etwas Glück hingegen ist die Dame einfach nur durch den Tod ihres Gatten so durch den Wind, dass sie ein bisschen braucht um ihre sieben Sinne wieder zusammenzuraffen 🙂

Neuling
14 Jahre zuvor

Um die Rente braucht sich Frau Schwirpeldinger keine Gedanken zu machen. Der Betreuer wird ihr schon ein kleines Taschengeld für den Heimkiosk überlassen.

Kirstin
14 Jahre zuvor

Leider gibt es solche Fälle bundesweit mehr als wir erahnen. Diese Leute leben dann in ihrer eigenen Welt.
Wir haben im Ort auch so einen leben… nachdem seine Mutter starb ging es noch tiefer bergab als vorher.

14 Jahre zuvor

schreibst du in solchen Fällen dann einen Terminplan (1.1. Beerdigung, 2.1. Termin im Bürgeramt wegen Rente) oder rufst du jemanden an, der sich um die Frau kümmert und das mit ihr nacht?

Tinchen
14 Jahre zuvor

*g* kann es sein, das die Dame etwas schwerhörig war oder ein gestörtes Kurzzeitgedächtnis hatte? Egal – Aufschreiben hilft ganz enorm bei solchen Schätzchen

14 Jahre zuvor

Ob sie es dann auch tatsächlich verstanden hat und es auch umsetzen konnte? Ich habe da meine Zweifel …

Sepp
14 Jahre zuvor

Hast du noch nicht Memento gesehen? Die Frau hat kein Kurzzeitgedächtniss. Du musst ihr das auf die Hand schreiben!

14 Jahre zuvor

und mit solchen leuten hab ich es imo noch tag für tag zu tun..
Da hilft alles gute wollen nix. Manche musst du dann ins offene Messer laufen lassen.

Skrenn
14 Jahre zuvor

Na ja, bei der Witwenrente hat sie ja ein Jahr Zeit, um den Antrag zu stellen, damit ihr nichts verloren geht. Bis dahin wird sie schon gemerkt haben, daß das Konto leer ist.

Ronald
14 Jahre zuvor

@charlotte: sie hats doch durchs leben geschafft. Immerhin länger als Ihr Mann.

Zwerg
14 Jahre zuvor

wahrscheinlich ist ihr Mann daran zu Grunde gegangen

14 Jahre zuvor

das ding ist, viele werden ja nicht erst so sondern sind es schon immer gewesen. „wie jetzt denken? kommt das im fernsehen? Mit hans Meiser? Den Meiser mag ich. – Meine Oma, frei Zitiert“.
Das passiert wenn man sich nie um was selbst kümmern muss.

14 Jahre zuvor

auf meinem Spickzettel für Angehörige ist neben den üblichen Erinnerungszeilen wie Blumen bestellen, Kaffetafel besprechen, Termin mit dem Pastor/Redner etc. und den Terminen für Trauerfeier, Abschiedstreffen etc. ziemlich fett gedruckt die Zeile: „später Antrag auf Witwen-/Witwerrente stellen“ als Ankreuzmöglichkeit vorhanden und das Kreuzchen wird mit ähnlichen Worten wie Tom sie findet begleitet.

Gru Volkert

Zeo
14 Jahre zuvor

Vielleicht ist Frau Schwirpeldinger auch einfach nur etwas neben der Spur, weil sie noch so schockiert darüber ist, dass ihr Mann tot ist, und sie nun allein.

Schockzustände können auch sonst intelligente Menschen dazu bringen mal was Dummes zu tun oder zu sagen.

Ich frage mich, bzw. euch liebe Kommentarschreiber vor mir, ob ihr schon mal einen euch nahestehenden Menschen verloren habt und dadurch aus der Bahn geworfen wurdet. Auf den ersten Blick scheint es nicht so (und nun dürft ihr mich gern zerfleddern)

eulchen
14 Jahre zuvor

…ich habe Angst alt und senil zu werden…

14 Jahre zuvor

@ Zeo: Du hast vollkommen Recht und ich glaube kaum, daß Dich wegen Deiner Meinung hier jemand zerfleddert. Dieser Umstand, daß Hinterbliebene in der Zeit der Trauer oft kopflos sind, ist den meisten Bestatterweblog-Lesern durchaus bekannt. Oft genug habe ich schon darüber geschrieben.

Aber dieser Umstand ist eben auch mir bekannt und deshalb kannst Du darauf vertrauen, daß ich in solchen Geschichten nicht Menschen vorführe und als Clown missbrauche, die nur aufgrund ihrer Trauer und ihres Schmerzes vorübergehend etwas indisponiert sind.
Wenn ich solche Begebenheiten beschreibe, dann sind das Leute, von denen ich weiß, daß sie oft, meist oder grundsätzlich so oder so ähnlich reagieren.

Ma Rode
14 Jahre zuvor

Oh Mist, ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das bei mir war. Schränke ausräumen war wichtiger als zur Bank und zum Amt zu gehen und die notwendigen Dinge zu regeln. Das Attribut „kopflos“ traf damals absolut auf mich zu. Ich schäme mich manchmal heute noch, aber was soll´s?

Zeo
14 Jahre zuvor

@Undertaker Tom:
Auch ich kenne Menschen, die im Alltag für ihre Umwelt „daueranstrengend“ sind, egal wie harmlos die Situation ist und kann darüber oft nur den Kopf schütteln, damit das Augenrollen nicht so auffällt.

Da ich nicht beim Vorfall dabei war ist mir beim Lesen des Beitrags schlicht entgangen, dass sie einfach so ein Typ Mensch ist und nicht nur aufgrund des Todes ihres Mannes so reagiert.

Rena
14 Jahre zuvor

Auch mein Mann (knapp über 40) hat lange nicht gewusst, wie Online-Banking geht. Wozu auch, Frauchen macht ja alles. (/Ironie). Bis ich mich geweigert habe, weil er die Rechnungen nicht rausgerückt hat und Mahnungen kamen. Jetzt „darf“ er es selbst machen.

14 Jahre zuvor

@Ma Rode: Warum schämst du dich dafür? Das war ja wohl wirklich eine Ausnahmesituation, in der reagiert man nicht perfekt. Das ist doch völlig in Ordnung.
Am besten wäre, wenn man in der Situation jemand „Halb-Außenstehendes“ hat – der einen kennt, dem man trauen kann und der trotzdem klarer im Kopf ist.

Wolfram
14 Jahre zuvor

Vielleicht bin ich ja von der falschen Fakultät – aber ich beerdige niemand, wenn ich nicht vorher ein Gespräch mit der Familie gehabt habe.

Ach, Tom: solltest du mal wieder so eine Kundin haben, dann warne doch den Pfarrer vor, für den Fall, daß sie tatsächlich anruft und sagt, die Beerdigung wäre verschoben… ich jedenfalls habe nicht immer Kontakt zum Bestatter, und wenn die Familie mir das so sagt, muß ich das meist glauben.

Manuela
14 Jahre zuvor

Ein klarer Fall von beginnender Demenz. Oder war die schon zeit ihres Lebens so blöd?

Garfield
13 Jahre zuvor

Dazu sage ich nur *TILT*!!




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