Neulich erwähnte ich mal die Gaffer auf den Friedhöfen. Und die gibt es tatsächlich. Natürlich sind damit nicht die Leute gemeint, die aus irgendeinem Grund ein berechtigtes Interesse daran haben, den Verstorbenen noch einmal zu sehen. Das können Menschen sein, von denen man es nicht vermutet hätte, daß sie diesen Wunsch haben.
Man darf ja nicht vergessen, daß der Verstorbene auch ein Leben außerhalb seiner Familie hatte, auf der Arbeit, in Vereinen oder Parteien usw. Da können sich intensive Beziehungen entwickeln, von denen die Familie keine Ahnung hat. Hieraus kann bei vermeintlich vollkommen Fremden der Wunsch erwachsen, sich vom Toten verabschieden zu wollen.
Aber über diesen Personenkreis hinaus gibt es Leute, die sich gerne einem, ausschließlich von Sensationslust geprägten, Leichengaffen hingeben. Es sind vornehmlich ältere Menschen, die jeden Tag den Gott werden lässt einige Stunden auf dem Friedhof zubringen und auch jeden Tag in die Aufbahrungszellen gehen, um sich der Reihe nach alle Toten anzuschauen.
Neugierde, Langeweile, Sensationshunger und die Suche nach einer Grundlage für neuen Tratsch sind die Wurzeln, aus denen sowas wächst. Und es sind nicht gerade wenige, die so etwas machen.
Vielen Familien ist das bewusst und deshalb haben wir immer mehr Aufbahrungen in unseren Räumen, wo eine bessere Zugangskontrolle möglich, aber auch die Hemmschwelle höher ist.
Manche dieser Gaffer gehen auch zu nahezu jeder Beerdigung oder Trauerfeier und manche von denen kenne ich schon beim Namen. Sie haben es fest mit eingeplant, so drei bis vier Mal in der Woche bei einer Trauerfeier zu sitzen und etwas über den Toten und die Familie zu erfahren und sich auf diese Weise die Zeit zu vertreiben. Vielleicht sind da ähnliche Motive im Spiel, wie bei den Leuten, die den ganzen Tag in den Gerichtssälen bei öffentlichen Verhandlungen dabei sind, keine Ahnung.
Mehrfach schon hatten wir es auch mit Leuten zu tun, die nach der Trauerfeier und Beerdigung ungeniert einfach mit zum anschließenden Kaffeetrinken oder Mittagessen gegangen sind.
In einem besonders krassen Fall hatten wir es mit einem vermeintlichen Hobbyfotografen zu tun, der unter seinem Mantel immer einen Fotoapparat mitschmuggelte und heimlich Fotos von den Leichen machte. Zwei Fälle sind mir bekannt, in denen junge Männer oft in den Aufbahrungszellen ‚unterwegs‘ waren, um nach besonders jungen weiblichen Verstorbenen zu schauen. Es ist da nicht bekannt, daß einer von den beiden etwas mit den Leichen gemacht hätte, aber offenbar fühlten sich diese beiden jungen Männer in gewisser Weise sexuell erregt, wenn sie sich die toten Frauen anschauten.
Wenn wir also von Leichengaffern reden, dann meinen wir nicht Leute, die aus wahrem Andenken nochmal einen Verstorbenen besuchen wollen, sondern diejenigen, die es aus reiner Sensationslust tun und die mit dem Betreffenden niemals etwas zu tun hatten.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: gaffer
Gegen die armen alten Mütterchen, die sich ihren schon tristen Alltag damit bereichern, schon mal auf dem Friedhof probezuwohnen und dabei unauffällig der einen oder anderen Bestattung beizuwohnen ist doch nichts einzuwenden.
Wenigstens sitzen diese Leute dann nicht im Ärztewartezimmer und belasten das Gesundheitssystem…
Ich würde als Angehöriger bei einer Beerdigung platzen, wenn solche Leute sich da rumtreiben.
Mal "gucken kommen" ist ja gearade noch so zu verschmerzen, wenn es keiner von der übelsten Sorte ist. Aber beim gemeisamen Essen einfach mitzukommen ist ja schon mehr als dreist. Dass sich Menschen sowas überhaupt trauen. Jemanden, den ich nicht kenne, lasse ich da als "Gastgeber" gar nicht mitkommen.
Sich aus Langeweile auf dem Friedhof herumzutreiben ist eine Sache. Aber sich die Toten auch noch anzuschauen oder sich in Feiern einschleichen ist schon heftig. Schließlich dringt man in die Privatsphäre fremder Personen ein. Von Fotos mal ganz zu schweigen.
"Vielleicht sind da ähnliche Motive im Spiel, wie bei den Leuten, die den ganzen Tag in den Gerichtssälen bei öffentlichen Verhandlungen dabei sind, keine Ahnung."
Oder vielleicht ähnliche Motive, die sich Tag für Tag irgendwelche Blogs durchlesen?
Nicht ohne Selbsironie
Blogbär
Warum sollten viele der Weblogbesucher hier nicht auch senationslüstern mitlesen?
Ich als Call-Center Agent kann das
eigentlich auch nur bestätigen.
Viele alte Leute haben heutzutage nichts zu tun, sind einsam und freuen sich über jeden Anruf.
Aber den ganzen Tag auf Anrufe zu warten ist ja auch langweilig.
Viele gehen deswegen unter anderem zum Friedhof, das erzählen sie mir auch gerne, hat aber nicht viel mit Sensationsgier zu tun, mehr interessieren sie sich dafür, was mit Menschen gleichen Alters passiert, viele von ihnen schauen auch oft, ob jemand gestorben ist, den sie kennen, über dessen Tod sie nicht benachrichtigt worden sind!
Und nicht alle von denen heißen Harold & Maude…
😉
Je mehr Leute zur Beerdigung kommen, desto schöner die Leich. Und die paar Butterbrezeln mehr macher die Bestattungsrechnung auch nicht mehr fett. Ach ja, am Ein- und Ausgang steht noch ein Kässle. – Anstatt Blumen bitte eine Spende für einen gemeinützigen Verein, in dem der Verstorbene aktiv war. Ich bin öffentlich durch die Welt gegangen, da kann ich auch öffentlich von ihr gehen.
Etwas spät, ja, aber mußte ich mal loswerden; wurde ja schon einige Male erwähnt: Ich war schon als kleines Kind irgendwie immer fasziniert von Toten. Nicht, daß ich da jetzt groß nach gesucht hätte oder es heute tuen würde, aber ich konnte auch an keiner Leichenhalle vorbeigehen, ohne irgendwie reinzuschauen; wie gesagt, schon im Vorschulalter. In der Form hat es sich natürlich gelegt. Das ist aber weder Sensationsgier noch Nekrophilie (die gehört so zu den Spielarten, bei denen ich wirklich nicht nachvollziehen kann, wo der Punkt auch nur ansatzweise sein könnte). Ich schätze mal eher, soweit man das an sich selber einschätzen kann, daß das einfach eine Art und Weise ist, sich dem Mysterium des Todes zu nähern. Es gibt halt in unserer Gesellschaft keinen "normalen" Weg mehr, sich den Toten und damit dem Tod anzunähern; Leute sterben z.B. nicht mehr im Kreise ihrer Lieben, offene Aufbewahrungen sind da wo ich herkomme absolut unüblich usw. Da wir aber da nun alle mal hinkommen, an diesen Punkt, finde ich es durchaus verständlich, daran interessiert zu sein.… Weiterlesen »