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Geschichten

Günther -XIV-

Frau Birnbaumer-Nüsselschweif ist ja schon mehrfach in mein Leben getreten. Zum Zeitpunkt, als sie in Günthers Leben trat, kannte ich sie aber noch nicht. So beruht die Schilderung der wallewallemänteltragenden Dicken allein auf Günthers Erzählungen.
Den schreienden Thomas habe Günther dann mühsam wieder beruhigen können, während Frau Birnbaumer-Nüsselschweif mit langem Zeigefinger in Günthers ganzem Haus auf die Suche nach Staub und Spinnweben ging und immer wieder „Ach Gottchen, ach Gottchen!“ ausstieß.

Dann setzte sie sich in der Küche auf die Eckbank, nicht ohne auf ihrem Sitzplatz zuerst ein Blatt von der Tageszeitung auszubreiten, um sich nicht zu beschmutzen, und beobachtete Günthers morgendliche Rituale.
Dabei machte sie sich Notizen in ein kleines Büchlein und spitzte immer wieder kritisch die Lippen.

Als die Kinder dann aus dem Haus waren, schüttete sich Günther einen Pott Kaffee ein und setzte sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Küchentischs. „Wollen’se auch ’nen Kaffee?“
Die Dicke machte große Augen, wehte ab und sagte: „Sie glauben doch wohl nicht, daß ich hier etwas zu mir nehme! Mein Gott, Ihre Kinder waschen sich am selben Wasserhahn, wo Sie auch das Wasser für den Kaffee abzapfen. Um Himmels Willen! Och nein! Nein, niemals!“

„Is‘ ja gut, war ja nur ’ne Frage.“

Die Birnbaumer-Nüsselschweif machte weiter Notizen und danach schwiegen sich Günther und die dicke Familienhelferin an.

„Und? Wie geht’s jetzt weiter?“ fragte Günther. „Machen Sie jetzt irgendwas? Ich meine, wenn Sie nicht kochen, waschen oder putzen, was machen Sie dann?“

„Ich komm‘ jetzt jeden Morgen und schaue zu, wie Sie ihre Kinder fertig machen und berichte das dann dem Jugendamt und bespreche es im wöchentlichen Stuhlkreis unseres Sozialdienstes. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse werde ich Ihnen dann Ratschläge zur Erziehung und Versorgung Ihrer Kinder geben.“

„Hm, eigentlich hat das bisher auch ganz gut ohne Sie geklappt.“

„Ja, aber mein Gott, wie’s hier aussieht! Da ist ja alles dreckig!“

„Hier ist nicht dreckig, hier fehlt bloß die pflegende Hand der gütig waltenden Hausfrau, wie man so schön sagt. Ich putze hier, ich wische ab und zu Staub und putze einmal im Jahr die Fenster.“

„Einmal im Jahr, meine Güte!

In diesem Moment kam Leo nach kurzen Anklopfen in die Küche, sagte nur „Moin moin“ und füllte sich, wie er es jeden Morgen tat, eine mitgebrachte Blechtasse mit Kaffee, dann nickte er nur kurz und ging wieder.

„Ach du meine Güte! Wer ist das denn?“ rief die Birnbaumer-Nüsselschweif und vor Aufregung bebten ihre Nasenflügel.

„Der? Das ist der Leo, der wohnt hier.“

„Wie, hier im Haus? Sind sie ein kranker Mann, so ein Abartiger? Treiben Sie es mit dem? Ach Gott, ich mag es mir gar nicht vorstellen, das ist ja ekelhaft! Und das vor den Kindern. Furchtbar, furchtbar, furchtbar!“

„Sagen Sie mal, haben Sie irgendwie ’nen Knall oder sind Sie nur schlecht sexuell versorgt?“

„Was?“

„Das heißt ‚Wie bitte‘!“

„Wie bitte?“

„Ich habe Sie gefragt, ob Sie noch richtig ticken?“ fragte Günther, blieb ganz ruhig und trank weiter seinen Kaffee.

„Ja aber, wenn Sie hier doch mit einem anderen Mann, das ist doch unsittlich, das ist doch verboten, das hat ja… Ach ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mich das anwidert!“

„Jetzt machen Sie aber mal ’nen Punkt! Der Leo ist ein armer Teufel, der da vorne unter den Pflaumenbäumen in seinem Wohnwagen wohnt. Wir haben sonst nicht viel miteinander zu schaffen.“

„Sie meinen, Sie sind kein Kotstecher?“

„Kein was?“

„Na ja, so einer, der andere Männer von hinten – meine Güte, Sie wissen schon!“

„Ich? Ich weiß gar nichts.“

„Ach, wie sag ich das denn jetzt? Also, Sie sind nicht homosexuell?“

„Ich? Wie kommen Sie denn darauf? Nur weil da vorne im Wohnwagen ein Mann wohnt? Sie haben wohl was Falsches gegessen, oder?“

„Also so kommen wir nicht weiter, das kommt alles in meinen Bericht und morgen komme ich wieder“, sagte die Birnbaumer-Nüsselschweif und war schon an der Tür, als ihr Günther hinterher rief: „Sie können in Ihren Bericht schreiben was Sie wollen und beim Stühlerücken erzählen was Sie wollen. Nur wenn ich höre, daß Sie mich schlecht machen oder daß sie ‚rumerzählen ich wär‘ schwul, dann sollten Sie besser mal aufpassen.“

„Drohen Sie mir?“

„Ich? Nee.“

„Dann ist ja gut. Ich komm‘ morgen nämlich wieder.“

Mit diesen Worten war die Birnbaumer zur Tür hinaus und Günther sah ihr vom Küchentisch aus durchs Fenster nach, wie sie mit wehendem Mantel einen großen Bogen um Leos Wohnwagen machte. Man hätte sich ja an der Homosexualität anstecken können…

(Fortsetzung folgt)


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 20. Dezember 2012 | Peter Wilhelm 20. Dezember 2012

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11 Jahre zuvor

Uj! Das hört sich an, als hättest du das eben erst geschrieben.

Danke!

Ma Rode
11 Jahre zuvor

Den Begriff „Kotstecher“ kannte ich noch nicht … Frau Birnbaumer hat eine delikate Phantasie, das ist nicht zu übersehen.

Held in Ausbildung
11 Jahre zuvor

Die Stirnmbaum-Nüsselschwein… das war ja klar 😀
Und beim Stuhlkreis hatte ich auch erst ein anderes Bild im Kopf… ihr wisst schon… 5 Leute im Kreis auf Stühlen… Hosen runter und *haufenmach*
Stuhlkreis eben…

verdammt

pastoerle
11 Jahre zuvor

Zum Glück hat die gute Frau keinen Kaffee getrunken, denn sonst hätte sie vielleicht doch den „Homo-virus“ eingefangen…. wo sich da doch die Kinder, der Vater und der andere Mann (!) aus dem gleichen Hahn waschen und Kaffewasser holen….tststststst……*kopfschüttel*
„Also in Afrika wären die ja mal froh, die hätten überhaupt einen Wasserhahn!“ meint Frau Klugschnacker von der linken Grundstücksseite, die langsam doch etwas Mitleid mit Günter bekommt.
🙂

11 Jahre zuvor

Wie nennt man das eigentlich, wenn man an einen 2 Jahre alten Cliffhanger noch ein paar dran hängt? Fällt das schon unter die Genfer Menschenrechtskonventionen? 😀

Daß die Stirnschweifler Nüsselbaum mal wieder mit macht, war ja klar 🙂

Gruß

JJ Preston
11 Jahre zuvor

Naja, dass die Hirnraumer-Düsselgeif ’ne Rolle spielt, ist ja nicht überraschend – siehe Günther XIII oder auch die ganze Geschichte. Außerdem habe ich für Geschichten mit dem Walschiff – äh, Schlachtross – äh, wissenschon – inzwischen einen untrüglichen Detektor: Sodbrennen, Stufe zwo.

Winnie
11 Jahre zuvor

Zitat:
Man hätte sich ja an der Homosexualität anstecken können…

Besser sie würde sich mal von denen einen richtigen Lümmel in die … lassen. 😉

Und der Stuhlkreis im Sozialdienst hat doch auch damit zu tun, oder etwa nicht?
Schei… da nicht einer in den Saal und die anderen sitzen drum herum?
Dann bespricht man die Konsitenz des Stuhls, die Farbe, den hinreißenden Geruch usw. Und bei Dünnpfiff bitte die Füße anheben. 😉
Oder habe ich da was falsch verstanden? 😉




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