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Fundstücke

Krematorium darf über Zahngold verfügen – offene Fragen bleiben

orgel

Zu meinem Artikel über Zahngold von heute Morgen, erreicht mich soeben freundlicherweise eine Pressemitteilung mit der Stellungnahme eines der führenden Experten.

Schadensersatzklage wurde ans Hamburger Landesarbeitsgericht zurückverwiesen

„Krematorien dürfen das Zahngold von Toten nach der Einäscherung behalten und auch verwerten. Das heute am BAG gefällte Urteil, das den eigentlichen Gegenstand der Klage – die Schadensersatzforderung des Krematoriums – zurück ans Hamburger Landesarbeitsgericht verwiesen hat – schließt eine bisher bestehende Rechtslücke. Offene Fragen aber bleiben bestehen.

Das brisante Problem in diesem Fall lautete: Wem gehört das Zahngold einer Leiche nach deren Verbrennung? Damit sind erhebliche juristische Schwierigkeiten verbunden, die in die Tiefen des Straf- und Bürgerlichen Rechtes führen. Ob Zahngold Bestandteil der Asche ist und dieser nicht entnommen werden darf, war unter Juristen bis heute strittig. Eine Leiche kann nicht Eigentümer des Zahngoldes sein, denn ein Toter kommt als juristischer Rechtsträger nicht in Frage. Wie sieht es mit den Angehörigen aus? Auch hier Fehlanzeige: Das Zahngold gehört zur Leiche; die Leiche ist aber nicht Bestandteil des Vermögens, das vererbt werden kann. Also können auch die erben nicht Eigentümer des Goldes sein. Das Krematorium bzw. sein Betreiber scheidet vor dem aktuellen rechtlichen Hintergrund als Eigentümer ebenfalls aus, weil ihm das Zahngold nicht zu Eigentum verschafft wurde. Doch auch wenn das Krematorium nicht als Eigentümer des Zahngoldes gelten kann, so doch immerhin als deren rechtmäßiger Besitzer. Vor diesem Hintergrund lässt sich das BAG-Urteil nachvollziehen:

Besitzer einer Sache ist nämlich jeder, der darüber verfügt, ohne dass er deshalb automatisch auch Eigentümer sein müsste. Betrachtet man das Zahngold als Teil der Asche des verbrannten Leichnams, die sich in der Verwahrung des Krematoriums und damit in dessen rechtmäßigem Besitz befunden hat, so ist das Krematorium auch befugt, diesen ganz besonderen Teil der Asche zu verwerten.

Auf der rechtlichen Ebene gibt es demnach nichts zu kritisieren – auf der ethischen jedoch schon: Ein Krematorium ist für die Verbrennung der Leichen zuständig. Dafür muss es natürlich auch vergütet werden. Ein Werttransfer, der mit dem Lohn für die Dienstleistung nichts mehr zu tun hat, ist moralisch zweifelhaft. Dieser Fall wirft Fragen auf, die weit über den eigentlichen Rechtsstreit hinausgehen. Hier sollten ethische Aspekte neu gewichtet und ggf. die Gesetzeslage neu gestaltet werden.“

Wilfried Mosebach

Über den Experten:

Wilfried Mosebach ist Gründungspartner und Namensgeber der Kanzlei Mosebach & Partner. Schon kurz nach seinem Start im Anwaltsberuf vor über dreißig Jahren konzentrierte er sich auf arbeitsrechtliche Fälle. Dank seiner Expertise in diesem Bereich avancierte er schnell zum wohl führenden Revisionsanwalt beim Bundesarbeitsgericht. Diese Tätigkeit übte er bis zum Umzug des Bundesarbeitsgerichtes von Kassel nach Erfurt aus. Nach früheren Erhebungen des Wirtschaftsmagazins „FOCUS“ zählt Rechtsanwalt und Notar Wilfried Mosebach zu den renommiertesten Arbeitsrechtlern der Bundesrepublik Deutschland

In der Kategorie „Fundstücke“ präsentiere ich Sachen, die ich zum Thema Tod, Trauer und Bestattungen irgendwo gefunden habe.
Hier erscheinen auch Meldungen aus der Presse und dem Internet, auf die mich meine Leserinnen und Leser hingewiesen haben.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 21. August 2014 | Peter Wilhelm 21. August 2014

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Lochkartenstanzer
9 Jahre zuvor

Moin,

nur weil die Juristen einen Weg gefunden haben, sich das so hinzubiegen, daß die Krematorien „recht“ haben, heißt das noch lange nicht, daß das auch rechtens ist.

Außerdem:.

Wenn man das damit begründet, daß die „Reste“ Teil der Asche sind, würde ich gerade behaupten, daß man diese dann auch mit in die Urne packen muß und man sich nicht willkürlich einen „besonderen Teil“ herauspicken kann, den man nicht dazupackt.

Just my 2¢.

Dave B
9 Jahre zuvor

Na wenn das Krematorium jetzt frei darüber verfügen darf was mit Teilen des Leichnams passiert, ist es gar nicht weit her geholt über unfreiwillige Teile-Spenden nachzudenken. Es gibt ja sicher einiges was noch irgendwie brauchbar sein kann.
Da kommt es dann natürlich auch auf die Differenzierung zwischen orgNischen und anorganischen Bestandteilen an, auch in hinsicht auf Totenruhe und Co.

Aber ist doch interessant zu erfahren das Zahngold dann irgendwie Eigentümerlos ist und nicht irgendwie geartet der Erbmasse zugerechnet wird.

Erdmöbeltischler
9 Jahre zuvor

Wenn ich die Erläuterung von Wilfried Mosebach richtig verstanden habe, wurde in dem Urteil lediglich geklärt, dass das Zahngold nicht herrenlos ist, sondern im Besitz (der Unterschied zum Eigentum wird erwähnt) des Krematoriums und der Mitarbeiter, der sich das Zahngold aneignete, damit einen Diebstahl begangen hat.

Dass das Krematorium sich das Zahngold in die eigene Tasche stecken darf wurde mit dem Urteil nicht gesagt. Lediglich die Verfügungsgewalt (der Besitz) wurde geklärt.

Wie mit dem Zahngold verfahren werden soll, ist weiterhin nicht klar. Was passiert wenn das Krematorium das Gold nicht verwertet (und dann eventuell spendet) sondern zusammen mit der Asche in die Urne gibt?

Da die Urne in den allermeisten Fällen ja nicht in den Besitz der Angehörigen gelangt, kommen diese auch nicht an das Gold.

Wie ist denn dann die Rechtslage, wenn nach Ablauf der Ruhefrist (und der Zersetzung der Urne) das Grab neu belegt wird und beim Aushub das Gold auftaucht?
Hier beginnt der Rechtsstreit erneut, nur dass der Friedhof anstelle des Krematoriums tritt und der Totengräber den Krematoriumsmitarbeiter ersetzt.

Dummkopf
9 Jahre zuvor

Ausserdem koennten die Friedhoefe dann von Raubgraebern heimgesucht werden.

coffin corner
9 Jahre zuvor

Ich denke, hier liegt manches im Argen. Hier sollte man erst mal mit dem beginnen, was außen am Körper getragen wird. Der Ehering meiner Schwiegermutter war nach der Einäscherung unauffindbar. Ich bezweifle mal, daß Eheringe und anderer Schmuck nach der zweiten Leichenschau noch am Körper sind.

9 Jahre zuvor

Hallo,
Wenn es um Geld geht, kennen Menschen einfach keinen Anstand mehr.
Das so eine Frage gerichtlich geklärt werden muß, ist beschämend.
Das Zahngold gehört zum Verstorbenen. Alles, was ihm gehörte geht an die Erben über.
Oder es wird bei der Asche in der Urne belassen. Dieses Geschachere und die kruden rechtlichen Begründungen sind würdelos.

Mein Mann hat vor seinem Tod entschieden, dass ich ihm den Ehering abnehmen soll, weil er nicht glaubte, dass er am Finger belassen wird, wenn der Sarg geschlossen wird.
Ich fand das sehr traurig.
Schöne Grüße




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