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Olugulade -5-

Ich sitze vor dem Kamin, trinke einen Cognac, was ich sonst nie tue. Ich trinke eigentlich gar keinen Alkohol. Aber eben nur eigentlich, manchmal ergibt es sich einfach so. Nein, ich habe keine religiösen oder gesundheitlichen Gründe für meinen Alkoholverzicht. Es ist einfach so, daß ich für meinen Beruf unabdingbar meinen Führerschein benötige und seit jeher gar nichts trinke, wenn ich noch fahren muß. Ja und wann muß ein Bestatter mal nicht damit rechnen, daß er nochmal raus muß? So habe ich eine eiserne 1-Glas-Regel, denn so ein Glas gönne ich mir, wenn’s denn mal sein muß, und bin dann immer noch fahrtüchtig.

Und heute muß es sein. Das Schicksal von unserem Pflegekind nimmt mich ziemlich mit. Seinen Vater habe ich nicht gekannt, er ist halt gestorben, das tun viele. Aber was wird aus dem Jungen? Was wird aus seiner Mutter? Wenn da alles klar geht, entbindet die in absehbarer Zeit und steht dann mit zwei Kindern in einem fremden Land vollkommen alleine da. Schrecklich, was ist das für eine Perspektive?

Ich bedanke mich dafür, daß viele meiner Leser mein Verhalten als großherzig empfinden. Ich tue das aber nicht, ich finde da nichts Besonderes daran. Ich könnte es nur als etwas Besonderes empfinden, wenn mir eine Alternative zu meinem Verhalten einfallen würde. Man muß doch helfen, was soll man denn sonst machen?

Meine Frau und ich sind vor einigen Minuten noch einmal bei Daniel gewesen, bei uns wird früh zu Bett gegangen (wenn man ein Kind ist). Er ist katholisch und hat uns gefragt, ob wir mit ihm für seinen Papa beten. Das haben wir natürlich gemacht. Dann druckste er so herum und wollte uns noch etwas fragen. „Hast Du noch was auf dem Herzen“, hat meine Frau ihn gefragt und seine Augen leuchteten: „Ja, ich hätte so gerne einen Fußball, einen eigenen Fußball.“
Unter der Treppe unseres Privatreppenhauses steht eine große gelbe Plastikbox und ich glaube da haben unsere Kinder bestimmt ein Dutzend Fußbälle deponiert, aber trotzdem fahre ich morgen mit dem Jungen los, um ihm einen Fußball zu kaufen. Vielleicht taut ihn das etwas auf. Im Moment scheint ihm der Schock noch so in den Knochen zu sitzen, daß man nichts Vernünftiges aus ihm herausbekommen kann. Er antwortet mit Gegenfragen, ausweichend oder schweigt einfach, wenn man ihn etwas fragt.
Ansonsten bewegt er sich sehr grazil, hoch aufgereckt, zeigt eine unbeschreibliche Würde und strahlt einen Stolz aus, so etwas habe ich bei einem Kind noch nicht gesehen.

Soll er mal eine Nacht schlafen, morgen ist auch noch ein Tag.

Inzwischen habe ich mit unserem Rechtsberater gesprochen. Wie ich sieht er keine Chance, daß wir die Bestattung des Herrn Olugulade durchführen können, zumindest nicht ohne einen Auftrag von der Ehefrau. Ja und die wird sicherlich ganz andere Sorgen haben. Wenn alles so ist, wie ich mir das denke, hat die keinen blassen Schimmer von ihrer Situation. Sie wird vielleicht auf einen Anruf ihres Mannes warten, aber der wird nicht kommen. Das Mobiltelefon des seligen Herrn Olgulade hat die Kripo, ein Prepaid-Handy mit 14ct Guthaben und drei eingespeicherten Nummern. Die Beamten haben sich noch lustig gemacht, weil zwei der Nummern ausländische sind. „Ich kann kein Afrikanisch“, hatte der eine gesagt und der andere wollte klug sein und meinte: „Das heißt Afrikaans, die sprechen Afrikaans in Afrika, das weiß man doch.“

Ich sag dazu nichts, denn wie gesagt, ich kenne die Beamten schon lange und gerade die beiden machen uns immer am wenigsten Probleme und sind sehr hilfsbereit. Manche Bu Polizisten behandeln uns wie Dreck, andere hingegen sehen in uns wichtige Kollegen oder doch zumindest einen wertvollen Teil des ganzen Tötungsgewerbes in dem sie tätig sind.

Ein bißchen habe ich Angst vor dem was da noch kommen wird, was da auf mich zukommen wird. Ich glaube ich rufe unseren Telefondienst an und melde mich für heute ab, dann kann ich noch ein Gläschen trinken und nachher Pastewka gucken, den finde ich lustig.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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16 Jahre zuvor

Furchtbar Traurig :o(

Ich habe heute so oft reingeschaut und gehofft, die Mutter von Daniel sei schon gefunden worden.

Alles so auseinander gerissen…

Auch, wenn Du es für selbstverständlich hältst, wie Du gehandelt hast – das ist es nicht und ich bin froh, dass der Junge momentan bei Dir ist und nicht in irgendeiner Einrichtung – so bekommt er wenigstens einen normalen Familien-Alltag mit.

Ich werde weiterlesen.

Alles Gute!!!!

Julie

Alfred
16 Jahre zuvor

Na, da will ich dich mal bestärken in Deinem Empfinden, dass das Handeln normal ist. Der Anteil derer in der Bevölkerung, die so handeln würden wie Du, ist sicher (hoffentlich) hoch, jedenfalls höher als mancher hier anzunehmen scheint. Sie beleiben in aller Regel nur Namenlos, weil eben das Handeln nicht publik gemacht wird und die meisten so handelnden auch nicht darüber reden, sondern nach dem Grundsatz "Tue und Gutes und schweige darüber" einfach das tun, was erforderlich ist.

Das ist nun keine Kritik daran, dass du es selbst veröffentlichst. Der oben genannte Grundsatz ist dumm und passt nicht mehr ganz in eine Zeit, in der ein Bill Gates, der im Verhältnis zum eigenen Einkommen womöglich weniger für wohltätige Zwecke spendet als der Müllwerker, in der Presse als achsosozial gepriesen wird.

Doch, es ist eine Selbstverständlichkeit so zu handeln soweit sich keine (besseren) Alternativen finden. Und nur darin wollte ich dich bestärken. Allen anderen, Namenlosen, sei gesagt: Euer handeln wird irgendwann belohnt werden. Da bin ich ganz zuversichtlich, und ihr sicher auch. ;o)

Martin
16 Jahre zuvor

Ich meine es ist eine praktizierte Form von von Courage; in heutigen Zeiten viel zu selten- ja fast gar nicht mehr praktiziert. Gerade wegen der Probleme, die auf eine hinzukommen können.

Danke sehr!

Der Lektor
16 Jahre zuvor

> Tötungsgewerbe

Das klingt so aktiv, wie Profikiller oder Henker.

Lum
16 Jahre zuvor

Respekt und Hochachtung vor Deinen Gedanken und Deinem Verhalten – im Gegensat zu Alfred glaube ich, das dies leider nicht mehr als üblich angesehen werden kann.

Spätestens nach dem Lesen dieses Eintrags, ist mir mehr als bewußt das meine Probleme die ich als solche heute erachtet habe, eigentlich gar keine Probleme sind …

16 Jahre zuvor
powermax
16 Jahre zuvor

OT: Danke f. d. Pastewka-Hinweis – hätte ich beinahe verpaßt! 😉

Timo
16 Jahre zuvor

Dass Deine Hilfsbereitschaft für Dich nichts Besonderes ist, merkt man in Deinen Beiträgen ständig. Aber gerade diese Selbstverständlichkeit ist es, die heute bei viel zu vielen fehlt…

16 Jahre zuvor
sepp
16 Jahre zuvor

Als Bestatter kann man doch auch mit 3 Cognac noch fahren, welcher Gesetzeshüter hält denn ein Bestatterfahrzeug auf? (Ok, zu Terminen wirst du sicherlich mit einem unauffälligeren PKW fahren)

Die Feuerwehr in unserem Dorf wird auch nie angehalten und die sind (fast) immer besoffen.

16 Jahre zuvor

Das mit der Feuerwehr, die immer "besoffen" fährt ist sicherlich eine kleine Unterstellung. Das sollte normalerweise nicht der Fall sein – aus dem Grunde steht da vorne nämlich Feuerwehr und nicht Feierwehr. Und wenn es bei dir mal brennt wirst du froh sein, dass die Jungs da sind.

Deutschland
16 Jahre zuvor

Aber was wird aus dem Jungen? Was wird aus seiner Mutter? Wenn da alles klar geht, entbindet die in absehbarer Zeit und steht dann mit zwei Kindern in einem fremden Land vollkommen alleine da. Schrecklich, was ist das für eine Perspektive?

=======================

Ganz einfach (-: Freiflug nach Afrika

Bianca
16 Jahre zuvor

@powermax

hör bloß auf, ich bin grade so noch zum fernseher gesprungen und hatte dann immer noch 5 mins verpasst …

Kathrin
16 Jahre zuvor

@ Deutschland

Super, dann steht sie zwar in der Heimat, aber vermutlich total traumatisiert nach dem plötzlichen Tod mit einem Säugling und einem zweiten Kind und vermutlich ohne unterstützung da. Die Menschen kommen nicht einfach so nach Deutschland. Das wird schon einen Grund haben, warum man die Heimat und evtl. Freunde und Familie zurückläßt um in der Fremde einen neuen Anfang zu machen. Der Grund mag banal erscheinen für uns, aber auch Gesundheit, Meinungsfreiheit und genügend zu essen sind wertvolle Sachen für die Menschen große Opfer auf sich nehemn, und die wir gar nicht wirklich als Besonderheit beachten. Und solange solche "kleinen" Dinge nicht überall verfügbar sind, verstehe ich, warum Menschen auswandern.

16 Jahre zuvor

also ich find das super wie du dich da reinkniest,

🙂

aber mal ehrlich:

Pastewka ist nicht lustig.

Leroy
16 Jahre zuvor

Die Alternative zu deinem Handeln? Wegschauen und nichts machen. Leider würden das viele machen, wenn sie in einer ähnlichen Situation wären.

Und nein – Pastewka ist nicht lustig. 😉

Deutschland
16 Jahre zuvor

Super, dann steht sie zwar in der Heimat, aber vermutlich total traumatisiert nach dem plötzlichen Tod mit einem Säugling und einem zweiten Kind und vermutlich ohne unterstützung da.

============================

Solche Schicksale passieren zu tausende auf der ganzen Welt und der Steuerzahler soll es wiedermal richten?

Kathrin
16 Jahre zuvor

Einer muß ja was machen, und sich immer nur auf andere zu verlassen finde ich ziemlich erbärmlich.

rantanplan
16 Jahre zuvor

@Deutschland: Ich bete dafür, dass sich solche Leute wie du einer bist, in unserer Gesellschaft nicht durchsetzen.

16 Jahre zuvor

@ rantanplan

wird er nicht, spätestens bei Hartz IV ist schluss, so ganz ohne Unterstützung vom Staat.

16 Jahre zuvor

Glückwunsch zum BOB Award!

Und Danke.

Im Namen der vielen Menschen, die diesen Blog nicht kennen, und die sich sonst sicherlich begeistert darüber geäußert hätten, daß Du VERANTWORTUNG übernimmst.

Ob für einen kleinen Schwarzen oder für irgendwen sonst… denn diese Gesellschaft krankt an dem 'das-geht-mich-nichts-an' Syndrom!

Bestes

vom Datenscheich

Andy
16 Jahre zuvor

@Clemens: Wer weis wie die Feuerwehr dort wo er wohnt drauf ist. Sowas gibts bestimmt irgendwo. Gibt ja nix wasses net gibt.

Ich weis aber von einer Feuerwache einer Stadt in der Nähe das dort mindestens 80% der Feuerwehrleute Homosexuell (oder Bi, whatever) sind. Und das sind keine Gerüchte sondern haben mir zwei von denen erzählt.

Was ja damit beweist das es zumindest irgendwo immer eine Truppe gibt welche solche Vorurteile und Klischees bestätigt 😉

16 Jahre zuvor

Pastewka ist eigentlich lustig. Ja. Von der aktuellen Staffel hab ich erst zwei Folgen gesehen, aber die fand ich irgendwie nicht so gewitzt wie die erste Staffel.

Naja, vielleicht wirds ja noch besser!

Britta
16 Jahre zuvor

@Deutschland: Ihr Kleinhirnis habt doch immer wieder die gleichen, an den Haaren herbeigezogenen Argumente…

IngoH
16 Jahre zuvor

@den Provokateur (das ist noch die mit Abstand positivste Bezeichnung, die mir eingefallen ist), der sich "Deutschland" nennt:

Wenn du Teil 3 aufmerksam gelesen hättest, dann hätte dir auffallen sollen, dass Frau O. nicht einfach irgendwoher nach Deutschland gekommen ist, um dem Staat auf der Tasche zu liegen – auch wenn du es anscheinend so hinbiegen willst…

"Seine Frau, soviel weiß man, ist Krankenschwester und arbeitete vor der Schwangerschaft in einem Duisburger Krankenhaus."

Ihre Heimat ist Deutschland – und das anscheinend schon seit längerem – und nicht sonstwo, wo manche Mitbürger sie hinwünschen!

smartdriverin
16 Jahre zuvor

@ Deutschland:

Laß mich mal Dein Persönlichkeitsprofil raten:

Abgebrochene – gar nicht vorhandele Lehre(n) bzw. Ausbildungen

Nicht ganz unintelligent, da recht gute Orthographie wenigstens der deutschen Sprache

Bisher nicht allzu viele Pflichtbeiträge in die gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und sonstige Versicherung?

Einkünfte in der Regel durch HartzIV?

Du siehst, liebes @Deutschland: Nicht nur Du kannst blöde, überflüssige und unchristliche Kommentar in halbwegs gutem Deutsch von Dir geben.

Und ja: Auch ich bin Deutsche. Aber für solche Landsleute wie Dich und Deine Geistesgenossen schäme ich mich – nicht nur im Ausland.




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