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Pietät Eichenlaub -I-

Nachdem die Mauer weg war, herrschte in den neu hinzu gekommenen Bundesländern so etwas wie eine Goldgräberstimmung. Tausende von Westdeutschen dachten, sie bräuchten nur mit ihrem überragenden kapitalistischen Halbwissen und einer Tasche voller Geld im Osten anzurücken und könnten sich dort in Windeseile die sprichwörtliche goldene Nase verdienen.

Daß so manch einer sich da eher eine blutige Nase geholt hat, das ist eine andere Geschichte.

Herrn Fitz kennt Ihr noch gar nicht, liebe Leser, aber ich sollte ihn Euch einmal vorstellen.
Er ist der ehemalige Chef und Gründer der „Pietät Eichenlaub„.

Von Beruf ist Herr Fitz Sohn. Sein Vater betrieb eine Landschafts- und Friedhofsgärtnerei und so hatte der junge Fitz schon immer Berührung mit dem Thema Friedhof und auch ausreichende finanzielle Mittel, um in seiner Heimatstadt der begehrteste Hengst in diversen Tanzcafés und Diskotheken zu sein.

Nicht weit entfernt vom elterlichen Gärtnergeschäft lag zu dieser Zeit das Bestattungshaus „Bestattungen Karl Brunner, Erstes Haus am Platze seit 1871, familiär und traditionsbewußt“, was auch alles gelogen war.
In Wirklichkeit gab es zwar die Firma Brunner tatsächlich schon seit 1871, jedoch war das Unternehmen bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts ausschließlich mit dem Transport von Kohlen und Flußembalagen befasst. Als 1957 der Zweig Bestattungen hinzu kam, war der alte Karl Brunner längst gestorben, eine Schwiegertochter führte das Geschäft bis in die 70er und dann wurde das Bestattungshaus an eine Kette aus dem Kölner Raum verkauft.
An sich handelt es sich also weder um ein wirklich altes Unternehmen, es gibt da in der Stadt welche, die weitaus länger im Bestattungsgewerbe tätig sind, noch handelt es sich um das Familienunternehmen Karl Brunner.
Dennoch aber glauben die Menschen in der Stadt, ausgerechnet dieses Unternehmen biete eine besonders gute Betreuung, bei niedrigen Preisen und sehr persönlicher, familiärer Beratung.
Wer auch nur ein bißchen was auf sich hält, der geht zum Brunner, auch wenn keine der Erwartungen erfüllt wird.
Der Brunner ist teuer, die Angestellten sind unfreundlich bis grob und kaum ein Unternehmen macht so viele Fehler, wie das vermeintliche „erste Haus am Platze“.

Es ist ein erstaunlicher Effekt: Die Leute sind unzufrieden, hatten gerade noch mit den „Brunners“ den größten Ärger, erzählen aber auf der anderen Seite mit großem Stolz und voller Überzeugung, daß sie selbstverständlich nur zum Brunner gehen.
Selbst wenn man ihnen vorhält, daß der Brunner doch mindestens 50 % teurer sei, als alle anderen Bestatter, zucken sie mit den Achseln und ergehen sich eher in einer allgemeinen Schimpferei über die Bestatter als solche, als daß sie zugeben würden, an den Falschen geraten zu sein.
Man redet sich das schön, man will nicht eingestehen, daß man blöd gewesen ist. Nicht blöd ist man nur beim MediaMarkt.

Bei Brunner arbeitete zu dieser Zeit Herr Volkerts und der hatte den Bestatterberuf von der Pike auf gelernt. Zwar verdiente Volkerts nicht schlecht, ihm war aber zuwider, wie bei Brunner mit den lebenden und toten Kunden umgegangen wurde.
Das kann man besser machen, dachte er sich und begann lange nach einem Partner zu suchen, der mit ihm ein eigenes Bestattungshaus eröffnen würde. Volkerts hatte die Ideen und das Fachwissen, allein es fehlte an jemandem mit dem notwendigen Kleingeld.

Nach zwei Jahren führte ein Zufall die beiden Herren Volkerts und Fitz zusammen. Fitz verbrachte große Teile seiner Freizeit auf dem Golfplatz und Volkerts hatte als Umsatzprämie von der Brunner-Geschäftsleitung einen Golfkurs gewonnen.
So kam es, daß die beiden sich im Clubhaus des Golfvereins eines Tages trafen, kennenlernten und ins Gespräch kamen.

Kurz vorher hatte der alte Fitz seinem Sohn klar gemacht, daß er eines Tages seinen Gärtnereibetrieb an einen Konkurrenten verkaufen werde. Seinem Sohn traute er die Fortführung des Betriebes nicht zu und der Verkauf an den Mitbewerber würde den Fortbestand des Unternehmens und der Firma sichern.
Der junge Fitz bekam eine beträchtliche Summe und ein großes Grundstück in Friedhofsnähe als Vorschuß auf das einst zu erwartende Erbe und begriff nicht wirklich, daß sein Vater ihn mit einem Butterbrot abgespeist hatte, er sah nur die große Summe auf seinem Konto.

Volkerts verstand es, den jungen Fitz zu begeistern und so gründeten die beiden schon wenige Wochen später die „Fitz und Volkerts Bestattungshaus GmbH“.
Quasi über Nacht stampfte man auf der Brache am Friedhof ein Bestattungshaus aus dem Boden und die Konkurrenz rieb sich verwundert die Augen.
Wo sich gestern noch Steinmetzbetriebe und Gärtnereien aneinanderreihten, stand mittendrin nun das schönste und größte Beerdigungsinstitut der Stadt.

Ich gebe zu, daß ich Fitz für ziemlich doof halte, das bezieht sich aber in erster Linie auf seine Bildung. Was man ihm nicht absprechen kann, ist eine ungeheure Eloquenz und das was man gemeinhin Bauernschläue nennt. Wie man geschickt ein Geschäft einfädelt und wie man aus allen Abmachungen den größtmöglichen Nutzen für sich ziehen kann, das war dem jungen Fitz wohl in die Wiege gelegt worden. Zumindest heißt es, auch seine Eltern seien ganz gewiefte und abgebrühte Geschäftsleute gewesen.

Die Kombination aus Fitz‘ Geschäftssinn und Volkerts‘ Fachwissen funktionierte und war der Grundstein für eine durchaus bemerkenswerte Erfolgsgeschichte.
„Fitz und Volkerts“ war innerhalb von zweieinhalb Jahren zu einer ernstzunehmenden Größe im Bestattungswesen der Stadt geworden und auch die Firma Brunner, die nach wie vor Marktführer war, mußte dennoch erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen.
So ist das halt, nur weil es einen neuen Bestatter am Ort gibt, sterben ja nicht entsprechend mehr Leute, sondern die vorhandenen und der neue Bestatter müssen sich die Sterbefälle künftig teilen.


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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 1. Juni 2012 | Peter Wilhelm 1. Juni 2012

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11 Kommentare
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hajo
13 Jahre zuvor

hallo Tom,
ist das ein Beitrag „aus dem Fundus“ oder geht’s Dir glücklicherweise wieder so gut, dass Du in gewohnter Manier wieder mal schreibst?
Wenn’s so ist, freue ich mich ungemein.
Aber zum Thema: Du schreibst von: „.. ihrem überragenden kapitalistischen Halbwissen ..“ und ich erlaube mir zu ergänzen: .. und der nahezu meisterlichen Kunst, in Glaskugeln und Kaffeesatz zu lesen. 😉
Von den Brunners gibt es leider viel zu viele, in jedem (!) Bereich. Und dass der gute Fitz jr. nicht gerade der Hellste ist, darauf kommt’s nicht wirklich an: wichtig ist, zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Zug aufzuspringen
.. und dann nicht runterzufallen.
Herzliche Grüße
Hajo

Krischan
13 Jahre zuvor

Ich habe bei Felix von Leitners Blog vor einiger Zeit ein gutes Stichwort für dieses Missverhalten und Schönreden gelesen: Kognitive Dissonanz (und entsprechende Dissonanzauflösemechanismen).

Seitdem weiß ich wenigstens was ich treibe, wenn mir plötzlich ein schlechter Kauf gefällt oder ein guter aber teurer nicht gefällt 🙂

hajo
13 Jahre zuvor

@ Krischan: und dafür braucht’s unverständliche Fremdworte? Vermutlich um zu verbergen, dass es sich hier um eine Binsenweisheit handelt 😉
.. zu deren Enthüllen ledglich ein gesunder Menschenverstand und die Fähigkeit, eigene Wahrnehmungen einschätzen zu können, benötigt wird.

JohnB
13 Jahre zuvor

Nicht blöd ist man nur nicht beim Mediamarkt.
Aber was sind den „Flußembalagen“?

dude
13 Jahre zuvor

Es sei denn…

pünktchen
13 Jahre zuvor

Selbst Herr Gockel hilft bei Flußembalagen nicht weiter …

13 Jahre zuvor

So gehts uns auch. Wir bieten beste Beratung, kümmern uns um unsre Kunden, sind auch am Wochenende zu erreichen. Und doch gehen die Betriebe zu den bekannteren, etablierten, auch, wenn sie erheblich teuerer sind.

JohnB
13 Jahre zuvor

Embal(l)age=(Wieder)verpackung. lt. Google Flußembalage??? Keine Ahnung. Das muss wohl der Meister selbst aufklären.

ingo
13 Jahre zuvor

mein erster gedanke bei „flussembalage“ war sand/kies 🙂

Zero the Hero
12 Jahre zuvor

Ja, mit etwas Geld in den Osten zu ziehen und dann was richtig großes aufzuziehen…das hat geklappt, wenn man nicht nur schnell absahnen wollte.

Da gab es einen Handwerksmeister, der 90 rüberkam und mit einem Barkas und 2 Leuten angefangen hat und 10 Jahre später einen Betrieb mit reichlich 100 Leuten (im Stammwerk, die zig Verkaufsfilialen kamen da noch zu) hatte. Er hat mir mal erzählt, daß er es schon in den Gebrauchtbundesländern schonmal versucht hatte, es aber aufgrund des „Biertischkartells“ nicht geschafft hat und im Osten eben erstmal keine etablierte Konkurrenz hatte und deswegen was werden konnte.

Irgendwann mußte er aber aus gesundheitlichen Gründen verkaufen, der Käufer hat dann so nach und nach den Betrieb kaputtoptimiert und zerlegt (der hatte wohl nur Interesse am Marktanteil) und schließlich geschlossen.

tii
12 Jahre zuvor

Ja, Beruf Sohn, so einen kenne ich auch- dachte erst, der würde nur blöd sein, doof rumsitzen und aufs Erbe warten- aber hey, auch der Sohn hier hat sich zu was anständigem gemausert.




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