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Plastik, Leichen und Verwesung

Plastik, Leichen und Verwesung, – Das norwegische Problem

plastikfolie-leichnamAb etwa Mitte der 40er Jahre haben die Norweger damit angefangen, Verstorbene zunächst in Plastik einzuhüllen und dann in den Sarg zu legen.
Diese Methode zur Verhinderung einer Geruchsbelästigung vor allem im Sommer war damals modern und galt als zukunftsweisend.
Mit dem steigenden Umweltbewußtsein in den späten 70ern und in den 80ern begann man sich auch Gedanken darüber zu machen, wie lange Plastik braucht, um sich zu zersetzen, falls es das überhaupt tut.
Als man feststellte, daß die verwendeten Folien nicht nur selbst nicht zerfallen waren, sondern in vielen Fällen eine Verwesung des Leichnams behindert oder verändert hatten, wurde in den 80er Jahren die Verwendung von Plastikfolie eingestellt.

Inzwischen waren aber Hunderttausende von quasi luftdicht verpackten Leichnamen beigesetzt worden und daraus ergibt sich ein Problem, das bis heute nachwirkt.

Teilweise, vor allem in Großstädten und hier allen voran in Oslo, steht man nämlich vor einem gewissen Platzproblem. In Oslo beispielsweise werden die Gräber (sehr vorbildlich) von der Stadtverwaltung kostenlos zur Verfügung gestellt und zwar für 20 Jahre.
Bis zur Verwendung der Plastikfolie und in den Fällen wo sie nicht verwendet wurde, bedeutet das, daß der Leichnam auch zuverlässig vergangen war und das Grab für eine Neubelegung wieder freigegeben werden konnte.

Jetzt aber hat man Tausende von Gräbern in ganz Norwegen, in denen Tote in Frischhaltefolie einfach nicht richtig verwesen wollen. Einige mumifizierten, trockneten aus und bleiben weit über die 20-Jahres-Frist hinaus erhalten. Andere wurden zu Wachsleichen.
Solche Gräber dürfen aber nicht wieder belegt werden, das ist auch in Deutschland nicht anders.

Gräber bzw. Grabstellen in denen sich bei einer Graböffnung zur Wiederbelegung (Achtung, da steht Wiederbelegung, nicht Wiederbelebung!) mehr als nur Fragmente von Sarg oder Leichnam befinden und in denen der Verstorbene noch weitestgehend intakt ist, können nicht exakt an dieser Stelle belegt werden. Vor einem ähnlichen Problem steht man in Deutschland, wenn es aufgrund ungünstiger Bodenverhältnisse zur Bildung so genannter Wachsleichen gekommen ist.

In Oslo stehen nicht nur die Behörden, sondern auch die Angehörigen vor einem Problem. Der Verstorbene ist seit mindestens 20 Jahren tot, die innere Bindung und der Wunsch, ein Grab zu haben, sind längst verflogen und nun werden die Angehörigen damit konfrontiert, daß ihr verstorbenes Familienmitglied, doch noch nicht so ganz weg ist und müssen sich entscheiden, ob das Grab eingeebnet (aber nicht wiederbelegt) wird oder ob sie viel Geld für eine Aufrechterhaltung der Grabstätte zahlen wollen.

Der österreichische ORF schreibt unter orf.at im Internet dazu:

Kjell Larsen Ostbye, selbst früher Mitarbeiter eines Bestattungsinstituts, erdachte eine Lösung für dieses Problem. Er entwickelte ein Verfahren, bei dem Löcher in den Boden des Grabes und in die Plastikhülle gegraben werden. Dann wird Luft mit gebranntem Kalk eingeblasen, bei gleichzeitiger Wasserzufuhr unter Hochdruck. Dadurch wird die Temperaturentwicklung im Grab beeinflusst, um die Zersetzung des Leichnams zu beschleunigen. Ein Jahr später kann das Grab wiederverwendet werden.
Ostbye hat mittlerweile ein eigenes Unternehmen, Nomias, gegründet, das Gräber laut eigenen Angaben „umweltverträglich und kostengünstig“ saniert. Pro Grab zahlt die Stadtverwaltung Oslos umgerechnet 500 Euro. Für Nomias gibt es auf Jahre jedenfalls genügend Arbeit – und das Unternehmen hofft, sein Verfahren auch in andere Länder exportieren zu können, etwa nach Deutschland.
Die Sanierung hinterlässt kaum Spuren am Grab und geht vergleichsweise geräuscharm vonstatten. Ein kleiner Bagger, wie auch zum Ausheben von Gräbern üblich, und mehrere Erdsonden sind die wichtigste – für Beobachter sichtbare – Ausstattung. Die Nomias-Mitarbeiter werden immer wieder von Friedhofsbesuchern gefragt, was sie eigentlich tun.

ORF-Artikel gefunden von Andy


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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 21. Oktober 2013

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20 Kommentare
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Arno Nühm
10 Jahre zuvor

Jetzt neu: Der Schnellkomposter für hartnäckige Fälle!

Matthias
10 Jahre zuvor

Wie blöd muss man eigentlich gewesen sein, diese Probleme nicht schon vorhergesehen zu haben?

melancholia
Reply to  Matthias
10 Jahre zuvor

Das frage ich mich auch. Warum haben sie es nicht erst mit einem Tierkadaver ausprobiert?

Alex
Reply to  Matthias
10 Jahre zuvor

Das hab ich mich auch erst gefragt, aber vielleicht war damals noch nicht klar, dass Plastikfolie ein ziemlich langlebiges Produkt ist…

Matthias
Reply to  Alex
10 Jahre zuvor

Kann ich mir als Chemiker gar nicht vorstellen.
Nächster Gedanke war, dass da vermutlich keine Spezialisten, sondern „Spezialisten“ am Werk waren, aber das hätte auch irgendwann auffallen müssen…

Lochkartenstanzer
10 Jahre zuvor

Kann man denn die Plastikfolie durchlöchern ohne selbiges dem Leichnam anzutun?

Ich stelle mir das sehr schwierig vor. Dem Toten dürfte das egal sein, aber vielleicht nicht manchem Angehörigen.

Olaf
Reply to  Lochkartenstanzer
10 Jahre zuvor

Naja, die Angehörigen, die das Grab auflösen wollen, gehen wohl davon aus oder hoffen, dass genau jenes auch schon der Leichnam dadrin getan hat. Dabei nachzuhelfen, finde ich jetzt wenig fragwürdig.

der_klebezettel
10 Jahre zuvor

Wow. Mit gebranntem Kalk und heißer Luft, meine erste Assoziation war „hausgemachtes Fegefeuer“.

Oliver
Reply to  der_klebezettel
10 Jahre zuvor

Oder in Verbindung mit Wasser eine Dosensuppe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Selbsterhitzende_Mahlzeit

melancholia
Reply to  Oliver
10 Jahre zuvor

*würg*

Dave B
10 Jahre zuvor

Hmm andere Schnellkomposterverfahren oder die Nachäscherung gehen wohl schwer. Napalm und Co wollen ja ordentlich Sauerstoff.

Der Kalk „brodelt“ dann wohl auch nur schwach belüftet vor sich hin.

Wenn die Stelle nun schon 20 Jahre in Benutzung war und die Leiche als vergangen gilt, kann man so seine „Rasen-Kalkung“ ja durchgehen lassen. Sonst bleibt ja nur auf den St.-Nimmerleins-Tag zu warten und nicht so wissen wann das denn jetzt nicht mehr problematisch ist, oder ausheben und auswickeln oder durch eine Zerkleinerungsanlage schicken.

Frau Katze
10 Jahre zuvor

Dann müssen jetzt Leute her, die die Leichen ausbuddeln und auspacken. 😉

Astrid
10 Jahre zuvor

Ich las tatsächlich erst mal Wiederbelebung hehe.
Dieses Verfahren, das die Verwesung fördern soll, finde ich sehr interessant und ich gehe davon aus, wenn sich herum spricht, dass das funktioniert, dass sich besonders an Orten, an denen wenig Gräber zur Verfügung stehen, bei einigen Verwesungsproblemgräbern diese Methode angewendet wird. Klasse Schachtelsatz.

Astrid
10 Jahre zuvor

Irgendwie erinnert mich das auch ein wenig an das Menschen als Mumie einwickeln, wie damals bei den Ägyptern.

Smilla
10 Jahre zuvor

Ich habe auch Wiederbelebung gelesen, hatte schon große Augen, reges kopfkino entwickelte sich, dann kam die „Achtung..“ Erlösung. Hach ja…. 🙂

flar
10 Jahre zuvor

Bildquelle?

Christians Ex
10 Jahre zuvor

Bei dem Foto dachte ich prompt an die Amis mit ihrer Vorliebe für Duct-Tape.

10 Jahre zuvor

Dies ist nur ein Test

10 Jahre zuvor

gggggggg

Müllsackmann
9 Jahre zuvor

Schade!!!!!!! Ich würde mich zu gerne dann später in Müllsäcken eingewickelt in Wald vergraben dann lassen!!!!




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