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Geschichten

Sauerei

Herr und Frau Möhle drucksten ein wenig herum, als es um den Familienstand ihres verstorbenen Sohnes ging.
Das kennt man als Bestatter. Meistens gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder der Bub wohnte trotz seiner 46 Jahre noch bei Mama und Papa oder aber er war schwul.
Also hob ich meine linke Auenbraue, was außer mir nur noch Mister Spock so gut kann, und das sollte bedeuten: „Los jetzt!“

Herr Möhle atmete tief durch und sagte: „Sie werden sicherlich Probleme damit haben, bei ihrem konservativen Beruf, aber unser Sohn war – na ja, er war – wie soll ich es sagen? Er war homosexuell.“

Es wunderte mich fast ein bißchen, wie schwer ihm das über die Lippen kam, denn heutzutage haben wir doch glücklicherweise eine Zeit, in der sich Homosexuelle nicht mehr verstecken müssen.
Das ist neben der Erfindung von Handy und Internet für mich eine der größten Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, daß Schwule und Lesben weitestgehend so leben können, wie sie es möchten und nicht wie eine Gesellschaft von Naserümpfern es ihnen vorschreibt.

„Das hat im Einzelnen für mich keine Bedeutung“, sagte ich und überlegte, ob ich noch etwas zu der Unterstellung, ich würde einen konservativen Beruf ausüben, sagen sollte, beschränkte mich dann aber auf die Worte: „Dann trage ich ledig ein, oder?“

„Nein!“, protestierte Frau Möhle: „Der Thomas war verheiratet, also jetzt so richtig, mit einer Frau.“

Wieder zog ich die Augenbraue hoch, diesmal die andere…

„Ja, das ist was komplizierter…“, meinte Herr Möhle und seufzte. „Der Thomas hat junge geheiratet, die Svetlana; und mit der hat er zwei Kinder, Nadeschda und Viktor. Und dann mit etwas über Vierzig kam er dann damit raus, daß er schon seit Jahren ein Verhältnis mit dem Daniel hat, einem Arbeitskollegen.“

Wenn Leute einem so etwas erzählen, ist es am Besten, wenn man sich etwas zurücklehnt und so signalisiert, daß man zuhört. Manche Kollegen, das habe ich schon oft beobachtet, tun dann aus Verlegenheit so, als würden sie noch ihre Formulare vervollständigen. Aber das ist verkehrt, manche Leute meinen dann, man würde auch diese intimen und persönlichen Sachen aufschreiben.

Frau Möhle erklärte es dann etwas genauer: „Eine Trennung von Svetlana kam für Thomas nicht in Frage, er liebte sie ja, und auch wegen der Kinder… Nein, eine Trennung war nicht drin, darüber wurde auch nie großartig gesprochen. Wir wissen natürlich nicht, was die alles miteinander besprochen haben, aber uns gegenüber haben die die Wörter Scheidung und Trennung nie in den Mund genommen.

Der Daniel ist dann bei Svetlana und Thomas eingezogen, Platz haben die ja und der Daniel wird sich jetzt auch um Svetlana und die Kinder kümmern. Das war einfach nach ganz kurzer Zeit so, als hätten die Kinder eben zwei Väter und Svetlana zwei Männer.
Das ist bestimmt ganz merkwürdig für Sie, oder?“

„Für mich? Nein, wieso? Mir ist das doch egal! Sie glauben gar nicht, was ich in meinem Leben schon alles gesehen und gehört habe und wie wenig mich die Umstände interessieren, in denen andere leben möchten.
Das muß doch jeder so machen, wie er es für richtig hält; und wenn Svetlana und die Kinder damit zurecht gekommen sind und diese fünf Personen sich insgesamt arrangiert haben, dann ist das doch eine nahezu perfekte Lösung.“

„Da haben wir aber schon ganz andere Sachen gehört“, seufzte Herr Möhle und schaute seine Frau an.

„Aber nicht von mir“, sagte ich und lächelte.

Herr Möhle grinste breit, dann wurde sein Gesicht wieder etwas ernster und er lachte nur noch einmal kurz auf, dann sagte er: „Entschuldigen Sie bitte, das hat nichts mit Ihnen zu tun, ich mußte jetzt gerade, so blöd wie das auch klingt, an einen Witz denken. Da sitzt ein Mann in einem Restaurant und ißt einen Schweinsbraten. Dann sagt er zum Wirt: ‚“Sie, den Schweinsbraten habe ich aber auch schon mal leckerer gegessen.‘ Da sagt der Wirt: ‚Aber nicht bei mir.'“

Er lacht wieder und seine Frau, der zumindest auch kurz ein Lächeln über das Gesicht huscht, pufft ihren Mann in die Seite und sagt mit gespieltem Vorwurf in der Stimme: „Aber Ernst!“

Eben denke ich, daß die beiden an und für sich ganz gut drauf sind, dafür, daß sie ihren Sohn verloren haben, da sagt der Mann auch schon, als könne er meine Gedanken lesen: „Sie werden sich sicherlich fragen, warum wir nicht total fertig sind, nicht wahr? Aber Thomas war sehr lange krank, er hat einen Schlaganfall erlitten und zwar als er geschäftlich in Berlin in einem Hotel war. Da hat das erst niemand gemerkt und dann war alles zu spät. Man kann ja heute viel mehr machen, als noch vor ein paar Jahren, aber dazu muß man schnell handeln. Dafür war aber bei Thomas schon zu viel Zeit vergangen. Daß er das überhaupt überlebt hat…
Aber Ihnen muß ich ja nichts erzählen, Sie werden so etwas ja öfters mal hören. Da kommt dann im Laufe der Zeit alles zusammen. Herz, Leber, Lunge und dann noch diese Infektion…“

„Am Ende war es das Beste für alle“, sagte Frau Möhle und mußte dann doch weinen.

„Nur eine Frage habe ich dazu“, meldete ich mich wieder zu Wort. „Wenn Ihr Sohn doch verheiratet war und einen Freund hatte, warum sitzen Sie dann jetzt hier und nicht einer von den beiden?“

„Ja geht das denn?“ staunte Herr Möhle.

„Warum soll das denn nicht gehen?“

„Ja, wegen dem Daniel, der ist doch gar nicht verwandt und so. Im Krankenhaus hatte der immer Schwierigkeiten und schließlich haben wir gesagt, der sei ein Cousin.“

„Das gibt überhaupt keine Probleme.“

Das Ehepaar sah sich an und man spürte, daß sie erleichtert waren. Frau Möhle nickte und meinte dann: „Gut, dann besprechen wir jetzt mal das Gröbste und bezahlen auch alles schon mal. Wegen der Einzelheiten sollen dann Svetlana, Daniel und die Kinder herkommen, geht das so?“

„Das geht so.“

Was haben die Leute eigentlich immer für Vorstellungen? Warum sollte das nicht gehen? Was müssen die schon erlebt haben, um so skeptisch zu sein?

Ein Urnengrab und zwar ein großes, in das später auch noch die anderen Familienmitglieder rein können, sollte es sein und das sollte bitte auf dem Waldfriedhof im Baumhain liegen.
Dieser Baumhain war vor einigen Jahren von der Friedhofsverwaltung eingerichtet worden, als immer mehr Leute sich ein Grab im Wald aussuchten. Da diese Waldbestattungen sehr teuer sind, schaffte die Kommune mit dem Baumhain eine echte Alternative, die auch noch günstiger ist.

„Ja, das ist doch klasse!“, fand auch Herr Möhle: „Schöne Bäume, direkt hier auf dem Friedhof, man muß nicht ewig weit durch die Gegend fahren bis man am Bestattungswald ist und dann im Wald über Stock und Stein kraxeln. Hier auf dem Friedhof die Baumgräber sind schön. Da ist zwar auch kein abgestecktes Grab mit Einfassung und Stein und so, aber es gibt da kleine Steinsäulen neben dem Baum, wo eine Namensplakette angebracht ist und wo man ein paar Blümchen und ’ne Kerze hinbringen kann.“

Das hörte sich alles ganz vernünftig an, das Ehepaar suchte einen schlichten Sarg aus glänzendem Ahorn aus und wir besprachen noch das eine oder andere, dann wollte das Ehepaar bezahlen.
Ich wehrte ab: „Das machen wir alles hinterher. Ich weiß ja noch gar nicht, was da alles noch dazu kommt, wenn Ihre Schwiegertochter mit dem jungen Mann kommt.“

„Egal! Ich bezahle das!“ beharrte Herr Möhle und zückte seine Brieftasche: „Hier haben Sie meine Kreditkarte, ziehen Sie die durch den Automaten, ich zahle alles.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber wir machen das hinterher. Ich kann Ihnen jetzt sowieso nur ein grobes Angebot, eine Aufstellung mitgeben, weil ja wichtige Dinge noch nicht besprochen sind. Sobald alles in trockenen Tüchern ist, können Sie gerne kommen und meinetwegen auch eine Anzahlung leisten.“

„So machen wir das!“ verkündete der Mann, schlug wie zur Besiegelung mit der flachen Hand auf den Tisch und dann gingen die beiden.

Am Nachmittag des selben Tages kamen dann Svetlana, Daniel und die beiden volljährigen Kinder Nadeschda und Viktor.
Das war schon etwas heftiger und es flossen viele Tränen.
Den Verstorbenen hatten wir gleich nach dem Besuch der Eltern im Krankenhaus abgeholt und in einer unserer Aufbahrungszellen aufgebahrt. Am offenen Sarg gab es wirklich dramatische Szenen, wobei Daniel noch der Ruhigste und Gefassteste von allen war.
So wie die vier da am Sarg standen, sahen sie aus, wie eine Familie, wie Vater und Mutter mit zwei Kindern.

Das Gespräch mit Svetlana und Daniel verlief unspektakulär, die beiden ‚Kinder‘ brachten sich nur wenig ins Gespräch ein, halfen aber bei der Gestaltung der Todesanzeige mit.
Einen Pfarrer wollte man nicht, auch nicht den, den ich in solchen Fällen immer empfehle, sondern man bestand darauf, die Trauerfeier in der Kapelle des Friedhofs selbst zu gestalten.

Sventlana sagte: „Meine Mann soll die Beerdigung bekomme, die er sich immer für sich gewinscht hat. Das mache‘ wir alles sälbär.“
Die Frau sprach exzellent Deutsch, man hörte aber deutlich, daß sie russische Wurzeln hatte, darauf hatte ja auch schon ihr Name und der Name ihrer Tochter hingedeutet.

„Ja, das machen wir so“, sagte Daniel mit angenehm tiefer und ruhiger Stimme: „Bringen Sie einfach den Sarg ins Krematorium, vielleicht können Sie uns anrufen, wenn die Einäscherung stattfindet, dann können wir vielleicht etwas zusammensitzen und eine Kerze für Thomas anstecken. Wenn dann die Trauerfeier ist, soll vorne nur diese weiße Urne da stehen, die ich ihnen vorhin im Regal gezeigt habe. Den Rest machen wir. Alles! Auch das Tragen der Urne zum Grab und so. Da brauchen Sie nichts zu machen. Auch nicht wegen der Blumen und so weiter – machen wir alles selbst!“

Es war mal wieder etwas finanzielle Überredungskunst erforderlich, um den quallenartigen Fettwanst am Krematorium dazu zu überreden, uns telefonisch Bescheid zu geben, wenn die Einäscherung stattfinden würde.
Aber er versprach es und er hielt sein Versprechen auch ein, indem er anrief und Frau Büser ein freundliches: „Jetzt, nachher, gleich!“ ins Ohr knurrte.

Es kam der Tag der Trauerfeier und ich beschloß, mit Sandy und Antonia zum Friedhof zu fahren und bei der Trauerfeier dabei zu bleiben.
Das macht man als guter Bestatter eigentlich immer.
Aber manchmal geht es einfach nicht und manchmal ist es auch wirklich überflüssig.

Wenn ein 89 Jahre altes Mütterlein mit eine kleinen 08/15-Trauerfeier verabschiedet und zu Grabe getragen wird, läuft die Friedhofsmaschinerie so gut geölt, da geht normalerweise nie etwas schief und alle Beteiligten, inklusive Leichnam und Trauergemeinde waren schon so oft auf Beerdigungen, daß der Ablauf beinahe schon traditionszementiert ist.

Doch bei Thomas wollten wir schauen. Was hatte sich die Familie ausgedacht? Was würde es an Blumenschmuck und Ansprachen geben? Wir waren gespannt!

Und wirklich: Schon die Musik zu Beginn, die schon spielte, als die Trauergäste ihre Plätze einnahmen, war wunderschön. Ich kannte das Stück nicht, aber es war eine langsame Saxophonmelodie.
Dazu wurden mit einem Beamer Bilder von Thomas an die Rückwand der Kapelle projiziert.

Als alle Leute saßen, gab es eine kurze Zeit der Ruhe, in der man nur Füßescharren und Husten hörte.
Dann traten Viktor und Nadeschda, die Kinder des Verstorbenen, nach vorne, stellten sich vor der weißen Urne auf, die auf einer mit blauen Blumen geschmückten Säule stand, und sangen ein Lied. Es war ein russisches Lied, auch das kannte ich nicht.
Es war aber sehr ergreifend, vor allem weil Nadeschda die ganze Zeit mit den Tränen kämpfte.
Nach dem Lied ging Viktor an Mikrophon und erzählte von seinem Vater.
Es war keine vorbereitete Rede, es gab kein Manuskript.
Viktor erzählte so, wie man eben jemand anders von seinem Vater erzählte. Locker, freundlich und sehr eloquent.
Und dann kam die Stelle, an der er auf Daniel einging.

Der saß mit der Witwe Svetlana in der ersten Reihe und hielt ihre rechte Hand. Neben ihnen saßen Thomas Eltern und einige andere Herrschaften, vielleicht die Eltern von Daniel oder Svetlana.

Viktor sagte, daß viele Leute ihre Familie mit skeptischen Blicken betrachtet hätten und man viel hinter vorgehaltener Hand über sie getuschelt hätte.
„Aber Daniel hat uns nichts weggenommen. Daniel und Papa haben nichts Verbotenes gemacht. Liebe kann nichts Verbotenes sein. Wenn die Liebe zwischen zwei Menschen verboten ist, dann leben sie in falschen Umständen. Diese Umstände gab es bei uns nicht. Daniel war nie ein Feind oder ein Eindringling, er ist für Mama und uns eine Bereicherung geworden.
Bitte glauben Sie nicht, daß das alles einfach war. Nein, das war für uns nicht einfach. Aber wir haben Papa geliebt, wir lieben ihn immer noch, und deshalb sind wir damit klar gekommen. Aus dem damit klar kommen ist dann eine Situation entstanden, die für uns viel mehr war, sie war einfach ideal. Ja, das Wort ideal trifft es nur zu gut.
Daß es aber für uns nicht einfach war, das lag nicht an Papa, das lag nicht an Daniel, das lag auch nicht an meiner Schwester und mir. Nein, das lag an den Leuten.
Diese ständigen Anfeindungen, vor allem in der Anfangszeit, dieses Getuschel, diese Gerüchte, die da gestreut wurden. Das alles hat uns das Leben nicht gerade einfach gemacht…“

Weiter kam Viktor mit seiner beeindruckenden Rede nicht, denn aus der dritten Reihe ertönte ein lautes: „Sauerei!“

Dort direkt am Gang saß ein ziemlich fettleibiger, kleiner Mann mit hochrotem Kopf, der schwitzte, als säße er in einer Sauna. Vermutlich rührten der rote Kopf und das Schwitzen aber von dem viel zu kleinen und zu engen Anzug her, in den sich der Mann für die Trauerfeier gezwängt hatte.

Viktor schaute sich hilfesuchend um, stammelte etwas, fand dann den Faden aber doch wieder und fuhr mit seiner frei vorgetragenen Rede fort.
Kaum hatte er ein, zwei Sätze gesagt, rief der Schwitzende wieder: „Schwule Ferkel!“

Das war mir zu viel, von meiner Position an der vorderen Seite der Halle ging ich langsam zur ersten Reihe, in der Daniel und Svetlana und Thomas‘ Eltern saßen. Die Mutter flüsterte mir weinend zu: „Das ist Onkel Franz, der haßt uns.“

So würdevoll, wie mein Zorn es mir erlaubte, ging ich zu Onkel Franz, der gerade rief: „Abartig! Hinterlader!“

„Sie sind jetzt sofort ruhig“, zischte ich dem Dicken zu, „Sie stören die ganze Trauerfeier. Halten Sie sich mal etwas zurück!“

Der Dicke verstummte und ich ging wieder an meinen Platz zu Antonia und Sandy zurück. Viele Trauergäste warfen mir dankbare Blicke zu, einige nickten anerkennend.
Doch meine Einflußnahme auf Onkel Franz währte nicht lange.

Viktors schöne Rede war zu Ende und Nadeschda ging ans Rednerpult, um ein Gedicht vorzutragen, wozu von CD leise Musik spielte.

Abermals tönte es aus der dritten Reihe: „Mein Gott, warum läßt du das zu? Hier wird doch eine Schwulenmesse gefeiert!“

Noch ehe ich sie am Zipfel ihrer Kostümjacke erwischen konnte, hatte sich Antonia auf den Weg gemacht und war zu Onkel Franz gegangen. Nur zwei, drei Sätze wechselte sie in leisem Ton mit ihm, dann schob sie ihn einfach mir ihrem dicken Hintern einen Platz auf den leeren Stuhl neben ihm und setzte sich auf den Stuhl auf dem er vorher gesessen hatte.

Onkel Franz machte keinen Mucks mehr. Die restliche Trauerfeier verlief ohne jegliche Störung. Auch als es anschließend zum Grab ging, ließ es sich der kleine Dicke nicht nehmen auf seinen kurzen Beinen mit zu marschieren, jedoch wich Antonia keinen Zentimeter von seiner Seite.

Alles war, abgesehen von den kurzzeitigen Störungen durch den dicken Onkel, sehr schön.
Man kann ohne Einschränkungen sagen, daß das Schöne überwog. Die Trauergäste, und das waren nicht wenige, schienen allesamt sehr zufrieden zu sein, viele kamen sogar zu Sandy und mir und verabschiedeten sich und manche bedankten sich sogar für die schöne Zeremonie.
Ich hörte auch aus den Gesprächen der Trauergäste untereinander nicht einmal ein Wort über den störenden Onkel. Ob man solche Auftritte von ihm gewohnt war?

Es waren übrigens etwas 75 Personen gekommen. Davon schätzte ich rund 30 als Familienangehörigen ein und die anderen als Freunde und Arbeitskollegen.
Auf keinen Fall war irgendeiner der Anwesenden so aufgetreten, daß man ihn als schwul hätte einschätzen können. Damit will ich nicht sagen, daß man Leuten ansehen kann, ob sie homosexuell sind.
Aber beispielsweise aus der Geschichte von Röschen und Kalli wissen wir ja, daß es auch Schwule gibt, die das zelebrieren und aus einer Beerdigung ein schillerndes Fest machen können.
Beides ist mir recht, ohne Wertung.

Ein Kaffeetrinken in einem örtlichen Gasthaus hatten Svetlana und Daniel abgelehnt. Stattdessen fuhren sie mit der ganzen Trauergesellschaft zum Fernsehturm. Dort gab es ein Drehrestaurant und dort war Thomas gerne gewesen, um von der Aussichtsplattform die Stadt zu fotografieren.
Nur einige wenige gingen nicht mit, auch Onkel Franz nicht. Den begleitete Antonia bis zu seinem Taxi und kehrte erst wieder zu uns zurück, als der Schwitzdicke auch wirklich abgefahren war.

Als Antonia wieder bei uns war, wollte Sandy unbedingt wissen, was sie unternommen hatte, um den dicken Alten ruhig zu stellen: „Was haste denn zu dem gesagt? Ich meine, nachdem der Chef schon bei dem war hat der ja immer noch weiter gebrüllt.“

„Ich? Ich habe nur gesagt: ‚Passen Sie mal auf, Männeken, ich weiß nicht wer Sie sind, aber ich bin die, die kleine, dicke Männer auffen Kopp haut und dann ihre Leichen irgendwo im Wald verscharrt. Du hältst jetzt Deine Klappe, sonst bist Du der Nächste!'“


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 20 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 20. Januar 2014

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Mephistophelia
10 Jahre zuvor

🙂 Ich mag die Antonia!

Karin
10 Jahre zuvor

Herrlich! Ich mag die Antonia auch!

Alleswisser
10 Jahre zuvor

ANTONIA ROCKS! YEAH! 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂

lio
10 Jahre zuvor

Sauerei!….. dass solche Leute sich nicht schämen, eine Trauerfeier und die Beerdigung derart zu stören und den Toten zu verunglimpfen. Wie schön das Antonia da so schlagfertig und überraschend reagiert hat und den ollen, bösen Onkel zur Räson bringen konnte.

LG von der lio

Markus
10 Jahre zuvor

Antonia for President!

Wunderbare Geschichte. Ich habe tiefen Respekt vor dieser Familie. Jeder der schon mal einen Angehörigen verloren hat, wird wissen wie schwer so eine Beerdigung ist. Diese selbst zu gestalten ist schon der Hammer. Und dann noch so ein kontroverses Thema offen anzusprechen…

Thomas hatte wohl eine wunderbare Familie

Firrin
Reply to  Markus
10 Jahre zuvor

Interessante Idee das mit dem President – man stelle sich vor, wie schnell das NSA-Problem gelöst wäre, wenn Obama Angst vor Kopfnüssen haben müsste 😉

kleiner_Geist
10 Jahre zuvor

Irgendwie hätte ich das mehr von Sandy erwartet.
Aber die Reaktion war toll.

Peter
10 Jahre zuvor

Abgesehen von der Tatsache dass ich solch entspannte Ansichten für „richtig“ halte und sehr schätze, ich musste ob der Ruhigstellung herzlich lachen. Danke für diesen Text, YMMD.

ein anderer Stefan
10 Jahre zuvor

Sehr genial beschrieben, solche Leute verstehen nur so derbe Ansagen.
Ja, leider gibt es Idioten, die nicht einmal in den unpassendsten Momenten aufhören können, ihre arrogante und ignorante Dummheit aller Welt mitzuteilen.

10 Jahre zuvor

Dass man sich nicht mal auf einer Beerdigung zurückhalten kann. Da gehts doch nun wirklich um den Verstorbenen, wenigstens da sollen mal alle zu ihm stehen können und nicht seine wahre Liebe verstecken müssen.
Antonia hat super reagiert! 🙂

10 Jahre zuvor

Einmal im Leben Antonia spielen dürfen und dann ???

Hildegard
Reply to  Clara Himmelhoch
10 Jahre zuvor

Ja genau, da war doch mal was. Was ist eigentlich aus dem geplanten Filmdreh geworden? Ist das Projekt still schweigend gestorben?

Reply to  Hildegard
10 Jahre zuvor

Verschoben ist nicht aufgehoben.

Hildegard
Reply to  Peter Wilhelm
10 Jahre zuvor

Gute Nachricht. Da bin ich wirklich neugierig drauf. Waren doch etliche Leser, die mittuen wollten. Mich würde es freuen, davon was zu sehen.

10 Jahre zuvor

Ich liebe Antonia. Wirklich 🙂

Aber hier hat sie sich selbst die Krone aufgesetzt… Schönes Ding 🙂

joschi
10 Jahre zuvor

Ich stell mir grad vor, wie das Moppelchen sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Alten draufsetzt, der Fettfleck gäb ne wirkliche Sauerei.

Schick die Antonia doch mal zu uns in die Gegend, hier gibts Dörfer, wo die Homophobie leider noch sehr verbreitet ist

10 Jahre zuvor

Mal ganz doof gefragt: Wieso ist dieser Onkel Franz überhaupt auf die Beerdigung gekommen, wenn er ihn doch für so widerlich hält…

Salat
Reply to  Kitschautorin
10 Jahre zuvor

Na, damit er noch einmal ordentlich dagegen giften kann – und weil alle mehr Schamgefühl haben als er, sogar ohne Widerspruch.

Salat

Naya
Reply to  Kitschautorin
10 Jahre zuvor

Weil er sonst das ja nicht so toll hätte kundtun können :/
Still sowas doof finden, das wär ja völlig ok, muß ja nicht der Lebensentwurf für jeden sein – das Problem ergibt sich ja immer daraus, wenn Menschen wie dieser Typ ihre eigene engstirnige Meinung dem Rest aufzwigen müssen.

twl
10 Jahre zuvor

Ich will ja stark für die damalige „echte“ Familie hoffen (falls so geschehen), dass der Krawallonkel in so einer Form nie existiert hat, sondern das Destillat vieler einzelner, nicht ganz so schlimmer Ignoranten ist…
Ich hätte in so einem Fall wahrscheinlich eine schwarze Liste der personae non gratae(?) eröffnet.

Reply to  twl
10 Jahre zuvor

Leider hat der existiert.
Ich las kürzlich seine Todesanzeige. Immerhin ist er 81 Jahre alt geworden.
Die Todesanzeige war recht knapp formuliert: „In tiefer Trauer, Deine Familie“.

Reply to  Peter Wilhelm
10 Jahre zuvor

Vermutlich resultiert die Trauer daraus, dass er nicht noch früher gestorben ist.

turtle of doom
Reply to  Kitschautorin
10 Jahre zuvor

Herrlich!

Sascha
10 Jahre zuvor

Eine sehr schöne Geschichte.

Ateranimus
10 Jahre zuvor

Ich finde die kleine SPitze im Text mit den Trauerfeiner recht amüsant:

„Wenn ein 89 Jahre altes Mütterlein mit eine kleinen 08/15-Trauerfeier verabschiedet und zu Grabe getragen wird, läuft die Friedhofsmaschinerie so gut geölt, da geht normalerweise nie etwas schief und alle Beteiligten, inklusive Leichnam und Trauergemeinde waren schon so oft auf Beerdigungen, daß der Ablauf beinahe schon traditionszementiert ist.“

Ich hoffe mal nicht, dass immer die gleiche Leiche verwendet wird….

PMK74
Reply to  Ateranimus
10 Jahre zuvor

Die Teilnahme an Beerdigungen erfolgt in diesem Personenkreis durchaus mehrfach – nur die Rollenverteilung variiert jedes Mal. 😉

Rumpel
10 Jahre zuvor

jeder soll sich sein Leben einrichten, dass es ihm gefällt. Ist ja nicht jedem möglich. In der Geschichte scheint es aber der Familie des Verstorbenen gelungen zu sein.
Um so mehr bewundere ich Svetlana. Ist das die nichtfordernde, selbstlose Liebe, sein Leben mit einem Menschen zu verbringen von dem man weiß, dass er jemand anderen auch liebt, ja sogar diesen Menschen mit in die Familie aufzunehmen und trotzdem glücklich zu sein?

Held in Ausbildung
10 Jahre zuvor

Au der einen Seite hab ich schon wieder Pippi in den Augen… (DANKE TOM! *arrrg* und ich wollte nicht!!!) auf der anderen Seite musste ich so herzhaft über Antonia schmunzeln 😀

Hajo
10 Jahre zuvor

ich muss vielleicht erst einmal etwas an der Schärfe des Monitors tun ..

grosse Geschichte, lieber Peter
und Antonia wird immer sympatischer
Herzliche Grüße
Hajo

Basti
10 Jahre zuvor

Schätze mal, einer meiner Onkel wäre genau so.
Gut dass ich noch nicht tot bin 😉

SixFeetUnder
10 Jahre zuvor

Hallo zusammen !
Habe auch meinen besten Freund verloren, der schwul war. Seine Beerdigung war sehr würdevoll und es kam fast das ganze Wohnviertel. Er war ein sehr sehr guter Mensch, die Leute liebten ihn !
Mensch ist Mensch – ob homo oder nicht !

Liebe Grüße

Arno Nühm
Reply to  SixFeetUnder
10 Jahre zuvor

Aber sind wir nicht alle ein bißchen homo sapiens?

Elke ( Fännin )
10 Jahre zuvor

@Basti: das ist gut so!

Solitaire
10 Jahre zuvor

Tja, Toleranz ist auch heute noch ein offenes Thema, selbst in der Stadt mit dem Drehrestaurant, die als eine der Schwulenhochburgen in DE gilt.

Meine Devise ist immer „Leben und Leben lassen“, aber selbst das ist nicht in diesem unserem Lande im 21. Jhd. üblich und leider gibt es bislang meines Wissens nach keine Kur / Therapie gegen Homophobie.

Übrigens mein Kompliment für das Bestatterblog! Ist immer interessant zu lesen, bitte weiter so!




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