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Frag den Bestatter

Unsere Oma sah bizarr und tot aus

Vor 10 Jahren ist meine Uroma verstorben. Es gab eine Trauerfeier mit offenem Sarg. Wir haben alle geweint, aber es war schön sich noch ein mal zu verabschieden. Sie sah aus als ob sie schlief.
Nun ist meine Großmutter gestern kremiert worden. Es gab eine Trauerfeier mit offenem Sarg und ich hatte noch nie so ein verstörendes Erlebnis. Meine Großmutter sah aus wie eine richtige Leiche! Grünlich, wachsig glänzend und aufgequollen. Sie sah aus als ob sie zerfließen würde. Verklebte Wimpern und der Lippenkleber hat sich während der Feier gelöst. Ihr Mund stand bizarr offen mit Kleberesten an den Lippen. Die Position war auch nicht schön.
Das war für die ganze Familie sehr schlimm! Wieso hat der Bestatter uns nicht empfohlen den Sarg geschlossen zu lassen, wenn sie so aussah? Wieso sah sie überhaupt so aus? Als sie vor ein paar Tagen im Krankenhaus verstarb, sah sie noch aus wie ein Mensch. Liegt das am Wetter? Hätte man sie besser herrichten können? Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen und möchte mich im Voraus fürs Lesen bedanken. Mit freundlichen Grüßen. K.

Das ist der Lauf der Dinge. Der menschliche Körper ist nicht dafür gemacht, für ewig zu funktionieren und wenn seine Vitalfunktionen erloschen sind, geht er recht schnell in die Zersetzung über.
Zwischen dem Eintritt des Todes und der Zersetzung gibt es nur ein sehr kleines Zeitfenster, in dem man den Verstorbenen so sehen kann, wie er zum Zeitpunkt des Todes ausgesehen hat.
Manchmal hat man Glück und die Umstände erlauben es, daß man dieses Bild so wahrnimmt, daß es einen an den lebenden Menschen erinnert.
Aber in den allermeisten Fällen ist direkt nach Eintritt des Todes durch die Muskelerschlaffung im Gesicht schon eine bedeutende Veränderung festzustellen.

Es gibt Möglichkeiten, die Veränderung, die darüber hinaus geht, etwas hinauszuzögern. Aber nicht jeder Bestatter verfügt über diese Möglichkeiten und nicht alle Angehörigen wünschen die mehr oder weniger starken Eingriffe bis hin zur Einbalsamierung, weil das einerseits viel Geld kosten kann und andererseits auf vielen Friedhöfen nicht ohne weiteres erlaubt ist.
Es kann durchaus sein, daß der Bestatter sein Bestes gegeben hat. Er mag auch noch am Abend vor der Trauerfeier korrigierend Hand angelegt haben und war mit dem Ergebnis zufrieden. Bis zur Trauerfeier am nächsten Tag können aber weitere Veränderungen eintreten, die das geschilderte Bild ergeben.

Ratgeber für Schwerhörige

Das Ziel einer Aufbahrung oder Abschiednahme am offenen Sarg ist es ja, daß die Lebenden begreifen und sehen, daß dieser Mensch im Sarg tot ist. Dieser Schritt hilft ihnen sehr im Trauerprozess weiter.
Gleichzeitig soll natürlich ein Bild dargestellt werden, das eine große Ähnlichkeit zum lebenden Menschen hat.
Jeder Bestatter weiß, wie schwierig es ist, dieses Bild zu erzeugen. Es hapert manchmal schon allein daran, daß der Bestatter den Verstorbenen nie zuvor lebend gesehen hat und deshalb gar nicht wissen kann, wie der Verstorbene zurecht zu machen ist.
Kleine Details, wie Frisur, Kosmetik usw. können hier schon ein sehr fremdes Bild erzeugen.

Im Grunde muß man nun als Bestatter und Familie abwägen, welcher Aspekt überwiegt. Ist es der letzte Blick auf einen möglichst lebensnah aussehenden Verstorbenen oder ist es das Begreifen des Leichnams?
Ich hatte solche Grenzfälle auch. Im Zweifelsfall holt man sich jemanden von der Familie, am Besten jemanden, den man für gefestigt und etwas klarer empfindet, und bespricht mit ihm die Situation. Mit ihm schaut man sich dann den Verstorbenen an und läßt ihn entscheiden, ob eine Aufbahrung in diesem Zustand möglich ist oder nicht.

Kurzum: So wie die Oma noch wenige Tage vor dem Tod ausgesehen hat, kann sie tot nicht aussehen. Der Bestatter kann sein Bestes gegeben haben und trotzdem empfinden die Angehörigen das Bild als schlimm.
Am Besten ist es, vorher mit einer einzelnen Person testweise zu schauen.

In „Frag den Bestatter“ findest Du meine Antworten auf Fragen von Leserinnen und Lesern. Diese Fragen sind zum Teil Inhalte Dritter, die mich tagtäglich auf den verschiedensten Wegen erreichen. Es handelt sich also um meist nicht bearbeitete und nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfte Fragen Dritter. Für die Fragen sind allein die Übersender der Mitteilungen verantwortlich. Ich mache mir die Aussagen nicht zu eigen.
Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 25. August 2015

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4 Kommentare
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Werner
8 Jahre zuvor

Meine Oma hatte AlS….
Sie muss jämmerlich erstickt sein.
Die.Ärzte haben sofort gesagt das wir sie nicht mehr ansehen sollten.
Ich.denke mal das war das allerbeste und uns ist ein großer Schock erspart geblieben

Frau Katze
Reply to  Werner
8 Jahre zuvor

@Werner:

Jämmerlich ersticken lassen einem die Ärzte im Krankenhaus nicht. Dafür gibt es so super Medikamente, dass das nicht passiert. Ich schreibe aus eigener Erfahrung: Arbeitskollege hatte Lungenkrebs.

Andrea0966
8 Jahre zuvor

Wo ist es denn üblich, die Trauerfeier mit offenem Sarg abzuhalten? Ich kenne das hier aus Norddeutschland gar nicht. Hier ist es eher so, dass der Bestatter auf Wunsch die Verstorbenen offen aufbahrt, die engsten Angehörigen einen Schlüssel für den Raum erhalten und dann mit den Personen, die noch am offenen Sarg Abschied nehmen wollen, zum Bestattungsinstitut gehen.

Trauerfeiern mit offenem Sarg kennen ich nur aus US-amerikanischen Filmen und Serien – Six feet under lässt grüßen.

Joshua
8 Jahre zuvor

Natürlich sieht man tot aus, wenn dies nun einmal dem Zustand der Oma entspricht




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