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Geschichten

Weihnachten

Carrera

Vor zehn Jahren schrieb ich den folgenden Text zu Weihnachten. Ich möchte ihn Euch noch einmal zum Lesen geben, er ist so schön, wie ich finde.

In der Geschichte ist von einer Carrera-Bahn die Rede. Und vor zwei, drei Jahren habe ich tatsächlich unter meinen Dachbodenhabseligkeiten eine kleine sitzende Figur entdeckt. Diese gehörte zu der großen Tribüne, die bei der Carrera-Bahn dabei war. Jetzt gerade ist mir das Männlein wieder in die Hände gefallen und ich wurde abermals an diese Geschichte erinnert. Ein schöner Anlass also, Euch den Text von 2013 auch noch einmal zu präsentieren. Viel Freude damit:

Dass bei den allermeisten Menschen der ursprüngliche, religiöse Hintergrund des Weihnachtsfestes längst in den Hintergrund getreten ist, daran mag man sich gewöhnt haben.
Es ist eben das größte und bedeutsamste Fest, das man im Jahr feiert und es ist ganz klar das Fest der Geschenke, des Beschenkens und des Schenkens; kurz gesagt, ein Fest des Geldausgebens.

Allerdings gibt es ja auch eine, nach meinem Gefühl, größer werdende Zahl von Weihnachtsverweigerern.
„Wir schenken uns seit Jahren nichts mehr.“
„Solange die Kinder noch im Haus waren, ja da haben wir …“
„Das ist doch alles nur Kommerz, da haben wir uns ausgeklinkt.“
„Wir kaufen uns das ganze Jahr über, was wir haben wollen und an Weihnachten machen wir gar nichts.“

Nun haben wir noch Kinder, die bei uns wohnen, die sich immer noch ganz arg über Geschenke freuen und könnten deshalb sagen, dass wir das alles nur veranstalten, weil wir eben Kinder haben.
Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Denn egal wie alt ich werde und egal, wie erwachsen die Welt um mich herum auch werden mag, ich werde immer Weihnachten feiern und ich werde immer Geschenke haben wollen, ja, ich werde sie mir notfalls selbst kaufen, und diese Geschenke werden immer Spielzeug sein.

Spielzeug? Spielzeug bei einem erwachsenen, abgehobenen und rational denkenden Akademiker in diesem Alter?

Ja! Und es muss Spielzeug sein!

Und das ist deshalb so:

Meine Mutter hatte ein Händchen für Gemütlichkeit. Mit wenigen Mitteln gelang es ihr immer und überall eine gemütliche Atmosphäre herzustellen. Ob es der gemeinsame Fernsehabend mit dem Ohnsorg-Theater war oder der sonntägliche Besuch von Onkel und Tante. Sie verstand es einerseits, für die Gemütlichkeit zu sorgen und andererseits hatte sie das Talent, mich als Kind für alles Mögliche zu begeistern.
Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass meine Eltern irgendwann, oder zumindest besonders oft, irgendetwas speziell für mich als Kind gemacht oder veranstaltet hätten.

Hubschraubereltern, die ständig um ihre Kinder kreisen, die nichts Besseres zu tun haben, als jeden Schritt ihrer Kinder zu überwachen und die komplette Freizeit mit ihnen gemeinsam durchzuorganisieren; und die dafür ihr eigenes Leben für 20 Jahre vollkommen hintenan stellen, um dann nahtlos ein paar Jahre später ihre Enkelkinder zu „behubschrauben“, solche Eltern waren meine nicht und solche Eltern sind auch wir nicht.

Für Kinder etwas veranstalten, sich als Erwachsener hinsichtlich seiner Freizeitgestaltung nach den Kindern zu richten…, nein, das machten meine Eltern nicht.
Wenn ich lange nachdenke, dann erinnere ich mich daran, dass meine Mutter, als Belohnung für irgendeine kindliche Glanzleistung, mit mir 1969 ins Kino gegangen ist, „Pippi Langstrumpf“ war gerade als Film herausgekommen, mein erstes Kinoerlebnis.
Einmal waren meine Eltern auch mit mir im Zirkus und ich erinnere mich auch daran, dass mein Vater mit mir einmal, in einem eher etwas hilflosen pädagogischen Anfall versucht hat, ein physikalisches Experiment mit einem kleinen Elektromotor und einer Batterie zusammenzubauen.

Ansonsten blieb es dabei: Mutter machte mir das, was die Erwachsenen taten, eben so schmackhaft wie möglich, verbreitete Gemütlichkeit, und es gelang ihr auch immer wieder, mich zu begeistern.
Niemals hätte sie sich mit mir hingesetzt und etwas gebastelt. Stattdessen durfte ich mit ihr backen und kochen oder mit dem Vater im Keller irgendetwas reparieren oder ihm im Garten helfen.

Das hatte natürlich auch seine Vorteile. Dadurch, dass sie nicht ständig um mich kreisten, konnte ich als Kind mit meinen Freunden tun und lassen, was ich wollte. Ich konnte mich aber auch stundenlang mit meinen Büchern in mein Zimmer zurückziehen und lesen so lange und so viel ich mochte. Natürlich hatte ich ein Pippi Langstrumpf-Buch, eine Märchensammlung und den Räuber Hotzenplotz. Das waren Buchgeschenke von Verwandten. Ansonsten stand in meinem Zimmer, das ich von meinem 16 Jahre älteren und längst ausgezogenen Bruder übernommen hatte, alles an Literatur, was man sich so vorstellen kann, die russischen Weltautoren, Pearl S. Buck, Schiller, Goethe, Shakespeare, und das in rund 400 Bänden.
Krieg und Frieden kannte ich beinahe auswendig, noch bevor der erste Band Karl May bei mir mal Einzug hielt.

An Weihnachten war das alles nicht viel anders.
Mutter liebte Weihnachten. Schon zum ersten Advent musste die ganze Wohnung hübsch dekoriert sein. Den heute allgegenwärtigen Weihnachtsmann oder „Santa“, den gab es noch nicht in dieser Form, nein, zu meiner Zeit, da kam noch das Christkind. Und der ganze blinkende LED-Rummelplatz-Weihnachtskram, den gab es auch noch nicht. Da wurden Strohsterne, Tannenzweige und Girlanden aufgehängt, ein Christstern auf die Kommode gestellt, der Adventskranz auf dem Tisch platziert und ein Pomanderapfel gebastelt.
Dazu wurde eine Orange, die damals auch bei noch nicht Orange, sondern Apfelsine hieß, mit Gewürznelken über und über gespickt und dann an einem Faden in einen Türbogen gehängt. Dieser Pomanderapfel verströmte dann, gemeinsam mit den Tannenzweigen einen schönen vorweihnachtlichen Duft.

Einen Adventskalender hatte ich auch.
Und auch die Adventskalender waren früher anders als heute.
Da gab es noch keine Playmobil-Adventskalender und da gab es auch keine mit kleinen Kümmerling-Fläschchen drin oder mit Mist-Kitty-Barbie-Disney-Kram. Nein, die Adventskalender waren anfangs noch nicht einmal mit Schokolade gefüllt!
Meine ersten Adventskalender waren aus schwarzem Tonpapier und mit kleinen silbernen Sternchen beklebt. Er hatte, so wie es sich gehört, 24 kleine Türchen.
Zuerst musste man die Rückseite aufklappen. Der Kalender war kaum größer als eine doppelte Postkarte und auch nicht viel dicker. Also zuerst die Rückseite an einer perforierten Linie lösen und seitlich herausklappen, damit der Kalender nicht umfallen konnte.
Öffnete man nun eines der Tore, konnte man im nun offenen Fensterchen ein buntes, auf Transparentpapier aufgedrucktes Bild sehen. Da man den Kalender vor eine Kerze oder auf die Fensterbank stellte, konnte das Licht von hinten durch das Fensterchen scheinen.
Am ersten Tag war es ein Stern, am zweiten eine Maria, dann kam der Josef, dann ein Schaf, dann eine Sonne usw., alles biblische, religiöse Motive, die auf die Adventszeit und das kommende Fest, die Geburt des Jesukindes hindeuteten.
Hinter dem größten Fenster für den 24. Dezember, das natürlich ganz in der Mitte war, befand sich selbstverständlich das Bild einer schönen Krippe.

Ich war glücklich damit und die anderen Kinder, die etwas Ähnliches hatten, waren auch zufrieden.

Später kamen dann die mit Schokolade gefüllten Kalender in Mode, so wie es sie heute immer noch für kleines Geld bei ALDI gibt, nur waren die damals noch etwas ganz Besonderes und viel, viel teurer.

Meine Mutter backte gerne und weil sie das so gerne tat, war der Ausstoß der heimischen Adventsbackstube so groß, dass ständig irgendwelche Leute, meistens plappernde alte Frauen, zu uns eingeladen wurden, die quasi mit vorgehaltener Kaffeekanne zum übermäßigen Verzehr von Spritzgebäck, Zimtsternen und Kokosmakronen genötigt wurden. Und weil die alten Frauen gar nicht so viel essen konnten, obwohl die Völlerei so 15 Jahre nach dem Krieg ja noch völlig in Mode war und als gesund galt, wurde auch noch sehr viel Gebäck in Dosen und Schachteln verpackt und an andere Leute verschenkt, damit die daheim völlen, füllen und futtern konnten.

Da die grausamste Erfindung seit der Entdeckung des unverwüstlichen Plastiks, die Tupperdosen, es damals noch nicht bis in unsere Gegend geschafft hatten, sammelte Mutter das ganze Jahr über Keksdosen aus Blech. Das war nicht besonders schwer, damals verpackten die Firmen noch viel mehr Sachen in langlebige Schachteln aus Holz oder Blech. Es war noch nicht das Folienzeitalter angebrochen.

Man sieht, die Weihnachtszeit war angefüllt mit allerlei netten Dingen, nur eben extra für das Kind, da wurde nicht viel gemacht.
Ich klage nicht darüber, nein; ich habe da auch nie einen Mangel empfunden oder das Gefühl gehabt, da fehle etwas, bei uns war das so, das war gut so und ich kannte das nicht anders.

Allerdings am Heiligen Abend, da war dann doch etwas anderes.

Der Heilige Abend war für mich, wie wohl für jedes Kind, einer der aufregendsten Tage des Jahres. Ich konnte es kaum abwarten, bis endlich die Zeit gekommen war, dass Mutter mit dem kleinen Glöckchen klingelte, was bedeutete, dass das Christkind endlich da gewesen ist und die Geschenke gebracht hatte.
Übrigens wurde mir nie vorgemacht, das Christkind würde tatsächlich irgendwie durch die Luft schweben oder unter der Tür durchhuschen, um die Geschenke zu bringen.
Das Christkind bringt die Geschenke, aber es war auch klar, dass die Eltern sie besorgten und unter den Baum legten.
Der genaue Zusammenhang blieb mystisch und bedurfte auch keiner genaueren Klärung.

Aber von Anfang an:
Schon am Morgen des Tages wurde der große, schwere Vorhang zugezogen, der unser Wohnzimmer vom Esszimmer trennte.
Und dann kam ein fast schon martialisch anmutendes Ritual, es wurde eine abgehackte Hühnerpfote mit einer Sicherheitsnadel an den Vorhang gehängt.

Ja, früher kaufte man Hühner auf dem Markt noch mitsamt dem Kopf und den Füßen. Glücklicherweise waren sie schon tot und ausgenommen, aber die Hausfrauen wollten immer den Kopf und die kralligen Beine dranhaben, da konnte man angeblich sehen, wie alt der Vogel war und ob er noch frisch war.
Vor der Zubereitung mussten Kopf und Füße natürlich abgehackt werden und als kleiner Junge hatte ich Angst vor den grässlich gebogenen, nackten und schuppigen Füßen der toten Vögel.
Also musste man nur irgendwo so eine Hühnerpfote hinhängen und klein Peterchen nahm sofort weinend Reißaus.

Das machte man sich auch als Abwehrmaßnahme gegen neugierige Kinderaugen zunutze, wenn Mutter hinter dem dicken Vorhang im Esszimmer den Baum schmückte und die Geschenke platzierte, während ich im Fernsehen „Wir warten aufs Christkind“ anschauen durfte.

„Watt’n hier los? Macht ihr Voodoo?“ fragte einmal eine Nachbarin entsetzt, als sie die Hühnerpfote am Christkindls-Vorhang entdeckte.

Die restliche Abfolge des Heilig-Abend-Tages war katholisch genormt. Erst in die Kirche und zwar in die große Messe, die ganz besonders lange dauerte, weil da der Kirchenchor das alles vortragen durfte, was er das ganze Jahr über mühsam geprobt hatte. Die große Krippe, die vielen großen Tannenbäume im Chorraum, der Kirchenchor und die vielen festliche gekleideten Leute, das hatte schon was. Ja, das war auch für uns Kinder was Tolles, nur dauerte das Ganze eben viel zu lang, viiiiiel zu lang!

Des Besingens und Beweihräuchertwerdens überdrüssig, waren wir froh, wenn alles vorüber war und während sich die Erwachsenen vor der Kirche noch schöne Festtage wünschten und aus der Kirche noch die letzten Töne von „Stille Nacht, heilige Nacht“ klangen, standen die Kinder beisammen und spekulierten aufgeregt über die möglicherweise zu erwartenden Geschenke. Außerdem wurde abgesprochen, wer wen zu späterer Stunde noch besuchen würde, um die Geschenke auszuprobieren und zu vergleichen. Ja, wir machten das einfach ab, in persona, ohne Handy, SMS und Whatsapp und wir haben es trotzdem geschafft, uns pünktlich und verlässlich zu treffen.

Wir wohnten sehr nahe bei der Kirche und so kam dann Tortur Nummer zwei recht rasch zum Einsatz.
Diese Tortur bestand darin, gemeinsam mit dem Vater im Wohnzimmer darauf zu warten bis Mutter das Weihnachtsessen auf den Tisch brachte.
So einen Quatsch wie Knackwurst und Kartoffelsalat an Heiligabend gab es nicht und ich erinnere mich gut daran, wie meine Eltern in ebenso ungläubiges, wie lautes Gelächter ausbrachen, als Bundeskanzler Helmut Schmidt kurz vor einem Weihnachtsfest im Fernsehen mal sagte, eben dieses Essen, Knackwurst und Kartoffelsalat, gäbe es bei ihm daheim zu Weihnachten.

Nein, an Weihnachten gab es einen dicken Braten. Eine Gans, einen Hasen oder Rinderbraten. Keine neumodischen Experimente, sondern Fleisch vom toten Tier, ordentlich Kartoffeln, viel dicke braune Soße und Gemüse.
Auch so neumodische Albernheiten, wie einen Salat zu jedem Essen, den brauchte man nicht. Das machte nur unnötig satt und man konnte ja dann nicht so viel Fleisch essen. Und Fleisch war wichtig für die Generation meiner Eltern, die während und nach dem Krieg so vieles hatten entbehren müssen.

Man kann sich vorstellen, wie schnell ich essen konnte und wie sehr ich quengelte und drängelte, meine Eltern mögen doch auch rasch aufessen, denn immer noch baumelte die doofe Voodoo-Pfote am dicken, braunen Vorhang und dahinter verbarg sich ganz bestimmt eine wahre Wunderwelt!

Dann endlich, aber erst, wenn der Tisch abgeräumt war, wurde die Vogelkralle entfernt und Mutter verschwand hinter dem Vorhang. Sie zündete die Kerzen an, denn unser Baum hatte in den ersten Jahren immer echte Kerzen, weshalb auch immer ein Eimer mit Wasser in der Zimmerecke stand, um im Falle eines Brandes den Baum löschen zu können.
Dann wurde das Glöckchen geklingelt und endlich zog Mutter strahlend den Vorhang auf.

Langsam betraten Vater und ich das Allerheiligste und zuerst musste man Baum und Krippe bestaunen.
Dann wurde der „dicke Teller“ überreicht. Das war ein mit weihnachtlichen Motiven bedruckter Pappteller, auf dem sich eine Apfelsine, Walnüsse, die teuren Paranüsse, ein paar Mandeln und Schokolinsen befanden.
Erst danach durfte ich die Geschenke durchforsten. Da standen etliche Päckchen.
Einmal waren das die Päckchen, die ich gepackt hatte. Immer hatte ich etwas für Vater und Mutter gekauft und mir dafür das Geld von meiner Mutter geben lassen. Taschengeld in einer erwähnenswerten Größenordnung gab es nämlich nicht, höchstens mal den Sonntagsgroschen.

Für Vater hatte ich meist etwas zum Heimwerken gekauft, einen Bohrer, eine Zange oder auch mal eine Flasche „Pitralon“-Rasierwasser. Für Mutter gab es meist eine Kerze und was Praktisches von 4711, nur nie Tosca!
So, und dann durfte ich meine Geschenke auspacken.

Ah! Ein selbst gestrickter Schal!
Welch große Überraschung, hatte ich doch die Wochen zuvor meine Mutter daran handarbeiten sehen.

Und dann, welche Freude, ein paar Socken!

Und im dritten Päckchen, im größten von allen, ach welche übergroße Wonne …

… befand sich die dicke Winterjacke, die meine Mutter mit mir gemeinsam vor drei Monaten bei C&A gekauft hatte.

Ja, sie hat diese teure Investition damals tatsächlich schon im Frühherbst mit den Worten getätigt: „Die ist dann aber auch schon für Weihnachten mit!“

Ich habe mich gefreut. Ehrlich!

Nun ja, zumindest so lange, bis die Bescherung vorüber war und ich mit meinem schönen neuen, selbst gestrickten Schal, der kratzte wie Hölle und aus der Wolle eines aufgeribbelten, ehemaligen Pullovers gemacht worden war, zu den Kindern in der Nachbarschaft lief.
Das war nämlich so üblich, dass man am Heiligen Abend in Kinderrunde seine Geschenke vorführte.
Die Ingrid hatte ein Puppenhaus bekommen, der Frank ein batteriebetriebenes Auto und der freche Klaus hatte einen Lego-Kasten bekommen.

So ging das Jahr für Jahr.

Mal gab es statt des Schals auch eine Wollweste und wenn es mal ganz gut lief, gab es auch mal was, das man dringend für die Schule brauchte, ein Federmäppchen oder auch mal ein Fünferpack Filzstifte.

Man könnte auch sagen, dass meine Mutter -mein Vater kümmerte sich sowieso mehr ums Geldverdienen- kein Händchen für Spielzeug hatte.
Oder um es genau zu sagen, für sie war Spielzeug nur herumliegender Krempel, der einen von Wichtigem abhalten könnte und der „unnütz, unnötig, überflüssig und unsinnig“ war. Fünf U, die meine Kindheit bestimmten: Unnütz, unnötig, überflüssig und unsinnig.

Okay, ich muss die Wahrheit sagen.
Es gab ein Jahr, das war das Jahr, als Otto Waalkes seine ersten Musik-Kassetten mit seinem spaßigen Programm auf den Markt gebracht hatte, da haben mir die Eltern tatsächlich eine von diesen Kassetten gekauft.
Das war ein ganz besonderes Jahr, weil ich da auch mal was anderes als längst zuvor bekannte und erhaltene Kleidung geschenkt bekam.
Einen Haken hatte die Sache jedoch, außer einer Musiktruhe mit Plattenspieler aus den 50er-Jahren gab es bei uns im Haus nur noch ein Grundig-Radio, jedenfalls keinen Kassettenrekorder …

Vier Jahre später erst bekam ich dann den Kassettenspieler … Auch das war ein ganz besonderes Fest.

Ach so, der Tannenbaum. Das muss ich auch noch erzählen, denn diese Geschichte erzählt von einer wirklich tollen Weihnacht.

Alles begann damit, dass meine Eltern mir erzählten, ich müsse für eine Woche mein Zimmer räumen, denn in diesem Jahr habe man nicht das Geld, um einen echten Tannenbaum zu kaufen und deshalb müsse der Vater selbst einen bauen.

„Da nehme ich einen Besenstiel, male den braun an und bohre lauter Löcher rein. Mit etwas Leim und Draht mache ich dann da ein paar Tannenzweige dran. Du wirst sehen, der wird sehr schön“, sagte er zu mir, der ich da mit enttäuschten Augen und staunend offenstehendem Mund dastand.

So werkelte er dann in meinem Zimmer, hämmerte, bohrte und klopfte. Ab und zu trug er in Decken gewickelte Bündel ins Zimmer und schwups war die Tür wieder zu

Der Heilige Abend verlief wie üblich. Vorhang, Hühnerpfote, Kirche, Stille Nacht, Heilige Nacht, Gänsebraten, Klingglöckchen …

Dann wurde der Vorhang geöffnet und … Ach nee … Wieso? Äh?
Da stand ein ganz normaler Tannenbaum, wie in jedem Jahr, ein echter, ein ganz normaler und in diesem Jahr sogar mit zwölf elektrischen Kerzen und besonders viel Lametta.

Ja aber … Aber Papa hatte doch gesagt …

„Na, dann komm mal mit in dein Zimmer“, sagte Papa und hatte schon Wasser in den leuchtend blauen Augen.

Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer und bin fast vor Staunen umgefallen!

Da stand, auf einer 2 x 3 Meter großen Holzplatte der Traum aller Jungs: Eine Carrera-Bahn! Eine echte, große Carrera-Autorennbahn!
Drei Autos, die dazugehörigen „Drücker“, ein Trafo, eine große Acht aus Schienen, Leitplanken und eine Tribüne mit Figuren …

Ich konnte mein Glück kaum fassen.

Den ganzen Abend, ach was sage ich, die ganze Nacht habe ich die Autos im Kreis herumflitzen lassen, bis die Motoren glühten.

Bis an Heilige-Drei-Könige habe ich quasi ununterbrochen mit der Bahn gespielt und das war das erste und einzige Jahr, in dem die Kinder aus der Nachbarschaft mich beneideten und zu mir zum Spielen kamen.

Dann musste die Bahn wieder abgebaut werden, sie nahm ja den größten Teil des Zimmers ein.
Die Schienen wurden von der Platte gelöst und in einen Karton gepackt, die Platte wurde in drei handlichere Teile zerlegt und es hieß: „Die kannst du ja bei Gelegenheit mal wieder aufbauen, jetzt muss wieder Ordnung geschaffen werden.“

Es war das letzte Mal, dass ich die Bahn gesehen habe.

Sie verschwand in den darauffolgenden Tagen spurlos, wie so viele Spielzeuge, die Verwandte mir zwischendurch mal mitgebracht hatten, verschwunden waren.
Fragte ich mal nach meinen Spielsachen, so gab sich Mutter immer ahnungslos oder es wurde irgendeine Ungezogenheit meinerseits als Grund angeführt, warum man mir das jetzt habe wegnehmen müssen.

Später, meine Mutter war gestorben, hatte ich die Aufgabe, den Haushalt aufzulösen. Da entdeckte ich auf dem Dachboden eine große Seemannskiste, in der sich ein großer Teil meines Spielzeugs befand.
Eine Ritterburg, die Carrerabahn, ein Feuerwehrauto und sogar Sachen, die noch original in Geschenkpapier verpackt waren. Irgendwelche Leute hatten sie meiner Mutter für mich gegeben, um sie mir an einem meiner Geburtstage oder an Weihnachten zu überreichen …

Ich habe bis heute nicht begriffen, warum meine Mutter in Bezug auf Spielzeug so war.
Sie war eine ganz liebe Frau und ich habe, jetzt nach vielen Jahren sowieso, eine sehr gute und schöne Erinnerung an sie.
Sie hat mich auch geliebt und man kann sich wirklich keine fürsorglichere und liebevollere Mutter wünschen.

Aber warum durfte ich nie so spielen, wie andere Kinder?

Doch seit ich nach meinem Studium von zu Hause ausgezogen bin und vor allem nach dem ich meinen Abschluss gemacht und das erste richtige Geld verdient hatte, habe ich begonnen, mir Spielzeug zu kaufen.
Roboter, Eisenbahnen, Autos, Flugzeuge, Figuren, Bausätze und sonst noch alles Mögliche. Ich muss es kaufen! Und wenn ich in der Stadt bin, wo gehe ich hin? Klar! Zuallererst ins Spielzeuggeschäft!

In diesem Jahr habe ich mir übrigens eine Eisenbahn im Format Z schenken lassen. Spielen ist doch so etwas Schönes! Ich werde immer spielen und mir immer Spielzeug kaufen und wünschen!
Und wer mir was zum Anziehen kauft, der stirbt gleich unterm Tannenbaum, garantiert!

© 27.12.2013

BILDQUELLEN

  • carrera: Peter Wilhelm

Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 24 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. Dezember 2023 | Peter Wilhelm 19. Dezember 2023

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32 Kommentare
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Tante Tina
10 Jahre zuvor

Du weckst in mir die schönsten Kindheitserinnerungen…so ahnlich war es bei uns auch. 🙂
Verflixte Konsumweihnacht von heute.

uli-mit-hut
10 Jahre zuvor

kommt mir alles irgendwie bekannt vor … liegt vielleicht daran, daß wir so in der gleichen Zeit groß geworden sind … ??? !!! eine wunderschöne Geschichte … danke lieber Peter … vielen Dank – hat mich an vieles wieder erinnert … Bei mir wars mit Spielzeug nicht ganz so schlimm, bei mir waren es mehr die Süßigkeiten – mit verheerenden Folgen, was mein späteres Gewicht betraf … und der daraus folgenden Dia … dingsda … Und so muss ich darauf heute wieder verzichten … leider … Spielen kann ich heute auch immer noch … mit Plüschtieren kuscheln, wie ein Kind … mich an Kartenspielen und Menschärgeredich begeistern … mit Autos und Playmobil …. achja *seufz* … Aber ich denke, wenn man das nicht kann … geht einem viel verloren – ich habe jedenfalls so das Gefühl … Spielen und Phantasie gehören für mich zusammen … und es hält einen jung, denke ich mal … …. also spielen wir weiter, haben Freude dran und genießen die Zeit, die wir damit verbringen … Wenn die Menschen mehr… Weiterlesen »

Winnie
10 Jahre zuvor

Heiliger Strohsack (von mir aus aus Bethlehem), fast so war es bei uns auch. Papierkalender, Kirche und Futtern vor der Bescherung. Allerdings gab es bei uns mehrere Fleischsorten, Kartoffeln und Klöße, sowie alles Mögliche an Gemüse. Tja, und habe ich fast immer alles Gewünschte bekommen, darunter auch sämtliches Spielzeug. Nicht immer unbedingt „original“ (z. B. die Autorennbahn) aber immer Adäquates. Jetzt frage ich mich nur, wieso ich immer noch Spielzeug und alles in dieser Richtung mag. Einziger Grund könnte sein, dass ich nach Weihnachten nicht wirklich damit spielen konnte. Erstens benötigten die meisten Spielzeuge Batterien, die prinzipiell fast immer vergessen wurden beizulegen und zweitens störten fast alle Batterie oder strombetriebenen Spielzeuge das TV-Bild eines der max. 3 (drei) enpfangbaren Graustufenprogramme. Nach Weihnachten gab es immer „interessante“ Sendungen (interessant wohl nur für Erwachsene) und nach Neujahr das Neujahrskonzert. Man, war das eine lange Zeit. In dieser habe ich mich meistens damit beschäftigt, die häufig sündhaft teuren Spielzeuge von innen zu betrachten. Selbstverständlich habe ich sie auch wieder zusammengebaut, aber dafür kannte und kenne ich die meisten… Weiterlesen »

Salat
10 Jahre zuvor

Ja, verdammtes Konsum-Weihnachten…
Meine Kinder bekamen dieses Jahr -neben zwei, drei anderen kleinen Geschenken – alle drei eine Satin-Kordel, daran mehrere dicke A6 große Karten aus hübsch weihnachtlichem Papier, von mir liebevoll beklebt mit Borten, Bändern, Kügelchen und ähnlichem Weihnachts-Gedönsdingsbums.
Sie haben sich wirklich und wahrhaftig sehr gefreut, obwohl alle das gleiche bekommen haben. Und das lag wahrscheinlich daran, dass auf diesen Karten Dinge standen wie „Gutschein über ein Frühstück im Bett“ – „Einmal Besuch im obertollen Wellenspaßbad“ – „Kinobesuch im Weihnachtsfilm“ – „Gutschein über zum Kino gehörige Fressalien“ – „Schlittschuhlaufen“ – „Gesellschaftsspieltag“ – „Pyamaparty mit Freundin“ usw usw. Die Gutscheine sind mit Daten versehen, damit sie auch wirklich und wahrhaftig eingelöst werden und nicht bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vergammeln.
Ich wollte einfach keine Weihnachtsferien mehr, bei denen schon am dritten Tag das in Spielzeug umgesetzte Geld in der Ecke liegt und jeder jammert: „Mir ist langweilig, was soll ich machen?“
Jetzt wird das Geld in Aktionen umgesetzt. Und der Besuch des Weihnachtskinofilms gestern war einstimmig als grandios bewertet worden.

Salat

melancholia
10 Jahre zuvor

Lieber Peter, diese Geschichte macht mir feuchte Augen, vor allem wegen: Später, meine Mutter war gestorben, hatte ich die Aufgabe, den Haushalt aufzulösen. Da entdeckte ich auf dem Dachboden eine große Seemannskiste, in der sich ein großer Teil meines Spielzeugs befand. Eine Ritterburg, die Carrerabahn, ein Feuerwehrauto und sogar Sachen, die noch original in Geschenkpapier verpackt waren. Irgendwelche Leute hatten sie meiner Mutter für mich gegeben, um sie mir an einem meiner Geburtstage oder an Weihnachten zu überreichen… Ich habe bis heute nicht begriffen, warum meine Mutter in Bezug auf Spielzeug so war. Sie war eine ganz liebe Frau und ich habe, jetzt nach vielen Jahren sowieso, eine sehr gute und schöne Erinnerung an sie. Sie hat mich auch geliebt und man kann sich wirklich keine fürsorglichere und liebevollere Mutter wünschen. Aber warum durfte ich nie so spielen, wie andere Kinder? — Ich bin 45 und lebe zusammen in einem Haus mit meinen alten Eltern und meiner eigenen Familie. Da erzähle ich heute meiner Mutter eine Begebenheit, die mich total gefreut hat. Als Antwort bekomme… Weiterlesen »

Nephele
10 Jahre zuvor

Teddys, Puppen, Lego, Spielfiguren, Spiele, Puppenstube – alles kein Problem gewesen, aber für meine beiden Barbies hab ich fast in Streik treten müssen. Eltern können merkwürdige Ansichten haben …

Aber, der Kartoffelsalat zu Weihnachten hat auch seine Tradition. Da man am Heiligabend sich ohnehin bis Oberkante Unterlippe mit Stollen, Strudel, Keksen, Marzipan, Schokolade abfüllt, ist der zart sauere Kartoffelsalat und die würzigen Würstchen quasi das Gegengift. 🙂
Braten und Ente (oder Gans) gibt es dann an den beiden Feiertagen.

werner
10 Jahre zuvor

und irgendwie waren wir viel zufriedener wie die Kinder von heute.
Manche Kinder haben das spielen verlernt…..
Aber dafür zocken die heute wie die großen.

Judi
Reply to  werner
10 Jahre zuvor

*ironiemodusan* Stimmt. „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ *ironiemodusaus* Das Zitat wird übrigens dem ollen Sokrates zugesprochen 😉 In der obenstehenden wunderschönen aber auch leicht zartbitteren Weihnachtsgeschichte wird zum Glück deutlich, daß ein Kind auch vor ein paar mehr als 20 Jahren nicht mit Schal und Winterjacke „zufrieden“ war. Und damit nicht zufrieden zu sein war damals so richtig wie es heute wäre – Kinder sollen sich mit „sinnlosen“ (=nicht lebensnotwendigen) Sachen beschäftigen dürfen. Dabei ist es völlig unwichtig ob die Dinge 50 Cent oder 500 Euro gekostet haben, sie müssen „überflüssig“ sein. Ich arbeite für ein großes Luxushotel und stelle alle Jahre wieder fest, daß auch Kinder, die materiell sehr verwöhnt werden Freude an Kleinigkeiten haben und richtig spielen können. Und das freut mich alle Jahre wieder sehr. Es gibt die, die nur drinnen hocken und zocken, das sind AUCH Kinder von heute, aber nicht DIE Kinder von heute. Und Stubenhocker gabs in meiner… Weiterlesen »

Georg
10 Jahre zuvor

Da wir ein Haufen Gören waren,8 Geschwister hatte ich,ging es bei uns bei Feierlichkeiten meistens zu wie in Wallensteins Heerlager,ich fand das immer zu viel Trubel und als ich mit meiner Frau zusammen zog hatte ich das Glück das auch sie keine Lust auf Tannenmord und dazugehörigen Klimbim hatte .Unser Sohn bekam seine eigene Mini-Kunsttanne damit er seine Deko hat und ihm wurde beigebracht das es weder einen Weihnachtsmann noch andere Gabenbringer gibt,das gab dann ziemlichen Stress im Kindergarten weil er es dort laut allen erzählte und die anderen Kinder sehr schockiert waren.Bei unserem Pflegeenkel sehen wir das nun etwas lockerer,der Kindergarten war schneller und hat ihn total Weihnachtswuschig gemacht,daher bekommt er nächstes Jahr auch seine eigene Kunsttanne in sein Spielzimmer gestellt und er darf sich daran erfreuen,nur diese Lieder muss die Oma mit ihm singen denn da streikt meine Kehle.

10 Jahre zuvor

Schöne Geschichte. 🙂

Mütter sind manchmal seltsam und haben seltsame Vorstellungen.

*grübel* vielleicht lerne ich ja stricken und stricke dir ein paar Socken, extra nur für dich *g*

Hildegard
Reply to  Tante Jay
10 Jahre zuvor

Schöne Idee. ….. und dann zieht er sich die Strümpfe aus, und spielt sich was an den dicken Zehen (Spruch meiner Mutter, wenn ich früher über Langeweile klagte 🙁 ). Oder wie?

waaahsabi
10 Jahre zuvor

Das mit den vorenthaltenen Spielsachen kann ich nachvollziehen. Allerdings in umgekehrter Form. Ich habe den Fehler gemacht, meiner Tochter die meisten Wünsche mehr oder weniger direkt zu erfüllen (Eisenbahn? Klar, Eisenbahn, mag ich ja auch. Kuscheltier XY? Aber natürlich. Etc etc.).

Der Effekt?
Es wird nicht mehr angemessen gewürdigt. Eventuell hatte Deine Mutter da ein besseres Händchen. Mittlerweile glaube ich, es ist nicht der Überfluss, der einem bei der persönlichen Entwicklung hilft weil alles immer vorhanden ist, sondern es ist Mangel. Das Verlangen, etwas haben zu wollen, aber nicht zu können, und sich dann entweder den Weg zu suchen, es zu kriegen, oder auf andere Lösungen auszuweichen.

Ich habe jedenfalls jetzt auch die Bremse bei Geschenken angezogen.

Fernster Fussel
Reply to  waaahsabi
10 Jahre zuvor

Der rechte Pfad ist der der Mitte (sagt Buddha).
Nicht im Übermaß und nicht im Mangel.

Big Al
10 Jahre zuvor

Den Hühnerfuß werde ich jetzt nicht mehr los….

Georg
Reply to  Big Al
10 Jahre zuvor

Pah damit hätte man mich nicht schocken können,wenn bei uns Enten geschlachtet wurden haben wir Zeitungspapier um die Enden am Kopf gewickelt und reingepustet,so ein Entenkopf ergibt eine schöne Tröte 🙂

Judi
Reply to  Georg
10 Jahre zuvor

Als ich Kind war haben wir die Ferien immer in Frankreich verbracht, da gabs Huhn auch immer mit Füßen. Wir Kinder haben recht schmell entdeckt, daß man da an einer Sehne ziehen kann um mit den Füßen zu „greifen“. Komischerweise fand meine Mutter das gaaaar nicht lustig 😀

der kleine Tierfreund
Reply to  Big Al
10 Jahre zuvor

…wie sieht das denn aus… ! 😉

Lillsche
10 Jahre zuvor

Herzallerliebst! Das ist echt ein super Artikel. Man packt quasi jedes Geschenk noch mal mit dir aus, freut sich erst und dann sieht dann die anderen Kinder mit ihren Geschenken.

Zwar waren es bei mir keine Anziehsachen, aber bei Geburtstag am 21.12. waren es fast immer Kombigeschenke. Man freut sich als Kind zwar, aber wenn der Bruder im Juni zum Geburtstag eine Luftmatratze bekommt dann kann das Handtuch in den Lieblingsfarben (für die Aussteuer!) halt einfach nicht mithalten. Auch nicht, wenn noch eine Picknickdecke von Tchibo und ein paar Süßigkeiten im Geschenk versteckt sind.

Wir haben dieses Jahr alle gesagt, im nächsten Jahr gibt’s nichts mehr außer beisammen sein und gut essen. Aber an Heilig Abend wollte es dann doch niemand offiziell machen. Geschenke auspacken gehört einfach dazu. Und wenn es nur Kleinigkeiten sind.

In diesem Sinne… Einen guten Rutsch und vielen Dank für den Ausflug in dein Weihnachten sowie den kurzweiligen Blog.

Myanka
10 Jahre zuvor

Wunderschöne Geschichte! Meine Familie hat ein schönes Ritual zu Silvester: Wir treffen uns für unser spezielles Käsewürfelfondue und wenn wir keinen Käse mehr sehen können, dann wird gespielt; Kartenspiele, Gesellschaftsspiele, halt alles, was mit mit der ganzen Meute spielen kann. Das geht dann immer bis kurz vor Mitternacht. Anstoßen aufs Neue Jahr und Dinner for One gucken. Auch als kleines Kind war ich da immer schon dabei (bin mit Abstand das Nesthäkchen bei uns) und es war was Besonderes so lange aufbleiben zu dürfen, aber auch das Spielen ist schön. (Bloß nix mit Strategie – da überlegt mein Vater bei jeder Runde ne Viertelstunde und ich könnte ihn immer erwürgen, weil’s nicht weitergeht.) Zu Weihnachten ganz es dann manchmal eben Spiele – Geschenk an alle. Ich denke, meine Eltern hatten auch ein Stück weit ein Spielzeugdefizit in ihrer Kindheit und kompensieren das bis heute gerne. 😉 Aber bei uns gibt es durchaus auch Funktionales oder Kleidung als Geschenk – dann aber auf ausdrücklichen Wunsch und die Textilien als Sonderanfertigung, damit’s eben nicht kratzt. So habe… Weiterlesen »

10 Jahre zuvor

Danke für diesen Beitrag, es wurden bei mir Erinnerungen wach, als ich mit dem Abteilungsleiter eines Spielwarenfachgeschäftes auf dem Boden lag und wir Evel Knievel gespielt haben. Eigentlich wollte ich es als Kunde nur erklärt haben, doch der Chef hat es mir persönlich gezeigt, sicherlich weil er dabei großen Spaß hatte die Abschlußvorrichtung aufzubauen und Evel Knievel mit seinem Motorrad durch die Luft fliegen zu lassen. Ich musste nur die Landevorrichtung während des Fluges richtig positionieren. Wir haben damals über 60 Minuten im Geschäft am Boden gelegen und gespielt. Frauen sind über uns weg gestiefelt und sagten immer das Gleiche: „Typisch Mann.“

Mit dem Einzug der Konsolen in die Spielwarenfachgeschäfte haben diese ihren Flair von Damals verloren. Ich drücke nur noch meine Nase an die Schaufenster auf der Suche nach der Vergangenheit.

„Wer stirbt schon gerne unterm Tannenbaum“ wäre ein guter Buchtitel.

Der Psychologe
10 Jahre zuvor

Kaufsucht durch Kindheitstraumata.
Ein Schuß Geltungsbedürfnis ist auch nicht zu übersehen, manifestiert in diesem Blog und ausgelöst durch eine Carrerabahn; der Neid der Besitzlosen lässt grüßen.

Und genau deshalb wird nach der Kindheit gefragt, immer.
Und jeder meint, dass das damit nie etwas zu tun habe, jeder.

TineT.
Reply to  Der Psychologe
10 Jahre zuvor

So weit her scheint es ja mit deiner psychologischen Ausbildung nicht zu sein 🙂
Ob man aus einer Vorliebe für Spielzeug eine Kaufsucht diagnostizieren kann lasse ich einmal dahin gestellt. Aber die Tatsache, dass Tom seinen Blog über viele Jahre absolut anonym betrieben hat, spricht eher gegen ein Geltungsbedürfnis. Wenn ich das recht erinnere ist sogar sein erstes Buch unter dem Blognamen „Tom“ herausgekommen.
Dass die Kindheit uns prägt, ist eine Binsenwahrheit.

Coffin Corner
10 Jahre zuvor

Der Sinn von Bockwurst mit Kartoffelsalat liegt für mich darin, daß die Frau nicht den ganzen Tag in der Küche verbringen muss. So hat sie auch Zeit für die Familie.

Was mich an Weihnachten tatsächlich stört, ist, daß es tägliche Meldungen über die erfüllten oder nicht erfüllten „Umsatzerwartungen“ des Handels gibt. Der Verbraucher als Knecht der Händlerschaft, die Ihre „Erwartungen“ erfüllt sehen will. Der Handel befiehlt, wir haben zu folgen.

ingo
10 Jahre zuvor

Heiligabend ohne Kartoffelsalat und Würstchen? Das ist etwa so als würde jemand beichten dass seine Familie sich Weihnachten mit Fingerfarbe anmalt und 3 Tage zu Bongo-Klängen in einem Zelt im Keller wohnt – nichts worüber man sich aufregen müsste, aber trotzdem einfach bizarr 😉

10 Jahre zuvor

Ganz wunderbar, diese wahre Geschichte voller Erinnerungen, die auch zum Teil teile, obwohl ich später geboren bin. Aber genau, es hieß Apfelsinen und nicht Orangen. Außerdem mag ich auch gern Geschenke und Bescherung – auch in meinem Umfeld schenken sich viele nix (mehr) – ich aber kann mir Weihnachten ganz ohne Geschenke gar nicht vorstellen. Was macht man dann in der Zeit, wo sonst die Geschenke ausgepackt werden, wenn man nicht in die Kirche geht? Es muss für mich nix Teures oder Großes sein, Hauptsache von Herzen. Das mit dem Spielzeug-nicht-schenken find ich krass – allerdings ist der Sprung von Nützlichem zu *plötzlich* einer Carrerabahn dann wieder heftig. Die macht ja fast die zurückliegenden spielzeugfreien Jahre „gut“ – das sollte sie wahrscheinlich auch! Hast Du da nicht mal (im Nachhinein) gefragt, was plötzlich los ist? Ich habe auch schon oft festgestellt, dass wir als Kinder früher einfach so „mitgelaufen“ sind im normalen Alltag/Leben der Eltern. Es wurden wenig Extrawürste im alltäglichen Ablauf für uns gekocht/gedreht, aber meine Eltern haben sich doch schon auch Zeit genommen… Weiterlesen »

Smilla
10 Jahre zuvor

Oh, ich bin auch Kind geblieben, wie auch mein Mann und meine komplette Familie. Die Spielzeuge kann man sich zum Glück heute selber kaufen. Ich war heute in einem verschrobenen Pyrotechnikladen am Hafen und habe mich mit Raketen eingedeckt. Ich wollte die, „die wie eine Pusteblume“ aussehen, aber ich sah schon, das überforderte mein Gegenüber maßlos und so habe ich von jeder Packungsart eine genommen– ich freue mich schon aufs Abschießen! So große Raketen hatte ich jedenfalls noch nie, so dass ich schon etwas aufgeregt bin. 🙂 Das wird witzig. 🙂 Weihnachten habe ich auf zwei Arten verlebt, einmal die ätzende Variante, bei der man ausgefragt wird, Ratschläge bekommt, peinliches Schweigen herrscht. Ich hatte zum Glück einen Platz in einer Ecke und habe mich mit stark alkolholhaltigen Cocktails zum Schweigen gebracht und mich durch den Abend gerettet. Irgendwann war der Abend zum Glück vorbei. Eine Feier ohne Kinder, den meine wollte gar nicht erst mit und sonst gibt es keine. Dann bei meiner Familie, der kleinen und der großen, wo es völlig entspannt war. Wir… Weiterlesen »

Tinchen
10 Jahre zuvor

„Da entdeckte ich auf dem Dachboden eine große Seemannskiste, in der sich ein großer Teil meines Spielzeugs befand.“
Es gibt in diesem Blog maximal zwei Hände voll Stellen, die mich so berührt haben. Ich kann es vor mir sehen und schmecke die bittersüße Stimmung genau.

Petrus
10 Jahre zuvor

Vielen Dank für die schöne Weihnachtsgeschichte!
(Und zur Z-Eisenbahn habe ich mich schon an anderer Stelle geäußert 🙂 )

Elke ( Fännin )
Reply to  Petrus
10 Jahre zuvor

Merci!

Wolfram
10 Jahre zuvor

Spielkind sein muß sein!

Aber Eisenbahn in Z? Dazu sagt die Pfarrfrau: „das ist viel zu klein!“ Ich seh die ja kaum noch, und der Kater könnte mal so eine Schnellzuglok einatmen, ganz versehentlich… nee, H0 muß es sein.

Adriana
10 Jahre zuvor

Hallo Tom,

das hast Du wirklich schön erzählt! Da kommen auch bei mir einige Kindheitserinnerungen hoch, auch wenn ich in der glücklichen Position war, all` meine Spielsachen behalten und nutzen zu dürfen.

Die heutige Konsumgesellschaft finde ich gerade um Weihnachten herum schrecklich. Mein Verlobter und ich schenken uns grundsätzlich an Geburtstagen und an Weihnachten nichts. Wir holen uns immer das ganze Jahr über zwischendurch was dem anderen gefällt. Wir brauchen keinen besonderen Tag um an den anderen zu denken oder ihm was mitzubringen. Jeden Tag schätzen, nicht nur spezielle! 🙂

Dir ein frohes neues Jahr!

LG Adriana

Nobody
3 Monate zuvor

Hach ja, an die Geschichte erinner ich mich auch noch, damals war ich aber nur ganz stiller Leser… Was mir dazu einfällt, ja, auch mein Weihnachten war ähnlich strukturiert, nur bei den Geschenken gehöre ich zur spielzeugfraktion… bin aber mit meinen jetzt 40Jahren auch näher an der Konsumfraktion dran. Bei uns kam damals schon der neumodische Weihnachtsmann… Lego Technik etc. nun da wir selber bestimmen, kommt bei unseren Kindern wieder das Christkind… die Kirche ist gestrichen… das war nur folter, zumal die Institution Kirche heute viel Kritik verdient… heißt aber nicht das wir die allgemeinen Werte von Religion und oder auch glauben verteufeln… wir lieben es Weihnachten Geschenke für fremde Kinder zu packen… unsere Kinder sind getauft, besuchen den religionsunterricht, wir lassen in Urlauben kaum eine Kirche aus um kurz inne zu halten… aber wir machen eben das anders was uns damals „gestört“ hat… meine Mutter hat den Baum beinahe jedes Jahr in anderer Farbe geschmückt, ich nutze seit 15Jahren die gleiche deko… wir hatten keine Lichterbögen, jetzt haben wir 4… genau so ist es… Weiterlesen »




Rechtliches


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