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Zwei sind einer zu viel 3

Man ist ja hilflos in so einer Situation. Natürlich, Rechtsanwälte oder gar das Familiengericht könnten so etwas klären, aber das würde dauern und das würde bedeuten, daß sich die Bestattung verzögert.
Denn Frau Leuschner und Herr Wittrock haben sich, im Gegensatz zu Herrn Leuschner, schon länger mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, ihre Tochter Leonie könne bald sterben. Die Zeichen dafür standen schon seit einiger Zeit nicht gerade gut.
Es ist also so, um es noch einmal auseinander zu friemeln, daß Herr und Frau Leuschner die leiblichen Eltern von Leonie sind, Herr Leuschner aber seine Frau mit dem kleinen Kind sitzen ließ und zu einer anderen Frau gezogen ist. Es folgte die Scheidung und dann heiratete Herr Wittrock die junge Mutter und wurde rechtlich Leonies Stiefvater, für Leonie aber der einzige Papa und Vater den sie kannte.

Und wir als Bestatter stehen nun vor dem Problem, daß der leibliche Kindsvater Leuschner bei uns aufgetaucht ist und frech die Bestattung für ein Kind bestellt hat, das er gar nicht wirklich kannte und wozu er -unserer Meinung nach- auch gar nicht befugt war. Aber wenn jemand eine Geburtsurkunde vorlegt und wir meinen müssen, er handele berechtigterweise, dann kommen da auch keine Zweifel auf. Wir können uns ja nicht von jedem noch ein Scheidungsurteil oder so etwas zeigen lassen…
Gelernt haben wir aus der Situation, daß wir seit diesem Vorfall immer versucht haben, beide Elternteile anzuhören, um ganz sicher zu sein, daß da Einvernehmen besteht.

In diesem Fall kann aber davon nicht die Rede sein. Frau Leuschner und Herr Wittrock wollen eine Erdbestattung auf dem Kindergräberfeld des Hauptfriedhofs und natürlich eine große Trauerfeier, an der auch die Schulfreunde des Kindes und alle Onkel und Tanten teilnehmen können, wobei ein großer Teil der Familie von der Seite Wittrock stammt.

Auf Deutsch gesagt: Mir geht der Arsch auf Grundeis… Manni ist nicht zu erreichen und das tote Kind ist bereits im Krematorium. Auch dort geht die ganze Zeit keiner ans Telefon. Der Dicke mit der unvermeidlichen Zigarre, der dort den Papierkram macht und das winzige Büro ausfüllt, ist sowieso die halbe Zeit nicht zu erreichen, weil es ihm viel zu beschwerlich ist, zum Büro zurück zu watscheln, wenn das Telefon klingelt und er weiter als zehn Meter davon entfernt ist.

Leonies Mutter ist fast nicht zu beruhigen, ihr Mann hat alle Hände voll zu tun, sie zu beruhigen. Ein vernünftiges Gespräch ist auf dieser Basis nicht zu führen.
Vom großen Büro aus versuche ich Herrn Leuschner zu erreichen, der mir nur seine Handynummer da gelassen hat, erreiche aber nur eine arrogant klingende Mailboxfrauenstimme von seinem Netzbetreiber.
Ich bitte um dringenden Rückruf und wähle, vermutlich zum hundertsten Male Mannis Nummer.

Endlich!
Manni meldet sich. Ja gut, er hat die Situation sofort verstanden, aber leider, leider, das Krematorium hat inzwischen geschlossen, es besteht keine Möglichkeit, das tote Kind dort wieder abzuholen.
Er habe übrigens noch das Blumengesteck mit der Schleife im Wagen, wofür das denn gut gewesen sei, will er wissen. Ich weiß es auch nicht, normalerweise kommen auf Särge, die sofort ins Krematorium kommen, keine Blumen drauf, das wäre überflüssig.
Na ja, denke ich, dann müssen wir uns morgen sofort um die Abholung des Kindes kümmern, doch Manni sagt: „Und morgen früh kommt schon um kurz nach sieben der Arzt und danach äschern die ein, die haben viel zu tun.

Meine Güte, werden wir es schaffen, die Männer im Krematorium rechtzeitig davon zu überzeugen, daß nun alles anders kommt?
Und wird es dann dabei bleiben? Es ist ja immer noch nicht wirklich klar, wer da das Sagen hat.
Rein moralisch, so vom Bauch her, tendieren alle um mich herum zu der Auffassung, daß selbstverständlich die Mutter bestimmen kann, was mit Leonie passiert, weil sie sich ja um das Kind gekümmert hat.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als Frau Leuschner und Herrn Wittrock nach einer weiteren beruhigend wirkend sollenden Ansprache, in die ich meine ganze bärenhafte Gemütlichkeit lege, wieder nach Hause zu schicken. Ich werde an diesem Tag nichts mehr bewirken können, so viel steht fest.


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. September 2012 | Peter Wilhelm 19. September 2012

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Rotfuchsfelis
11 Jahre zuvor

Er tut es schon wieder … Tom ich hab keine fingernägel mehr, wie geht es weiter??? Ich hoff so sehr das die Eltern „ihre“ ihre Trauerfeier bekommen und nicht der Drecksack von Erzeuger. (Jede andere Beschreibung die im Kopf rum spuckt währe gelöscht wurden)

11 Jahre zuvor

Ich bin mir ja nicht ganz sicher und es wurd vielleicht schonmal gefragt… aber was ist mit Nathalie? Fehlt da nicht noch was?

Soe
11 Jahre zuvor

„…das der leibliche Kindsvater Wittrock…“ es sollte doch sicher Leuscher heißen, oder?

Ansonsten: Ich denke auch, dass es das Recht der Mutter ist. Wer nie da ist, sollte keine (entscheidende) Meinung dazu haben dürfen

Fensterputzer
11 Jahre zuvor

Morgen kommt der Arzt und es wird eingeäschert. Hehe da kommt aber ein Spannungsbogen rein unglaublich 😉

Muss Tom wohl ab 6 Uhr das Krematorium belagern….

Exilsaarländer
11 Jahre zuvor

Ich kenne Dich.
Alles wird Gut!
Du belagerst am Morgen das Krematorium, fängst den Arzt vor der Obduktion ab und verzögerst die Verbrennung bis eine allen gemeinsam entsprechende Lösung gefunden ist und am Ende gibt es ein alle zufrieden stehendes Happy-end.
Du aber mußt den verlohrenen Nachtschlaf nachholen.
Nenn Dich Held!

Michi
11 Jahre zuvor

Gott, ist das übel… Ich möchte da nicht in deiner Haut stecken.

Mal ne blöde Frage: Wenn Manni nicht erreichbar war, warum hast du nicht direkt im Krematorium angerufen? „Wir bringen euch gleich die Leonie Leuschner vorbei, stellt die bitte erstmal zurück, da gibts noch was zu klären“ oder so ähnlich…

whiskey
Reply to  Michi
11 Jahre zuvor

„… und das tote Kind ist bereits im Krematorium. Auch dort geht die ganze Zeit keiner ans Telefon. “

hat er doch.

Reply to  whiskey
11 Jahre zuvor

Hat er nachgetragen.

Michi
Reply to  Undertaker_TOM
11 Jahre zuvor

Ah ok, danke für den Nachtrag 🙂

11 Jahre zuvor

Um sechs Uhr vor dem Krematorium an der Tür festketten und warten bis der erste Hansel kommt. Kind rausziehen und wenn der nicht freiwillig rausrückt, drohen, ihn stattdessen zu kremieren 😉

Christian
11 Jahre zuvor

Bei welchem Netzbetreiber muss ich mich anmelden um eine arrogant klingende Mailboxfrauenstimme zu bekommen?

meine anderen 3 Gedanken beim lesen der Geschichte sind schon ausgesprochen worden.
( – leibliche Kindsvater Wittrock
– warum nicht im Krematorium angerufen
– Natalie)




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