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Das letzte Bein hat keine Taschen

Fehler von Sprachwahrer Michael beseitigt

Herr Ottendorfer hat nur ein Bein. Huber sagt flaspig, da sei dann eben auch weniger Asche in der Urne. Ich runzele die Stirn, kann Huber aber nicht böse sein, er kannte den alten Ottendorfer persönlich und erzählt mir dann wie er sein Bein verloren hatte.

„Das hat der nämlich nicht an der Front verloren, wie er immer erzählt hat. Alles Schwindel! Der Ottendorfer ist nämlich ein Schulkamerad von meiner Mutter gewesen und die hat mir das alles ganz genau erzählt. An der Front war der jedenfalls nie!“

Während und auch nach dem Krieg war Ottendorfer einer der wenigen, die als Fettauge oben auf der Suppe schwammen. Als Obst- und Gemüsebauer hatte er immer genug im Keller, um sich während der schlechten Zeit gesund zu tauschen.

„Dem war kein Geschäft zu schäbig und zu krumm, als daß er es nicht gemacht hätte. Je schlechter es den anderen ging, umso dicker waren seine Taschen. Oft genug hat der auch schwarz geschlachtet und für einen Becher Fett oder ein Stück Speck haben die Leute ihren ganzen Goldschmuck hergegeben.“

Es heißt, so sagt Huber, der Ottendorfer sei nur deshalb nicht an die Front gekommen, weil er sich schon frühzeitig der Gunst diverser Stellen versichert habe. Nach der Kapitulation hatte er es aber dann auch flugs wieder verstanden quasi als Widerstandskämpfer dazustehen.

„Zuerst hat er die Nazibonzen beliefert, immer ganze Lastwagen voll Gemüse für die braunen Herren und kaum waren die Amis da, durfte der als Einziger im Ort seinen Lastwagen behalten und hat dann das Headquarter beliefert. Ich sag‘ ja, ein richtiges Fettauge!“

Eines Abends war Ottendorfer ins Hinterland gefahren, um eine tote Sau bei einem Landbauern abzuholen. Die wollte er dann ohne die erforderliche Genehmigung zerteilen und zu Wurst und Fleisch verarbeiten und teuer verkaufen. Mit Kohl und Spinat soll er die Sau auf der offenen Pritsche seines Lastwagens abgedeckt haben, als er auf der Landstraße von einer Kontrolle der amerikanischen Besatzer aufgehalten wurde.

Mit einer Eisenstange stocherte einer der beiden Soldaten in der Ladung herum und Ottendorfer soll Blut und Wasser geschwitzt haben. Dann besann er sich, rief die Soldaten zu sich und sagte nur: „Schnaps“ zu ihnen, griff hinter den Beifahrersitz und reichte den GIs eine Flasche Korn hinaus. Die grinsten ihn an, machten mit ihren Maschinenpistolen eine Bewegung, die Ottendorfer als Erlaubnis zum Verschwinden erkannte und er haute den Gang rein und fuhr so schnell er konnte los.

Leider war er nicht schnell genug, denn die beiden Soldaten warteten nicht lange und nahmen gleich einen ordentlichen Schluck aus der Flasche. Ja und in die hatte der alte Ganove Wasser gefüllt.
Sein Bein fiel dann einer Salve aus einer der Maschinenpistolen zum Opfer.

„Aber wenn Sie meinen, das habe den Ottendorfer zur Besinnung kommen lassen, dann täuschen Sie sich“, erzählt Huber weiter. „Der krumme Hund hat sich ein Holzbein anfertigen lassen, das innen hohl war. Ein vorzügliches Versteck für alles Mögliche, was er so auf dem Schwarzmarkt vertickt hat.“

Ich habe sein Holzbein nicht gesehen, er war ohne Prothese zu uns gebracht worden. Wahrscheinlich hatte er auch kein solches hohles Bein mehr, die Zeiten haben sich ja geändert. Aber eins ist gewiss: Das letzte Hemd hat keine Taschen und auch ein hohles Bein hilft einem da nicht weiter.


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 17. November 2015 | Peter Wilhelm 17. November 2015

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16 Jahre zuvor

allein schon derName Ottendorfer…

16 Jahre zuvor

Das bringt mich doch schnell mal auf eine Frage:

Was passiert eigentlich mit menschlichen Körperteilen deren Besitzer nicht tot ist? Sprich mit amputierten Körperteilen?

Werden die irgendwie gesondert entsorgt? Kommen die 1x die Woche zusammen ins Krematorium und werden verstreut?

Imelda
16 Jahre zuvor

Klinikmüll.

Anke
16 Jahre zuvor

@Imelda: Und von da aus? Ist das sowas wie die schwarze Tonne und wird auf der Deponie verbrannt?

16 Jahre zuvor

Ich zitiere da mal was

….AS 18 01 02 – Körperteile und Organe, einschließlich Blutbeutel und Blutkonserven (außer 18 01 03*)
Körperteile und Organabfälle, einschließlich mit Blut oder flüssigen Blutprodukten gefüllte Behältnisse (z.B. nicht zum Einsatz gekommene Blutkonserven) sind bereits am Anfallort getrennt zu erfassen und einer gesonderten Beseitigung (zugelassene Verbrennungsanlage) ohne vorherige Vermischung mit Siedlungsabfällen zuzuführen. Die Abfälle sind in geeigneten, sicher verschlossenen Behältnissen (vgl. Nr. 6.2.2 der Ta Abfall ) zur zentralen innerbetrieblichen Lager- und Übergabestelle zu befördern und zur Abholung bereitzustellen. Ein Umfüllen oder Sortieren der Abfälle ist nicht zulässig. Einzelne mit Blut oder flüssigen Blutprodukten gefüllte Behältnisse können unter Beachtung von hygienischen und infektionspräventiven Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes (in dafür vorgesehene Ausgüsse) entleert werden. Der Inhalt kann unter Beachtung wasserwirtschaftlicher Vorgaben (kommunale Abwassersatzung) dem Abwasser zugeführt werden…..

Weiter lesen kann man hier http://www.umwelt-online.de/recht/abfall/laga/krkh_ges.htm

16 Jahre zuvor

Der Ottendorfer scheint mit Leib und Seele Geschäfte gemacht zu haben und mutig muss er auch gewesen sein.

16 Jahre zuvor

Ich frage mich nur, wenn „Orte, Namen, Berufe und Handlungszeiten frei erfunden“ sind, sind dann in dieser Geschichte nur die Namen geändert oder ist die gesamte Geschichte frei erfunden? Angehörige, die das lesen, wissen doch sonst sofort, um wen es geht.

Nicht falsch verstehen – ich werfe Dir nicht vor, hier Fakes zu veröffentlichen, wills nur mal für mein Verständnis geklärt haben.

martin
16 Jahre zuvor

das ist eigentlich zu gut um es erfunden zu haben!

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Solche Leute gab es überall in Stadt und über Land. Da waren es eben keine Amis sondern Franzosen. Es war nicht das Bein. Es war der Arm. Mann, der Typ war Kaufmann mit Leib und Seele.

Es gibt 10 Gebote. Eines davon befasst sich mit dem Neid.
Es gab schon in der Zeit von 1933-45 private, alteingesessene Bestatter. Die haben auch Verstorbene beerdigt. Auch die, die dem damaligen politischen Lager nahe standen. Und dann änderten sich die Zeiten und flugs kamen sie aus ihren Löchern heraus. Bei den Amis hatten sie schnell einen Stein im Brett. Schließlich hatten sie ja 12 Jahre lang Na_zis beseitigt äh begraben.
Man könnte sie da irgendwie dem Widerstand zurechnen?
Immerhin, nun beerdigten sie die anständigen Toten. Und schwammen als Fettauge schon wieder ganz oben auf der Suppe. So als wenn nichts gewesen wäre. Während andere Berufe noch um ihre Existenz kämpften.

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Und ausserdem find ich die Story mit den Amis und dem Schweineschmuggel viel geiler als so ne Kriegsberichterstattung. Herr Ottendorfer ist nicht negativ, er ist ein bestandteil der Geschchte. Mein Stiefvater (Jahrgang 33)bekam mal von den Franzosen tatsächlich auf der strasse den Arsch versohlt, als er mit einem Freund ein Wagenrad Käse aus dem Proviantamt geklaut hat und hinter dem Bahnhof Donaueschingen von einer Gruppe Soldaten erwischt wurde. Jedesmal, wenn der Schlager:“ Wer hat denn den Käse zum Bahnhof gerollt?“ im Radio kam, hat er es mir wieder erzählt.

Hanš
16 Jahre zuvor

Bäääh, was für eine unsympathische Gestalt. Ein richtiges Fähnlein im Winde.

Sonst kommt so ein Typ Mensch auch noch immer wieder mit seinen windigen Aktionen durch, da löst das abgeschossene Bein richtig ein inneres Grinsen in mir aus – sorry. =)

Wittmann
16 Jahre zuvor

So ist das Leben … bzw. in dem Fall wäre wohl „So war das Leben“ zutreffender …

Fettaugen gibts überall, auch wenn man es nicht mag, aber Fettaugen braucht man auch für eine schmackhafte Suppe …

pizzablog
16 Jahre zuvor

Manche Leute scheinen ja die Art und Weise wie der Herr Ottendorfer sein Leben gelebt habt, für bewundernswert zu halten. Mit Leib und Seele Kaufmann, ha, ha und mutig war der Typ.

Also, es tut mir leid. Aber wer für ein Stück Schlachtabfall in Hungerzeiten den weniger glücklichen Menschen alles nimmt, was sie noch haben inklusive dem letzten bisschen Würde, dann habe ich dafür andere Worte. Das hat nichts mit Neid zu tun, sondern damit sich selbst selbst jeden Morgen im Spiegel ansehen zu müssen.

Lobeshymnen auf ach so tolles Unternehmertum hat der jedenfalls nicht verdient.




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