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Geschichten

Der Zipfel muss weg -8-

die nase eines mannes

Die nächsten Tage vergingen für Herrn Pütz recht schnell. Im Anfangsstadium seiner Nasensichtigkeit hatte er doch recht viel Zeit darauf verwendet, sich um sein gesundheitliches Wohlergehen zu kümmern. Dabei waren einige wichtigen Dinge im häuslichen Bereich vernachlässigt worden. So wartete beispielsweise sein geliebter gelber Kanarienvogel Pitti auf eine neue Ladung Vogelsand, die Herr Pütz vorher sorgfältig über der ausgebreiteten Zeitung vom Vortag aussiebte.

Es galt, die gröberen Sandkörner zu entfernen, da, wie Herr Pütz fest glaubte, Pitti empfindliche Fußsohlen hatte. ‚Haben Vögel überhaupt Fußsohlen?‘, rätselte Pütz gerade, als sein Blick auf eine Anzeige ganz rechts am Rand der ausgebreiteten Zeitung fiel:


Nasensichtig?
Wir helfen!
Kaufen Sie Nasolab,
die Binde, die Ihr Leben
verändern wird!

Und darunter war genau so eine Binde abgebildet, wie er sich knapp eine Woche zuvor gekauft hatte.
‚Oh‘, dachte er: ‚Es gibt also doch noch viel mehr Menschen, die wie ich dem Tode geweiht sind. Es ist also doch etwas dran an meiner Vermutung, daß die Nasensichtigkeit ein ernstzunehmendes Problem ist, daß nicht nur bei Nichtbehandlung unweigerlich fatale Folgen haben wird, sondern das auch allgemein geheim gehalten und dem allgemeinen Wissen entzogen worden ist. Bis jetzt!‘

Der Türke, der mit einem winzigen Schraubenzieher an einem zerlegten Mobiltelefon herumschraubte, würdigte Herrn Pütz zunächst keines Blickes.
Der kleine Mann mit der Binde um die Nase trat von einem Bein aufs andere, hatte ja schon laut und deutlich ‚Guten Morgen‘ gesagt, als er das Geschäft des Kleinasiaten betreten hatte. Doch der Handyschrauber, der auch das Kopieren von Dokumenten und das Anfertigen von bedruckten T-Shirts und Kappen zu seinen Dienstleistungen zählte, sprach nur Unverständliches in einer Sprache, die wohl Türkisch war.

Dabei blickte er an Herrn Pütz vorbei, redete unablässig, machte hin und wieder eine Pause und redete dann weiter. Unwillkürlich schaute Pütz sich um, ob nicht hinter ihm jemand stand. Doch da war niemand. Erst da fiel ihm auf, daß der Schrauber ein kleines schwach blau blinkendes Gerät in seinem rechten Ohr stecken hatte.
Offensichtlich war das so etwas, wie ein winziges Telefon. Ja, so war es, eine Sekunde später griff der Mann sich ans Ohr, wechselte von Türkisch zum Deutschen und fragte seinen Kunden ausführlich nach seinen Wünschen: „Was?“

„Ich möchte mir ein Hemd bedrucken lassen.“

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 8. April 2016 | Peter Wilhelm 8. April 2016

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Hella
7 Jahre zuvor

Genial geschrieben. Was für eine herrliche kleine Alltagssatire. Ich freu mich schon darauf, wie’s weitergeht!

Thomas Wallner
7 Jahre zuvor

> Ich freu mich schon darauf, wie’s weitergeht!

Wieso „wie’s weitergeht“? Die Geschichte ist doch jetzt fertig, nicht wahr?
Beste Grüße
Thomas

Llu
Reply to  Thomas Wallner
7 Jahre zuvor

@Thomas Wallner:

Neeneeee!

glückauf
7 Jahre zuvor

Der Werber spricht davon einen „Need“ zu createn. Bedürfnisse schafen durch Z.b. erfinden einer neuen Krankheit. Granufink gegen Prostatabeschwerden gibt’s jetzt auch für Frauen und Tebonin hilft jetzt auch gegen Tinitus.




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