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Sittenstrolch

Fehler durch Lektorin Alexandra bereinigt.

„Du Strolch! Du elender Betrüger! Alte Frauen belästigen! Betrüger, Strolch, Lump!“

So schallte es gestern am späten Nachmittag über den Ostfriedhof. Begleitet waren die Rufe von folgender Szene:

Oma Schnurrer treibt den Friedhofsverwalter vor sich her, der in gebückter Haltung, die Hände schützend über den Kopf gelegt, den Attacken der Alten ausweicht. Doch sie haut immer wieder mit ihrem Einkaufsnetz zu und zetert lautstark hinter dem Flüchtenden her.

Was war geschehen?

Friedhofsverwalter Kunzelgruber ist ein ehrlicher und frommer Mann, hat immerhin sechs Kinder und betrachtet sein kleines Büro auf dem Ostfriedhof als Refugium der Ruhe. Er hält seinen Friedhof sauber, frei von Herumlungernden, rollerfahrenden „Kids“ und kampfhundausführenden Zopfträgern und Glatzköpfen.

Vor Monaten präsentierte er mir stolz seine neueste Errungenschaft, die sogar in der lokalen Presse Erwähnung fand. Im Bekanntenkreis hatte er ausgemusterte Handys eingesammelt, diese mit billigen 5-Euro-Prepaidkarten ausgestattet und alle Rufnummern, außer seiner eigenen, gesperrt. Gegen Abgabe des Personalausweises als Pfand können ältere Friedhofsbesucher so ein Handy von ihm bekommen und brauchen im Falle einer Belästigung oder wenn sie eine bedrohliche Beobachtung machen, nur eine Taste zu drücken und Kunzelgruber kann dann mit seinem grünen Elektromobil zur Hilfe eilen.

Klasse Idee, auch wenn Kunzelgruber das nicht selbst erfunden, sondern von großen Friedhöfen abgekupfert hat. Aber immerhin: Er tut was.

Gestern ist er aber an die Falsche geraten. Oma Schnurrer ist nämlich mißtrauisch. Seit ihr vor drei Jahren ein Gauner 2.000 Euro abgeschwatzt hat, indem er behauptete, er käme von der Bank und müsse das Geld zur Überprüfung mitnehmen, weil soviel Falschgeld im Umlauf sei, schaut sich Frau Schnurrer jede nur erdenkliche Sendung an, in der vor solchen Trickbetrügern gewarnt wird.

Tja, und nun kommt Kunzelgruber und will von Oma Schnurrer ihren Ausweis; und dann will er ihr auch noch ein Handy andrehen; und dann sagt er auch noch was von „Prepaidkarte“ und kostenlosem Service. Genau auf so einen Typen, der ihr den Ausweis abnehmen und ein Handy aufschwatzen will, hat Oma Schnurrer gewartet.

Etwa zehn Minuten hat sie den armen Mann traktiert, bis ihm endlich andere Friedhofsbesucher zur Hilfe eilen und die schimpfende Alte beruhigen konnten.

Vielleicht wäre das alles nicht passiert, wenn Kunzelgruber seine grüne Arbeitsuniform angehabt hätte, aber ausgerechnet gestern hatte er sich wegen der Hitze für eine kurze Hose und ein leichtes Hemd entschieden.

Glücklicherweise ist ihm nicht wirklich etwas passiert und so richtig böse kann er auf Oma Schnurrer auch nicht sein.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 6. März 2016 | Peter Wilhelm 6. März 2016

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15 Jahre zuvor

@ „Gegen Abgabe des Personalausweises als Pfand“:

… das ist pöse:

[1] „Der Personalausweis ist Eigentum der Bundesrepublik Deutschland.“ (§ 1 Abs. 7 S. 2 PersAuswG)

[2] „Mit der Regelung des Absatzes 7 soll Mißbräuchen, z. B.
Verpfändungen des Personalausweises, vorgebeugt werden.“ (http://www.parldok.brandenburg.de/parladoku//w1/drs/ab_2500/2521.pdf – die Quelle bezieht sich auf das entsprechende Landesgesetz, in dem aber auch nix anderes drinsteht als im Bundesgesetz)

Ergänzend hierzu: http://dejure.org/gesetze/BGB/1207.html

aga80
15 Jahre zuvor

Ja irgendwie kann einem dieser Mann schon Leid tun.

Aber ein Grinsen kann ich mir trotzdem nicht verkneifen.

Rupert
15 Jahre zuvor

Hmm … so einfach kommt man an 2.000€ … *snif*

Kerstin
15 Jahre zuvor

*g* Verregneter Tag, in den Sonnenschein gebracht wurde.
Ich hock hier und stell mir vor, wie eine nette ältere Dame mit Wasserwelle hinter einem völlig verzweifelten ebenso älteren Herrn hinterherrennt und ihm eins mit dem Regenschirm überbügelt. 😉

Und dann der völlig verdatterte Gesichtsausdruck vom Friedhofsverwalter… „isch han et doch nur jut jemeint…“

😉

15 Jahre zuvor

vielleicht sollte er seine tolle Errungenschaft irgendwo am Eingang in [b]großen, GUT lesbaren[/b] Lettern kundtun, dann rühren sich die alten Leut schon von allein – und Verwechslungsgefahr wär ausgeschlossen.

cu, w0lf.

Tobias
15 Jahre zuvor

Gut dass die Oma nicht diesen Regenschirm dabei hatte:
http://blog.wired.com/gadgets/2008/07/unbreakable-fig.html

15 Jahre zuvor

Auf die Dame kann Kunzelgruber sicher nicht böse sein. Wohl aber auf das Wetter. Ohne diesen unsäglichen Klimawandel und den steigenden Temperaturen wäre das alles nicht passiert…
Ansonsten: Respekt, Frau Schnurrer! Ihnen kommt so schnell keiner mehr blöd…

Mac Kaber
15 Jahre zuvor

Soviel ich weiß, ist Ausweis als Pfand behalten nicht erlaubt.

eine ähnliche Geschichte erlebte ich vor 37 Jahren. Ich war neu in Stuttgart und ging das erste mal über das Volksfest. Es war später Abend, viele Menschen und eine hochbetagte, groß gewachsene, hagere Frau drehte tränenüberströmt verzweifelt immer dieselbe Runde um ein paar Fahrgeschäfte. Bestimmt findet sie nicht mehr heraus und kein Aas hilft ihr. Alle gucken bloß blöd. Da schlug zuerst das Helfersyndrom bei mir zu, und als ich die Frau ansprach, ob ich ihr helfen könne dass sie heimkomme, schlug sie zu! Mit der harten Handtasche fiel sie schreiend und keifend über mich her, und ich konnte jetzt froh sein, dass die Leute, die aufmerksam wurden, weiterhin teilnahmslos blieben und nur lachten. Sie hätten mich ja auch als Handtaschenräuber lynchen können. Zum Glück kamen dann bald einige Meter weiter zwei Polizisten des Weges, die sich dann der Frau annahmen.

Kempeth
15 Jahre zuvor

[quote=Tobias]Gut dass die Oma nicht diesen Regenschirm dabei hatte:
http://blog.wired.com/gadgets/2008/07/unbreakable-fig.html%5B/quote%5D
So geil! Ich will so’n Ding! Nicht unbedingt wegen der Selbstverteidigung aber ich hab‘ die Tendenz Schirme zu verbiegen. So einer dürfte etwas länger halten…

Preacher
15 Jahre zuvor

Die Geschichte mit der Oma ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Gesellschaft ausreichend sensibilisiert wurde. Wenn es so weiter geht, haben es die Kriminellen aber ganz schwer.
Gut, dass Herr Kunzelgruber den Besuchern keine Gas-Pistolen zur Selbstverteidigung ausleiht.




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