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Urne daheim – Zoff um den Bembel – Wenn ein Angehöriger die Urne beschlagnahmt -Teil 4-

Tja, in diesem Fall kam es, wie es kommen mußte.
Martina M. erhielt die Urne.

Die Urnenaushändigerin hatte sich den Weg übers Ausland zwar komplett gespart, denn einen Nachweis über die „Ausfuhr“ muß sie regelmäßig nicht erbingen. Es genügt der Anschein.
Jedoch hatte sie für ihre Bemühungen rund 230 € kassiert. 230 € für ein Fax und 10 Minuten Weg mit dem Auto. Stolz hatte sie Martina M. erzählt, das mache sie zig mal in der Woche und habe es schon tausende von Malen getan. Arm bleibt man da nicht…

Zwischen Martina M., der offziellen Ehefrau des zur Asche gewordenen Harry, und der gemeinsamen Tochter Petra entbrannte nur Streit Nummer 1.
Petra sah es nicht ein, daß ihre Mutter „diesem Arsch, der nie Unterhalt gezahlt hat“ nun eine postmortale Heimstätte bot.
Streit Nummer 2 entbrannte, wie könnte es anders sein, zwischen Harry M.’s Familie, bestehend aus Klara und seinen 3 Kindern.

Denn für Klara und die Kinder war Harry eines Tages morgens zur Arbeit gefahren und ist nie wieder nach Hause gekommen.
Weder der Bestatter, noch das Friedhofsamt hatten ihr Auskunft erteilt, Martina hatte jede Kontaktaufnahme abgeblockt, und so kam Harry in „den Bembel“, wie Martina zu sagen pflegt, und war seiner Familie entzogen.
Für Martina war das keine Trauerarbeit an einem Menschen, den sie immer noch liebte. Nein, für sie war das eine willkommene Gelegenheit, um spät aber wirkungsvoll Rache an „der Neuen“ zu nehmen, die ihr den Mann weggenommen hatte, vor über 30 Jahren.


Ein anderer Fall kam mir erst vorletzte Woche auf den Tisch:

Hochbetagt verstarb eine Unternehmerswitwe aus Böblingen. Eigentlich hätte sie ihre letzte Ruhe in der Familiengruft der Maschinenbaudynastie finden sollen, in die sie vor über 60 Jahren eingeheiratet hatte.
Doch nach der Trauerfeier mit dem Sarg und der Einäscherung blieb die Urne verschwunden.

Der Bestatter hatte den Weg über die Niederlande gewählt und auftragsgemäß die Urne an eine Enkelin der Verstorbenen ausgehändigt. Sie war stellvertretend für alle als Auftraggeberin und Ansprechpartnerin der Familie zu seiner Kundin geworden.
Arglos hatte er der Aussage geglaubt, das sei so Wunsch der Familie und die Oma solle im Garten ihrer Villa verstreut werden.

Nichts da! Die Enkelin behielt die Urne für sich, ihre drei Geschwister, darunter auch der heutige Unternehmensleiter, gucken in die Röhre.

Ein alter Erbstreit um die Unternehmensnachfolge war der Auslöser für diese Racheaktion.
Wo die Urne sich befindet, ist bis heute unklar.


Das mögen zwei drastische Fälle sein, aber es geht auch eine Nummer kleiner:

Opa Simmerath hing sehr an seiner Martha. Als diese verstarb, ließ er sich die Urne von einem Urnenbesorger aushändigen.
Dafür mußte er an diesen 790 € bezahlen.
Eigentlich wollte der Opa die Asche in Bayern in den Königssee kippen. Dort hatte es Martha immer so gut gefallen.
Aber letztlich fehlten dem alten Mann die Kräfte zu dieser Reise.
So blieb die Urne im Schlafzimmer auf dem Schrank stehen, bis er selbst zwei Jahre später das Zeitliche segnete.
Ein Neffe übernahm als einziger Verwandter die Wohnungsauflösung. Dabei stieß er auch auf die Urne. Für ihn ein sehr makaberer Fund.
Was tun? Der Neffe brachte die Urne zur Friedhofsverwaltung.
Dort staunte man nicht schlecht und versprach, sich der Sache anzunehmen.

Zwei Wochen später hatte man sich der Sache angenommen, die Urne auf dem Südfriedhof anonym beigesetzt und dem Neffen eine Rechnung über 567,- € geschickt.

Fazit:

Die Urne daheim ist keinesfalls der innigste Wunsch eines Großteils der Bevölkerung.
Für diejenigen, die das möchten, gibt es bereits gangbare Wege.
Es gibt gute Gründe, die Aushändigung einer Urna an eine Person skeptisch zu sehen.

Branche / Kommune

Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 22. November 2017

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6 Jahre zuvor

Urne zu Hause: und wenn, möge das mit allen Beteiligten besprochen werden.Denkbar ist dann auch:jeder Beteiligter darf dann mal die Urne beherbergen? Wäre das nicht ein Model, über das man nachdenken sollte? Das Drumherum um Tod,Sterben,Bestattung: was scheint mir mit den Jahren immer teurer zu werden, wer kann sich das noch erlauben? Und ein einfaches Sozialgrab, möchte man das haben? Urne zu Hause stelle ich mir „angenehmer“ vor, wie gesagt: jeder darf mal gucken kommen, ob es die Urne noch gibt,sind doch alte Streitigkeiten, die man auf bösartige Weise an einer Urne austobt,wie hier geschildert.. So eine hübsche Überurne (?) sieht auf alle Fälle besser aus, als die Vorstellung: vergängliche Urne mitsamt Totenasche: alles vorbei, wenn nicht (zum Glück!) gute und sehr wertvolle Erinnerungen bleiben würden. Aber wie zu lesen: vielen Nachfahren genügt das leider nicht..Ich bedauere,das meine Eltern eine billige Idee wählten:anonymer Platz, um uns nicht nach dem Tod zur Last zu fallen.Heute stehe ich vor anderen, sehr schönen Grabsteinen, wünsche mir,meine Eltern hätten etwas anders entschieden!

Linchen
6 Jahre zuvor

Meinem Empfinden nach, sollte es ein Grab (Sarg oder Urne) geben, das MIT Namen versehen ist. Egal ob auf großem Grabstein, Kreuz oder von mir aus auch im Postkartenformat.
Für mich ist es schlimm, wenn Menschen sterben und dann einfach so verschwinden. Manchmal ohne Trauerfeier und ohne Grabstätte.

Wenn immer mehr Menschen in der Urne daheim ruhen, dann frage ich mich, was wohl der Entrümpler in ein paar Jahren damit machen wird…..

Grüße Linchen

Linchen
Reply to  Peter Wilhelm
6 Jahre zuvor

@Peter Wilhelm:
Ja, ich weiß inzwischen wie es sich anfühlt, wenn Leute auf die „anonyme Tour“ verschwinden.

Es gibt inzwischen genug Bestattungsarten, bei denen keine Arbeit anfällt und man trotzdem eine ganz genaue Anlaufstelle hat.
Für mich muss einfach ein Name direkt am Grab sein.

Grüße Linchen

Erika
6 Jahre zuvor

Gut zu wissen. Vielen Dank für die Fallschilderungen.
Ich bin der Meinung, dass man Verstorbene auf dem Friedhof ruhen lassen sollte.
Wer keinen Bezug zu Grab und Friedhof hat, kann ja was Anonymes nehmen.

Veria
6 Jahre zuvor

Ich bin eine von denen, die das mal wollen wird. Ich will nicht, dass ich mal auf einem Friedhof/Friedwald/wasauchimmer lande (und das Meer ist für Bergbewohner wie mich auch kein passendes Ziel), sondern pur im Garten verstreut oder vergraben werde. Ohne Urne. So wie die Katzen auch irgendwann – da kriegt man die Urne nämlich ohne Theater und am Stück vergraben darf man die Miezen auch, wenn man will, sind klein genug.

Bernd
6 Jahre zuvor

Ich glaube auch, dass es sehr sinnvoll sienkann, einen Platz zum trauern zu haben. Nicht nur für die Angehörigen, sondern wie oben erwähnt, für Kollegen, Freunde, Schulkameraden.

Aber muss dort auch der Körper oder die Asche sein?

Lischen
6 Jahre zuvor

Ich kenne das hier in Wien ganz anders.
Ich selbst arbeite bei einer Bestattung und bei uns wird die Urne oft mit nach Hause genommen. Vielen, vor allem älteren Herrschaften, ist es oft sehr wichtig die Asche nahe bei sich zu haben, vor allem wenn der Tod plötzlich und unerwartet eingetreten ist.
Hier in Wien ist es auch eine eher kostengünstige Variante weil die Kosten für den Friedhof, die Grabverlängerung usw wegfallen. Es kommen lediglich die Kosten für den Bescheid „Bewilligung zur Privatbegräbnisstätte“ hinzu. Den stellt das Magistrat aus. Hierfür benötigt man zwar einige Einverständniserklärungen von Kinder, Eltern, und Ehepartnern. der Hausverwaltung oder einen Grundbuchsauszug. Aber alles in allem ist es hierzulande sehr einfach und auch oft genutzt eine Urne mit nach Hause zu nehmen.

Thomas
6 Jahre zuvor

Auch wenn man es sich zunächst nicht vorzustellen vermag: nach dem Verlust eines nahen Menschen geht das Leben (meistens) weiter. Dazu kann auch eine neue Partnerschaft gehören. Spätestens dann könnte es zu geteilten Meinungen über den Verbleib der Überreste des vorherigen Partners in der Schrankwand kommen. Wandert die Urne dann klammheimlich in die Rumpelkammer?

MK
6 Jahre zuvor

Was ich an einem (Urnen)grab charmant finde ist die Idee, dass mein Körper irgendwann VERGANGEN ist. Das Grab bleibt freilich erhalten, aber eben auch nur solange es verlängert und gepflegt wird – sprich solange irgendjemand sich aktiv dafür einsetzt. Aber wie ist das mit einer Urne die z.B. an meine Frau und meine Kinder ausgehändigt wird? Meine direkten Nachkommen werden die Urne in Ehre halten – da bin ich mir sicher. Aber nach 1-2 Generationen kommt der Punkt an dem die Erinnerung verblasst. Die neue Frau meines Ur-Enkels findest das Ding gruselig – man will den häßlichen alten Pott irgedwie loswerden. Was passiert dann? Im idealen Fall wird meine Asche pietätvoll im Garten oder auf dem Friedhof beigesetzt, im weniger idealen Fall landet sie einfach im Müll. Und vieleicht findet es ja mein pubertierender Ur-Urenkel cool sie heimlich wieder aus der Tonne zu fischen, damit bei seien Grufti-Kumpels anzugeben, oder meine Asche besoffen bei irgendwelchen Parties als Mutprobe durch die Nase zu ziehen… Mein Körper gehört mir und ist unveräußerlich. Das sollte auch nach dem… Weiterlesen »

6 Jahre zuvor

Unserer Auffassung nach sollten die Bestattungsgesetze der Länder in der Weise verändert werden, dass die Urne (nur!) bei entsprechendem nachweisbaren Willen des Verstorbenen an die Angehörigen herausgegeben werden. Denn es sollte jedem selbst überlassen sein, inwiefern er seinen Angehörigen einen vernünftigen Umgang mit der Urne zutraut.

Das Argument, dass dann andere von der Trauer ausgeschlossen werden – was übrigens je nach Aufbewahrer und Wünschen des Verstorbenen auch im Privatbereich nicht unbedingt der Fall sein muss – finden wir nicht überzeugend. Zwar ist es an sich schön und für eine Mehrzahl gut, wenn an einem öffentlichen Ort die Trauer ermöglicht wird. Aber ich kann mein Leben lang entscheiden, wer, wie oft und ob mich jemand überhaupt besuchen darf. Weshalb soll dieses Recht mit dem Tod enden? Es kann sehr nachvollziehbare Gründe geben, nicht jedem den Zugang zu meinem Grab zu gewähren. Dass den Menschen diese Möglichkeit nach der aktuellen Rechtslage genommen wird, halten wir für eine unangemessene Bevormundung.

Mit dem Argument der fehlenden Öffentlichkeit müsste man im Übrigen auch anonyme Beisetzungen verbieten.

Reply to  Peter Wilhelm
6 Jahre zuvor

@Peter Wilhelm: Hallo Herr Wilhelm, herzlichen Dank für die ausführliche Antwort! Darüber, ob der Wille des Verstorbenen oder der der Angehörigen im Einzelnen höher zu bewerten ist, kann man sicherlich streiten. Nach derzeitiger Rechtslage ist es jedoch so, dass man zu Lebzeiten einen Totensorgeberechtigten bestimmen darf, der die eigenen Wünsche umsetzt, ja umzusetzen hat. Man kann dabei die (oder einzelne) Angehörigen sogar von der Totensorge insgesamt ausschließen. Auch heißt es z.B. in § 12 Abs. BestG NRW: „Die Bestattung kann als Erdbestattung oder als Feuerbestattung vorgenommen werden. Art und Ort der Bestattung richten sich, soweit möglich, nach dem Willen der Verstorbenen, wenn sie das 14. Lebensjahr vollendet hatten und nicht geschäftsunfähig waren.“ Dies sollte meines Erachtens beibehalten werden.

Nanny Ogg
6 Jahre zuvor

Für mich ist der Körper nur eine Hülle, daher bringt mir ein Friedhofsbesuch nichts. Trauern kann ich an anderen Orten sehr viel besser. Daher habe ich meinen Kindern bereits gesagt, was sie später mal mit anstellen sollen, sofern es dann möglich ist.

Was das gruseln über „Asche im Garten“ angeht – da wird nach Jahren vermutlich nicht mehr viel als Asche zu finden/identifizierbar sein.

Melancholia
6 Jahre zuvor

Lieber Peter,
herzlichen Dank für die ausführliche Beleuchtung dieses Themas, das mich auch immer wieder beschäftigt.




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