Frag doch den Undertaker

Aufbahrung nicht möglich, gibt es Fotos?

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Folgende Zuschrift eines Lesers läßt mich noch einmal über offene Aufbahrungen schreiben:

Als meine Mutter verstarb hatte ich natürlich vieles im Kopf. Mir wurde nicht gesagt, das man die Verstorbenen noch einmal sehen darf zum Abschied nehmen. Das wurde mir erst ein halbes Jahr nach Ableben gesagt. Hätte ich das gleich gewusst, wäre ich natürlich hingefahren und hätte Abschied genommen von meiner Mutter. So ist es für mich persönlich noch immer nicht wahr (ihr Ableben ist nun 2 Jahre her). Ich habe zwar die Urne gesehen. Aber ich kann es trotzdem nicht „begreifen“. Naja, jetzt zu meiner (vielleicht doofen) Frage: Werden im Krematorium vielleicht Fotos gemacht von den Verstorbenen die man vielleicht sogar anfordern könnte?
Wenn ich so ein Foto sehen würde, wäre für mich der „Abnabelungsprozess“ vielleicht leichter. Keine Ahnung.

Das ist etwas, was ich immer wieder höre. Sei es von Seiten der Angehörigen, als auch von Kollegen.
Ich finde, es gehört zu den ureigensten Aufgaben des Bestatterberufs, die Verstorbenen zur Bestattung herzurichten, sie anzukleiden und ggfs. in einen solchen Zustand zu versetzen, daß die Familie -soweit dies gewünscht wird- noch einmal am offenen Sarg Abschied nehmen kann.

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Ganz gleich, welcher Richtung man nun anhängt, der Bestatter sollte das ermöglichen. Es gibt unter den Bestattern diejenigen, die die Verstorbenen so natürlich wie möglich belassen und den Einsatz von kosmetischen Maßnahmen ablehnen. Sie meinen, dadurch würde der Tod für die Hinterbliebenen greifbarer. Die meisten Bestatter jedoch versuchen durch gute kosmetische Arbeit, den Verstorbenen so herzurichten, daß er wie ein Schlafender wirkt. Hiermit ist nicht gemeint, daß die Toten dann aussehen, als würden sie jeden Moment wieder aufstehen, aber sie liegen auch nicht entstellt und blass im Sarg, der Mund und die Augen werden verschlossen und die Haare etwas in Form gebracht.

Jedenfalls wird der Verstorbene so aufgebahrt, daß die Angehörigen Abschied nehmen können.

Ob die Familie das wünscht, muß der Bestatter herausfinden, indem er diese Möglichkeit vorschlägt und den Wunsch erfragt. Viele Familien wissen gar nicht, daß das geht.

Ich stelle aber immer wieder fest, daß Bestatter dazu neigen, sehr schnell von einer Aufbahrung abzuraten. „Behalten Sie den Verstorbenen in Erinnerung, so wie Sie ihn zu Lebzeiten kannten!“
Natürlich gibt es Gründe, so etwas zu den Angehörigen zu sagen. Aber es wird -weit über die begründeten Fälle hinaus- viel zu oft von einer Abschiednahme abgeraten. Mir scheint es fast so, als ob das entsprechende kosmetische und hygienische Versorgen des Verstorbenen, manchen Kollegen zuviel Arbeit ist oder daß sie es schlicht und ergreifend nicht beherrschen.

Besonders in Erinnerung ist mir da ein Bestatterkollege aus der Bundeshauptstadt. Er gab mir gegenüber unumwunden zu, daß er sich vor Leichen ekelt. Seine Fahrer holen die Verstorbenen am Sterbeort ab und ziehen ihnen immer gleich ein Sterbehemd an. Deckel zu und der bleibt dann auch zu.
Der eigentliche Bestatter sieht nie einen Verstorbenen und hat auch noch nie einen angefasst.
Seit Jahren macht er das so und hat, nach eigenen Aussagen, noch nie eine Beschwerde gehabt, weil er es versteht, den Angehörigen immer gut zu vermitteln, das sei besser so für sie.

Dabei ist die Abschiednahme am Sarg sehr wichtig.
Sie ist aber auch nicht so wichtig, daß man Angehörige gegen ihren Willen dazu drängen sollte.
Fingerspitzengefühl ist angesagt! Manchmal muß man Angehörige ein wenig „pushen“, wenn man den Eindruck hat, so eine Abschiednahme könne gut für sie sein. Man darf nicht vergessen, daß der Bestatter in diesem Moment einen klaren Kopf besitzt und die Angehörigen in ihrer Trauer oft vorschnell sagen: „Ich will ihn nicht mehr sehen.“

Hier ist psychologisches und seelsorgerisches Einfühlungsvermögen oder doch zumindest eine gute Menschenkenntnis gefragt. Das ist auch mit ein Grund dafür, daß ich sehr junge Menschen nicht in jedem Fall für diesen Beruf für geeignet halte. Wer aber von vornherein diese Voraussetzungen nicht mitbringt und dann auch noch eine Abscheu vor Toten hat, na der ist für den Beruf einfach überhaupt nicht geeignet.

Bei uns im Haus wurde über viele Jahre hinweg von jedem Verstorbenen ein Foto angefertigt und mit der Akte zusammen aufbewahrt. Das diente uns einerseits dazu, eventuelle spätere Zweifel an der Identität behandeln zu können und natürlich auch zu unserer Sicherheit, falls Angehörige mal behaupten, da sei etwas nicht ordentlich gemacht gewesen oder ein Hemd oder Kissen habe angeblich gefehlt.
In manchen Fällen konnten diese Fotografien auch Jahre später noch dazu dienen, einem Angehörigen, der entweder nicht am offenen Sarg Abschied nehmen wollte oder es nicht konnte, doch noch einen Blick zu ermöglichen.

Ich beschrieb vor längerer Zeit ja schon einmal, wie unsere Akten im Laufe der Zeit in gewissem jährlichem Rhythmus verschlankt werden. Nach einem Jahr fliegen alle Schmierzettel raus, dann nach weiteren Jahren unwichtige Unterlagen usw., bis schließlich nur noch der Auftragsbogen, die Rechnung und der Ausdruck aus dem PC übrig sind. Spätestens nach 10 Jahren werden auch die Bilder vernichtet.

In Krematorien werden m.W. keine Fotos gemacht, höchstens mal in Ausnahmefällen, aber gewiss nicht regelmäßig.

Leser des Bestatterweblogs wissen, daß es die Möglichkeit zur offenen Aufbahrung gibt. Das kann einem der Bestatter im Grunde auch nicht verwehren. Weigert er sich, sollte man genau nachfragen, warum das der Fall ist.
Im Zweifelsfall kann man auch den Friedhofsverwalter bitten, unabhängig vom Bestatter, den Sarg zu öffnen.
Ist dann mit dem Leichnam etwas nicht in Ordnung, muß der Bestatter unverzüglich nachbessern.

Zu einem Bestatter, der von vornherein sagt: „Machen wir nicht“ würde ich erst gar nicht hingehen, bzw. mir schleunigst einen anderen suchen.

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(©si)