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Aufgehängt

Frau Simons ist eine zierliche Frau von etwa 58 Jahren, ihre schwarze Trauerkleidung hat schon bessere Zeiten gesehen und sie nestelt nervös an einem schon ganz durchgeweinten Taschentuch herum. Ihr Sohn ist gestorben, Magenkrebs, eklig, schmerzhaft, schnell.
Schlimm genug, wenn eine Mutter ihr Kind beerdigen muß, aber die Umstände in diesem Fall sind noch mal ein Stückchen dramatischer.

Bodo Simons ist nur 40 Jahre alt geworden und hat nichts weiter hinterlassen, als ein verpfuschtes Leben.
Mit 16 ist er von zu Hause ausgerissen, hat sich herumgetrieben, zeitweilig auf der Straße gelebt und nur der Hartnäckigkeit seines, inzwischen verstorbenen, Vaters war es zu verdanken, daß er doch wieder einen Fuß auf den Boden bekam. Mit 19, also recht spät, begann er eine Lehre als Maschinenschlosser und zunächst schien alles recht gut zu laufen. Der hat sich wieder gefangen, hieß es.

Umso heftiger traf es die Eltern, als vor Jahren eines Morgens in aller Herrgottsfrühe die Polizei die Familie aus dem Bett klingelte und klopfte und ihren Bodo in Handschellen abführte.

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Am Abend zuvor hatte Bodo in einer Gaststätte am anderen Ende des Ortes ein paar Gläser zuviel getrunken und im aufsteigenden Rausch sexuelle Phantasien für die Wirtin Anne entwickelt. Die regte seine Phantasien auch noch an, was aber von anderen Gästen eher als verkaufsfördernde Maßnahme, denn als tatsächliches erotisches Entgegenkommen gewertet wurde.

Als alle anderen Gäste gegangen waren, hatte Bodo vorgegeben, nur noch austrinken, der Wirtin dann beim Hochstellen der Stühle helfen und dann nach Hause in sein Bett gehen zu wollen.
Doch es kam anders. Als die beiden endlich alleine waren, muß Bodo handgreiflich geworden zu sein, um seine sexuellen Bedürfnisse endlich befriedigt zu sehen, womit Anne wohl nicht einverstanden war.
Was dann passierte, mußte später mühsam anhand von Indizien rekonstruiert werden, Bodo schwieg bis zum Schluß darüber.

Zuerst soll er die Frau niedergeschlagen und sich dann an ihr vergangen haben. Vermutlich ist er dann eingeschlafen und hat wenigstens zwei Stunden neben der besinnungslosen und aus einer Kopfwunde blutenden Frau gelegen. Als diese sich wieder zu regen begann, ist auch Bodo wieder aufgewacht und da muß ihm die Tragweite seiner Tat bewußt geworden sein. Um die Tat zu vertuschen hatte er die Frau erneut geschlagen und dann in aller Eile, um dem Morgengrauen zu entgehen, auf dem Anhänger eines Mopeds in eine nahegelegene Kleingartenkolonie gefahren, wo diese eine Laube besaß. Dort verging er sich abermals an der leblosen Wirtin und schließlich nahm er eine Hundeleine und hängte die Frau an einem Balken in der Gartenlaube auf. Um weitere Spuren zu vernichten, verschüttete er noch Grillanzünder und steckte die Laube in Brand.

Als er sich sicher war, daß die Laube Feuer gefangen hatte, fuhr er mit dem Moped der Wirtin zu sich nach Hause und legte sich ins Bett.

Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, daß in der benachbarten Gartenlaube jemand übernachtet hatte. Dieser Kleingärtner bemerkte den Brandgeruch, rief die Feuerwehr und begann sofort mit dem Gartenschlauch zu löschen.
Es war nur eine Frage weniger Minuten, bis die Polizei erste Hinweise auf Bodo hatte und so konnte er noch am selben Morgen vorläufig festgenommen werden.
Bodo kam gar nicht erst wieder frei. Bei der polizeilichen Vernehmung beugte er sich unter der Last der Beweise und gestand die Tat, ohne jedoch im Einzelnen darauf einzugehen.

Man kann sich vorstellen, wie sehr dieser Mord die Gemüter der Einwohner beschäftigte und erregte. Entsprechend groß war auch das öffentliche Interesse an der Verhandlung und der Berichterstattung in der Zeitung darüber.

Nun ist Bodo gestorben und seine Mutter sitzt bei mir im Büro und will ihn würdig bestatten lassen.
Keine leichte Aufgabe für die Frau, möchte sie doch einerseits, daß Bodo auf dem hiesigen Friedhof ein Urnengrab bekommt, weiß sie doch aber auch, daß man Bodo die Tat nie verziehen hat. So befürchtet sie, daß vielleicht jemand auf die Idee kommen könnte, das Grab zu besudeln oder den Grabstein zu beschmieren. Drei Mal hatte man in den letzten Jahren „Mörder!“ an die Hauswand ihres Hauses geschmiert.

Vorsichtig rate ich der Frau zu einem anonymen Grab, doch sie schnieft in ihr Taschentuch, reckt sich auf dem Stuhl etwas auf und meint: „Da muß ich jetzt durch, er soll ein richtiges Grab bekommen, ich will doch irgendwo hingehen können, schließlich ist Bodo doch mein Kind.“

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