Ich mußte in der Vergangenheit die Bestattungen meiner Oma und meines Vaters an zwei unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Bestattern mitorganisieren. Die hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Der Bestatter meiner Oma war geschätzt Mitte 50, lief nur im schwarzen Anzug herum und trug immer ein sauertöpfisches Gesicht zur Schau, das vermutlich Trauer und Anteilnahme ausdrücken sollte. Er wirkte damit oft trauernder als die Familie und machte den Eindruck, als hätter er alles Elend der Welt zu schultern. Er hielt sich auch während der Trauerfeier immer sehr nah bei der Trauergesellschaft auf. Für uns wirkte das aufdringlich. Was hat dieser fremde Mensch in unserer Trauersituation zu suchen?
Der Bestatter meines Vaters war ganz anders. Jünger, ca. Ende 30, und wesentlich lockerer. Er hat selbstbewusst seine Dienstleistung angeboten, war aber respektvoll und unaufdringlich. Er hat sich so weit es ging im Hintergrund gehalten. Sein Ziel: Im Hintergrund alles perfekt organisieren. Und: Er konnte auch lachen.
Ich schätze Dich eher wie den zweiten Bestatter ein. Und wenn ich mal wieder eine Beerdigung organisieren muss, dann hoffe ich, dass ich wieder so einen Bestatter finden werde.
Was ich mich frage: Gibt es denn tatsächlich Kunden, die so einen Totengräber-Bestatter haben möchten, wie den, der meine Oma beerdigt hat? Oder ist dieser Bestatter einfach ein Art Dinosaurier aus einer anderen Generation?
Gibt es da Trends in Deinem Gewerbe?
Ich habe da auch schon alles Mögliche gesehen. Ganz neuer Trend bei „Pietät Eichenlaub„: Kurzärmlige weiße Hemden und tätowierte Unterarme, die Kofphaare millimeterkurz geschoren und dicke schwarze Sonnenbrille.
Ansonsten sagt man ja: Kleider machen Leute, und man glaubt, ein Anzug mache ordentlich was her, was dazu führt, daß Hunderttausende von Bankangestellten sich jeden Morgen mit einem Anzug verkleiden und auch so aussehen: verkleidet.
Im Grunde kommt es auf die Kleidung nicht an, sie kann nur erste Visitenkarte sein, sagt aber letztlich nicht wirklich etwas über die Qualität der Dienstleistung aus. Ich kenne einen wirklich guten Bestatter aus dem dörflichen Bereich, der nichts anderes als einen grauen Arbeitskittel kennt und allenfalls mal für eine Beerdigung ein dunkelgraues Sakko anzieht. Eine ganz ausgezeichnete und sehr bemühte ältere Bestatterin kenne ich nur im Küchenkittel. Ob das nun jedermanns Geschmack ist, weiß ich nicht, aber ich habe von diesen beiden nur Gutes gehört. Es kommt letztlich mehr auf das Herz, als auf die Schale an.
Tatsächlich ist es aber so, daß der dunkle Anzug in unserem Gewerbe vorherrscht. Ich persönlich sehe das für mich etwas lockerer, da ich es sehr nah zur Wohnung habe und mich jederzeit auch umziehen kann. Aber ein Hemd mit Krawatte, Jeans und Sakko sollten als ordentliche Kleidung ausreichen. Einen schwarzen Anzug besitze ich gar nicht.
Es gibt aber Bestatter, die aus traditionellen Gründen am Beerdigungstag einen schwarzen Anzug anziehen und sogar einen Zylinder aufsetzen und so hinter dem Pfarrer vor der Trauergesellschaft zum Grab gehen. Ich habe auch noch nicht gehört, daß das den Leuten nicht gefallen hätte.
Was das Sauertöpfische anbetrifft, so erfüllt der von Dir beschriebene Kollege da ja offenbar die gängigen Klischees. Ich halte von zur Schau getragener und geheuchelter Anteilnahme überhaupt nichts. Ich will überhaupt keine Rolle spielen müssen. Wenn mir ein Schicksal zu Herzen geht, dann will ich auch mitweinen dürfen und wenn mich ein Sterbefall nicht sonderlich berührt, dann will ich auch sachlich bleiben können. Ich kenne die Verstorbenen doch meistens gar nicht, also warum sollte ich dann trauern? Daß da jemand gestorben ist, ist ja wohl gerade für mich nichts Neues oder Erschreckendes. Natürlich fühle ich mit den Angehörigen und habe Verständnis für ihre Trauer. Da sind dann leisere Töne angebracht, als wenn es um die Planung einer Hochzeit ginge. Aber mich verstellen, Anteilnahme heucheln? Nee.
Der Trend im Gewerbe, nach dem du fragst, sieht für mich so aus: Ich sehe zunehmend, daß die Mitarbeiter einer Firma einheitlich gekleidet sind. Bei den leitenden Angestellten und Inhabern gibt es die eine Fraktion, die ohne dunklen Anzug nicht auskommt und die Fraktion, die es eher etwas lockerer sieht, so wie ich.
Kurze Hosen, T-Shirts mit albernen Aufdrucken, überaus bunte Farben sind nicht gerade das, was branchenüblich ist.
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Schlagwörter: Bestatter, sauertopf
Hallo Tom,
das ging ja fix. Kaum eine Stunde ist es her, dass ich diese Mail geschrieben habe!
Es gibt Bestatter, die mit Zylinder im Trauerzug mitlaufen?!?! So wie im John-Wayne-Western?
Entschuldige, aber was hat dieser Mensch da zu suchen? Noch dazu in so einem Kostüm?
Damit hätte ich ein richtiges Problem.
Der Bestatter ist für mich der Dienstleister im Hintergrund, der mir die ganzen Dinge abnimmt, die er viel besser kann und die mich entlasten. Er ist auf gar keinen Fall der „Rudelführer“.
Danke für die Warnung: Das nächste Mal werde ich den Bestatter vorher fragen, wie er seine Rolle sieht.
Gruß,
Martin
Rudelführer? Nein, so sieht sich dieser Kollege bestimmt nicht. Es ist eine alte Tradition, daß der Bestatter sozusagen als Zeremonienmeister den Trauerzug anführt. Oft geht er neben dem Pfarrer und geleitet die Trauergemeinde über den Friedhof zur richtigen Grabstätte. In früheren Zeiten war das Tragen eines dunklen Anzuges mitsamt der passenden Kopfbedeckung bei einer Beerdigung durchaus obligatorisch und der Bestatter, der das so macht, folgt nur dieser Tradition. Es ist also nicht wie in einem John-Wayne-Western, sondern so, wie es immer schon üblich war, nur ist es teilweise in Vergessenheit geraten. Außerdem ist das kein „Kostüm“ sondern eine aus Überzeugung gemäß dem Anlass getragene Kleidung. Die meisten Arbeiten, die der Bestatter erledigt, tut er im Hintergrund, genau das ist seine Aufgabe. Es ist aber durchaus auch seine Aufgabe, als einer der Hauptverantwortlichen bei der Zeremonie mit dabei zu sein. Ich habe das schon mehrmals bei verschiedenen Kollegen in der oben beschriebenen Form gesehen und in keinem Fall kam das albern oder aufgesetzt rüber, sondern gab der Sache einen würdevollen und feierlichen Anstrich. Natürlich soll sich… Weiterlesen »
Lieber Tom, nur mal kurz eine Stilsache: Jeans und Hemd und Sakko gehen, aber dann bitte keine Kravatte dazu! Kravatte trägt man nur zum Anzug! Kurzärmelige Hemden unterm Sakko/Anzug gehen übrigens genauso wenig! 🙂
Eigentlich wollte ich gerade etwas ganz anderes schreiben:
@ Tim:
Weshalb geht Krawatte zu Jeans und Hemd nicht? Selbst ich als Frau hatte schon Phasen, in denen ich Jeans, ein Jeanshemd oder ein weisses Hemd trug und dazu eine Krawatte. Was soll da dabei sein ???
Bin gespannt wann die erste RealitySoap auf den Markt kommt, die so nach dem Vorbild der Tattoo RealitySoaps gemacht ist. Könnte im Deutschen dann „Eine Familie sargt ein“ heißen.
Die TV Firma übernimmt die Kosten der Bestattung, im Gegenzug erzählen die Angehörigen, wie es dazu kam, wer der/die verstorbene ist und was sie in Ihrem Leben so geleistet hat oder eben nicht. Die Rede des Priesters wird auf aktionhaltige 30 Sekunden gekürzt und jeder darf noch mal heulend, ein paar Worte in die Kamera sagen.
Leute, so doof das klingt, aber ich denke so was kommt noch. Wenn einem (heutzutage) mal eben so 1.500 – 3.000 € bezahlt werden für ein wenig Seelenstiptease, dann gibts Leute die da mitmachen würden.
@ STP
Mach doch mal den einschlägigen Sendern einen Vorschlag. Das wäre wahrscheinlich billiger als das Dschungel-Gehampel. 😛
“ daß Hunderttausende von Bankangestellten sich jeden Morgen mit einem Anzug verkleiden und auch so aussehen: verkleidet.“
Das stimmt allerdings
Man sieht es vielen Menschen auf Anhieb an, wenn sie einen Anzug ungern und/oder selten tragen.
Die Leute wirken in den Klamotten wirklich falsch, vor allen Dingen, wenn dann die Details und der Gesamteindruck nicht stimmt.
x-Hundert Euro für einen Anzug ausgegeben, damit man nicht auf seinen Sitz achtet und ihn mit 12,99-Schuhen von Aldi kombiniert.
Oftmals würden die Leute in ordentlichen Jogginganzügen besser aussehen und ehrlicher wirken
Bei meinem Opa haben die Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens den Sarg zum Grabe geschoben. Und soweit ich mich erinnere, hat die Cheffin des Bestatungshauses an der Tür der Kapelle gestanden, und ist dann als Letze zum Grab mitgegangen…
Wenn sie nun vorne mit am Sarg gegangen wäre, wäre es aber auch ok gewesen, immerhin ist es ja (in der Gemeinde) der Job des Bestatters den Sarg zum Grab zu bringen.
Wer der Romantischen Phantasie unterlegen ist, dass der Sarg von alleine hinrollt, und die Witwe tapfer laut schlurzend hinterhergeht, der sollte mal ein bischen praktisches Denken einschalten 😉 😉
@Tim,
ich trage gerade ein kurzärmeliges Hemd mit Krawatte zu Jeans und einem Blazer. Was bitte ist daran falsch?
also gibbet bei bestattern keinen [url=http://www.ruthe.de/gallery/cpg1410/displayimage.php?pid=791&fullsize=1]“casual friday“[/url]
😀
schönes Wochenende 🙂
Ich kann dem was tyler geschrieben hat beipflichten. Wer seinen Anzug bei C&A, H&M, Kartstadt etc. ohne beratung selber aussucht, der wird mit einem enden, der nicht ordentlich sitzt. Das hat wiederum zur Folge, daß derjenige sich darin nicht wohlfühlt. Und DAS sieht man ihm dann an.
Ich bin eher ein gelegentlicher Anzugträger, wenn es der Anlass in meinen Augen(!) erfordert. Hierfür bin ich in ein alteingesessenes Anzuggeschäft gegangen. Der Verkäufer konnte mir auf den Kopf zu meine Anzuggröße sagen, obwohl ich noch meinen Mantel anhatte! Um’s abzukürzen: ich wählte mir nach Beratung einen von zwei möglichen Anzügen aus und fühle mich nicht verkleidet oder unwohl, wenn ich den trage. Das ganze hat keine zwanzig Minuten gedauert.
In oben genannten Läden hätte ich vermutlich nach einer halben Stunde noch keinen ordentlichen gefunden. Das soll nicht heißen, daß da keiner beraten könnte. Ich kenne ja nun nicht jedes Kaufhaus in D. 😉
Das schlimmste, was ich mit großem Abstand bei einer Abholung bis jetzt gesehen habe, waren an einem Samstag zwei Gestalten, in Bluejeans, die auch schon länger nicht mehr gewaschen waren, dazu gemustertes Hemd und einen bomberjackenähnlichen Anorak, der speckig glänzte.
Ohne Witz, wenn draußen nicht eine Rostlaube geparkt hätte, die wohl gerade noch als Leichenwagen durch ging, wer weiß ob ich nicht die Hinterbliebenen mal vorsichtig gefragt hätte, ob das Duo ihren Vorstellungen entspricht. Diesen Bestatter zu bestellen war der Vorschlag von ihnen selbst.
[quote]Kurze Hosen, T-Shirts mit albernen Aufdrucken, überaus bunte Farben sind nicht gerade das, was branchenüblich ist.[/quote]
Also ein T-Shirt mit einer gut-gebauten Bardame die ne Glocke läutet und darüber der Text „Last Call“. Wär‘ das nix? 😉