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Bestatter stehlen Leichen!

Was macht ein Bestatter eigentlich? Nun, wer hier im Bestatterweblog ein wenig mitgelesen hat, der weiß, daß Bestatter heutzutage moderne Dienstleistungsunternehmen rund um ein großes, wenn auch trauriges, Familienereignis sind. Ähnlich einem „wedding planner“, also einem Hochzeitsplaner, der Hochzeitsfeiern plant und gestaltet, tun Bestatter das bei Trauerfeiern.

Was oft vergessen wird, mittlerweile aber unabdingbar zum Aufgabenbereich eines guten Bestatters gehört, ist die psychologische Betreuung der Angehörigen, die weit über den pietätvollen Umgang, der sowieso zum Gewerbe gehört, und das notwendige Fingerspitzengefühl im Umgang mit Trauernden hinaus geht.

Erstaunlich, was alles aus reinen Sargtischlereien und Leichentransportunternehmen geworden ist. Denn hier liegen die Wurzeln des gesamten Gewerbes.

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Ein zeitgemäßes Bestattungsunternehmen leistet handwerkliche, kaufmännische und betratend-betreuerische Dienste. Das ist ein weitaus umfangreicherer Aufgabenbereich als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Einerseits leisten Bestatter heute mehr, weil sie damit Geld verdienen wollen. Sie betreiben ihre Unternehmen aus wirtschaftlichem Antrieb, um Geld damit zu verdienen und sind deshalb logischerweise daran interessiert, wirtschaftlich interessante Nischen, die zum Gewerbe passen und sich daher anbieten, mit zu besetzen.
Andererseits sind sie direktermaßen gezwungen, bestimmte zusätzliche Leistungen zu erbringen, ganz einfach weil das von den Kunden nachgefragt, verlangt und erwartet wird.

Aus dieser Ausweitung des Tätigkeitsbereiches, über das rein handwerkliche hinaus, ergaben und ergeben sich schon immer Konflikte, die jetzt gerade wieder in sehr drastischer Weise in der Formulierung „Tote werden gestohlen“ ins Volk posaunt werden.

Betrachten wir zunächst einmal das Verhältnis der Bestatter zu den Pfarrern.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen treten die Pfarrer hier in meinem Umfeld im gesamten Ablauf einer Bestattung nur als zeremonieller Trauerredner in Erscheinung. So bitter es ist, die Angehörigen empfinden ein knappes Stündchen des persönlichen Gesprächs mittlerweile schon als Höchstmaß der seelsorgerischen Zuwendung.
Die Entfremdung der Menschen von der Kirche, das Nichteingebundensein in eine konfessionelle Gemeinde und die unglaubliche Arbeitsüberlastung mancher Geistlicher spielen hier eine große Rolle.

So kommt es, daß der Bestatter hier oft genug auch die Rolle des Seelsorgers übernehmen muß, vor allem bei Angehörigen, die keiner Kirche angehören und bei Trauerfeiern, an denen gar kein Priester teilnimmt. Allerdings drängen sich die Bestatter nicht danach, sie können damit auch kein Geld verdienen, es wird einfach von ihnen erwartet – es tut ja sonst keiner.

Vor diesem Hintergrund stimmt es mich als Bestatter und Kenner der Szene sehr mürrisch, wenn da jemand schreibt:

„Die Kirche will nicht nur den Toten den letzten Segen erteilen, sondern auch die Trauernden auf ihrem schweren Weg begleiten. In Deutschland werden den Angehörigen ihre Toten im wahrsten Sinne des Wortes gestohlen. Tote werden eilig vom Bestatter abgeholt.“

Wer so etwas schreibt, der hat keine Ahnung von der Materie und qualifiziert sich in höchstem Maße ab.
Würden die Kirchen auf ihrem ureigensten Feld in entsprechender Weise tätig, bräuchten die Bestatter diesen zusätzlichen Dienst bei deren/ihren Schäfchen nicht erbringen. Kein Bestatter „stiehlt“ einen Toten. Bestatter werden nach einem Auftrag durch die Angehörigen tätig und tun dann das, was getan werden muß, sie holen den Leichnam am Sterbeort ab und bringen ihn an einen geeigneten Ort. Stehlen bedeutet für mich, daß ich jemandem gegen seinen Willen und zunächst ohne dessen Wissen etwas wegnehme, davon kann bei einem Bestatter, der dazu beauftragt worden ist, wohl überhaupt keine Rede sein.

Weiter heißt es in diesem Text:

„Zeit zum Abschied nehmen, Akzeptieren und Abfinden mit der Situation bleibt in der Regel keine. Gefühle wie Ohnmacht, Wut und Rebellion werden so niedergebügelt, obwohl viele Menschen das Bedürfnis haben, gerade diese extremen Gefühle auszuleben.“

Genau das Gegenteil ist der Fall!
Bestatter bauen immer mehr eigene Trauerhallen, richten mit hohem Kostenaufwand Abschiedsräume ein und scheuen keinen Aufwand, gerade um den Angehörigen die Möglichkeit zur individuellen und zeitlich nicht reglementierten Abschiednahme zu geben. Ohne die Arbeit der Bestatter wäre es vermutlich inzwischen gar nicht mehr möglich, vernünftig von einem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Die Kommunen sind immer mehr dazu übergegangen, die aufgebahrten Verstorbenen im 5-Minuten-Takt hinter einer Glasscheibe zu zeigen, starre Öffnungszeiten der Leichenhallen, zeitlich eng reglementierte Trauerfeiern, all das schafft ein Entsorgungsklima, das mit einer würdigen und feierlichen Abschiednahme, die den Verstorbenen würdigt und ehrt, nichts mehr zu tun hat.
Es sind die Bestatter, die weg vom Schema „Trauermesse-Trauerfeier-Rein_in_die_Grube -> fertig in 45 Minuten“ wollen.

Außerdem: Niemand hat weniger Interesse daran, Bedürfnisse der Angehörigen „niederzubügeln“ wie es der Autor des zitierten Textes weismachen will, als die Bestatter. Sie besetzen, wie wir oben gelernt haben, die Nischen, die andere hinterlassen haben, ja auch um Geld zu verdienen. Warum also sollten sie sich dem Wunsch der Angehörigen widersetzen? Unfug, dummer Unfug, mehr kann man zu der zitierten Textstelle kaum sagen.

Doch der Autor weiß es noch besser:

„Totenwache, Grabgestaltung, Trauerzeremoniell alles ist starr geregelt. Ein Ausscheren aus der Konvention bedeutet für den Trauernden häufig Spießrutenlaufen über einen Parcour, dessen Hindernisse von Kirche und Bestattern gemeinsam aufgestellt werden.“

Die Bestatter werden nicht müde, immer neue Ideen bei Totenwache und Trauerzeremoniell umzusetzen, alte Traditionen (z.B. Hausaufbahrung) wiederzubeleben und die Angehörigen anzuregen, intensiv und persönlich Abschied zu nehmen. Steinmetze und Gärtner ermöglichen, weitab vom schematisch Normierten, neue Formen der Grabgestaltung (soweit das die von den Politikern aufgestellten Bedingungen zulassen). Es ist derber Quatsch, hier zu behaupten, Kirchen und Bestatter würden die Abwicklung eines Trauerfalls für die Angehörigen zu einem „Spießrutenlaufen“ machen. Bestatter tun genau das Entgegengesetzte: Sie bewahren Jahr für Jahr und das seit Generationen Abertausende von Menschen eben vor diesem Spießrutenlaufen und nehmen ihnen alle unangenehmen Wege ab, gestalten die Trauerfeier nach den Wünschen der Angehörigen und richten der Verstorbenen in einer Weise her, die eine würdige Abschiednahme überhaupt erst möglich macht.

Unser ach so kluger Autor meint aber:

„Dass die Bestatter um ihre Pfründe fürchten und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen drohen, lächerlich. In einem Gewerbe, indem sonst Zurückhaltung oberstes Gebot ist, läuft man nun Sturm.“

Und auch das ist nicht so. Den Bestattern ist es egal, ob sich Kirchen, Vereine, Trauergruppen oder sogar kommerzielle Träger auch noch zusätzlich um die Angehörigen kümmern, ja sie würden es sogar begrüßen. Hier ginge den Bestattern nichts verloren, außer einem Haufen Arbeit und Zeitaufwand vielleicht. Wogegen sich die Bestatter aber mit Recht wehren, ist das dummdreiste Abstempeln der Eventmanager des Todes“ zu geldgierigen Wucherern, die in fremden Revieren wildern und um „ihre Pfründe fürchten“

Der ganze Text von Patric Stromberg, über den ich hier geschrieben habe und aus dem ich zitierte, ist hier im Lesermitmachportal der „Gießener Zeitung“ zu lesen. Hinter dem Text steckt einmal mehr die „Trauerliebe.de“.

Wer wem da wessen Pfründe streitig machen will, das muß man wohl erst noch sehen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Bestatter #leichen #stehlen

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