Bemerkenswert

Bestatterin hat Babyleichen zu Hause

Eine Frau sitzt auf einem Chesterfield-Sofa und sieht fern. Neben ihr sitzen zwei Stoff-Teddybären

Eine große Aufregung in den „Sozialen Netzwerken“. Eine englische Bestatterin hat Babyleichen zu Hause aufbewahrt. Die Kommentatoren sind sich sicher: Die Frau gehört an den Galgen, zumindest aber müsste man sie aufhängen!

Was ist passiert?

Bestatterin sitzt mit Babyleichen vor dem Fernseher

In Leeds (Großbritannien) sorgt der Fall einer 38-jährigen Bestatterin für Schlagzeilen. Sie soll verstorbene Säuglinge nicht in einer professionellen Einrichtung, sondern in ihrem Privathaushalt aufbewahrt haben.

Nach Angaben der BBC und britischer Medien wurde eine Mutter darauf aufmerksam, als sie ihr verstorbenes Kind im Wohnzimmer der Bestatterin vorfand – während diese nach Darstellung der Mutter auf dem Sofa saß und Fernsehsendungen ansah. Ein weiteres verstorbenes Kind befand sich ebenfalls in der Wohnung.

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Ein anderes Elternpaar berichtet, dass ihre totgeborene Tochter ebenfalls im Privathaus der Bestatterin gelagert worden sei, obwohl man ihnen eine Unterbringung im Bestattungsinstitut zugesichert hatte. Die Eltern beklagten zudem einen starken Verwesungsgeruch bei der späteren Übergabe des Leichnams.

Die Verantwortliche, Amie Upton, wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Zugang zu Leichenhallen und Geburtsstationen ausgeschlossen. Der Leeds Teaching Hospitals Trust leitete die Informationen an Polizei und Aufsichtsbehörden weiter.

Die Polizei von West Yorkshire ermittelte, konnte jedoch keine strafrechtlich relevanten Verstöße feststellen. Grund: In England und Wales gibt es weder verbindliche gesetzliche Vorschriften zur Aufbewahrung Verstorbener noch eine formale Ausbildungspflicht für Bestatter.

Gegen Upton liegen seit 2021 zwei Meldungen vor, die unsachgemäßen Umgang mit verstorbenen Kleinkindern betreffen. Sie bleibt weiterhin von den Einrichtungen des National Health Service ausgeschlossen.


Psychologische Aspekte

Wenn eine Bestatterin Verstorbene im privaten Umfeld wie lebende Kinder behandelt, kann das mehrere Ursachen haben. Ich sehe das unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Verdrängung und Nähe: Der Wunsch, den Tod zu „normalisieren“ und in den Alltag zu integrieren, kann zu einem unsachgemäßen Umgang führen. Die Grenze zwischen professioneller Distanz und persönlicher Nähe verschwimmt.
  • Unbewältigte Trauer: Eigene Verlusterfahrungen oder unverarbeitete Traumata können eine Projektion auf die anvertrauten Verstorbenen auslösen – besonders, wenn es sich um Kinder handelt.
  • Muttertrieb: Frauen, die selbst den Verlust eines Kindes zu beklagen hatten, können durch eine solche „Ersatzbemutterung“ das Gefühl einer Erlebnisbewältigung erfahren. Aber auch ohne eigene Trauererfahrung kommt so etwas vor.
  • Überidentifikation: Manche Bestatterinnen oder Betreuerinnen fühlen sich so sehr in die Rolle der „Bewahrerin“ hinein, dass sie die professionelle Rolle verlassen und in eine Art Ersatzmutterrolle schlüpfen.
  • Fehlendes Berufsethos: Ohne klare Regeln und Standards – wie es sie in England und Wales tatsächlich kaum gibt – fehlt der äußere Rahmen, der ein solches Verhalten verhindert.
  • Psychische Störung: In extremen Fällen kann ein pathologisches Bedürfnis nach Kontrolle oder Nähe zu Toten („Thanatophilie“) oder eine Persönlichkeitsstörung eine Rolle spielen.

Gemeinsam ist solchen Erklärungsansätzen: Sie verdeutlichen, dass die Handlung weniger mit Bestattungskultur als vielmehr mit individuellem psychischen Erleben zu tun hat. Für die betroffenen Familien ist es jedoch in jedem Fall ein massiver Vertrauensbruch.

Aus einer Mücke wird ein Elefant – und trotzdem bleibt es geschmacklos

Mal wieder ein „Schock-Fund“. Schlagzeilen, die so klingen, als hätte man in Großbritannien gerade ein völlig neues Verbrechen entdeckt. Da sitzt also eine Bestatterin auf der Couch, schaut Fernsehen – und neben ihr stehen oder liegen verstorbene Babys.

Natürlich stürzt sich die Boulevardpresse darauf, und auch die sozialen Medien laufen heiß. Alles wird als sensationeller Aufreger dargestellt.

Aber Hand aufs Herz: So richtig neu ist das alles nicht. In viktorianischen Zeiten war es vor allem in England äußerst populär, Verstorbene in ihrer gewohnten Umgebung oder in Fotografen-Kulissen zu drapieren. Vielleicht hat sich die Bestatterin in diese Zeiten zurückversetzt gesehen. Möglicherweise hatte sie aber auch Mitleid mit den zu früh verstorbenen Kindern und wollte ihnen noch einmal eine kurze, schöne Zeit machen. Auf jeden Fall gibt es in England und Wales keinerlei gesetzliche Vorgaben, wie Verstorbene bis zur Beerdigung aufbewahrt werden müssen. Jeder darf sich „Bestatter“ nennen, eine Qualifikation braucht es, wie fast überall in der Welt, nicht. Wenn dann eine Frau ihre Verstorbenen nicht im Kühlraum, sondern im Wohnzimmer unterbringt, dann wirft das berechtigte Fragen auf und dann ist das zwar unschön, aber rechtlich nicht zwingend strafbar. Genau deshalb hat auch die Polizei nach langen Ermittlungen keine Straftat feststellen können.

Ich sehe hier kein Verbrechen, sondern eine behandlungswürdige Störung bei der Bestatterin.

Und dennoch: Es bleibt absolut geschmacklos.
Denn Bestattersein bedeutet mehr, als einfach nur einen Körper irgendwo abzustellen. Es geht um Respekt, um Würde, um den letzten Dienst am Menschen. Wer Verstorbene so behandelt, als wären sie ein Möbelstück im eigenen Wohnzimmer, hat den Kern dieses Berufes nicht verstanden. Es ist auch keine Entschuldigung, wenn man meint, den Toten „noch eine Freude zu bereiten“. Wenn das nicht mit den Angehörigen bzw. Auftraggebern so vereinbart oder von denen explizit so gewünscht wurde, darf man so etwas einfach nicht machen.

Ja, die Presse macht aus einer Mücke mal wieder einen Elefanten. Das kennen wir. Aber an der grundsätzlichen Problematik ändert das nichts: Diese Art von Umgang ist unnötig, respektlos und wirft ein schlechtes Licht auf eine ganze Branche, die sich eigentlich der Würde der Verstorbenen verpflichtet fühlt.

Bestattungsdienst ist Vertrauenssache. Wer seriös arbeitet, hat nichts im Wohnzimmer zu verstecken.

https://www.kosmo.at/schock-fund-bestatterin-schaute-tv-mit-verstorbenen-babys-auf-der-couch/
gemeldet u.a. vom „Zermalmer“

Bildquellen:

  • chesterfield: Peter Wilhelm KI

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#Baby #leichen #Säugling

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(©si)