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Das ist ja jetzt mal die Höhe!

Es ist natürlich schwer, in seine Bewerbungsmappe etwas Individualität hineinzubringen, das leuchtet mir ein. Aber was soll ich mit rund 20 absolut identischen Mappen aus blauem Kunststoff, die sich einzig und allein durch den Namen des Bewerbers und das eingedruckte Foto unterscheiden?

Der Schulkomplex am Ortsrand schleust seit Wochen seine Schüler durch ein „Berwerbungszentrum“, wo diese in einem Computerprogramm ihre Vorlieben, Stärken und Schwächen anklicken können, dann um ihre Noten und den Lebenslauf erweitern und nach 15 Minuten eine CD mit ihren kompletten Bewerbungsunterlagen mitnehmen können.

Was dabei herauskommt, stapelt sich schon seit einiger Zeit neben meinem Schreibtisch auf meiner Fensterbank.

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Hobbys: Musik, PC und Shopping

Kaum einer, der das nicht so da stehen hat. Mich würde ja mal die Fragestellung des Computers im „Bewerbungszentrum“ interessieren, der dann hinterher unisono diese Hobbies für alle Kinder/Jugendlichen ausgibt.
Ab und zu, so auch in diesem Jahr, werde ich von den Lehrern einiger 9. und 10. Klassen eingeladen, um etwas über unseren Beruf zu erzählen. Zumeist wird daraus eine hochinteressante Frage- und Antwortstunde und wenn es nach den Schülern ginge, könnte ich gleich zehn davon als Auszubildende mitnehmen. „Ey krass, der hat ein Anzug an, mit Krawatte, ey, oder Fliege oder wie das Ding da heißt, und Armbanduhr voll teuer, verdient fett, wetten? Will ich auch werden.“

Wie gesagt, es ist ziemlich schwer, aus den nahezu identischen Mappen irgendetwas herauszulesen. Entweder ich schicke sie alle pauschal wieder zurück oder ich mache mir die Mühe, jeden einzelnen Bewerber hier antanzen zu lassen. Vermutlich läuft es auf Letzteres hinaus.

Frau Vornweg und ihr Sohn Oliver konnten es gar nicht abwarten und brachten die Bewerbungsmappe gleich persönlich vorbei. Nun hatte Frau Vornweg aber die etwas weltfremde Vorstellung, ich würde ihren gesalbten Frischling gleich an Ort und Stelle einer genaueren Prüfung unterziehen und ihr dann das Ergebnis auf der Stelle mitteilen. Ob sie wohl zu ihrem Schößling gesagt hat: „Da geht Mutti jetzt fein mit Dir hin und wenn wir da rausgehen hast Du eine Lehrstelle, wirst schon sehen.“?

Oliver ist ein schmales Hemdchen von gerade einmal 17 Jahren, sitzt mit zusammengepressten Knien vor mir, hat seine Schuhe nicht zugebunden und trägt eine Ed Hardy-Jacke, die vorne offensteht und den Blick auf sein T-Shirt mit einem „Bart-Simpson-Kopf“ freigibt.
Seine Frisur, ich nehme mal an, das ist eine, sieht aus, als habe ein geisteskranker Schnepfling beim Nestbau gepfuscht.
Am liebsten würde er Superstar, sagt er mit ebenfalls zusammengekniffenen Lippen und guckt dabei penetrant auf den Fußboden.
Mutti Vornweg gibt ihm einen Schubser: „Los, sag dem Mann, daß Du Dich mit dem PC auskennst!“
Oli: „Ich mach viel am PC.“
Ich: „Was denn so?“
„Alles, also hauptsächlich ‚Lord of the war an the evil empire of the underground bodysnatchers‘, aber auch nen bischen Google und so’n Zeuchs.“
Mutter Vornweg reckt sich und verströmt Stolz als sie sagt: „Der Oli, der macht ja alles am PC für uns, auch die Einladungskarten für den Fünfzigsten von meinem Mann. Und dann hat der mal so Bilder gemacht, wo man so eine dicke Nase bekommt und das Gesicht ganz schief wird.“
Sie lacht.

Ich lächele auch und sage: „Nun gut, ich nehme die Mappe mal zu meinen Unterlagen, es ist ja noch etwas Zeit und wenn ich dann mehrere zusammen habe, lade ich die Bewerber mal ein, Sie werden von uns hören.“
Dann stehe ich auf und reiche Frau Vornweg die Hand, Oli springt auf, froh, daß die Tortur vorüber ist, steckt sich zwei verkabelte Stöpsel in die Ohren und zieht die Kapuze vom Ed Hardy über sein Vogelnest. „Tschüß!“
Ich nicke ihm nur zu und will die beiden zur Tür begleiten, doch Frau Vornweg bremst, als sei der Fußboden klebrig: „Mooment mal! Wann kann der Oli denn jetzt anfangen?“

„Wie jetzt? Anfangen?“ frage ich zurück und sage nochmals, diesmal ganz langsam und deutlich: „Ich sagte ja schon, wenn ich mehrere Bewerbungen zusammen habe, dann schaue ich mir die an und die geeigneten Bewerber laden wir dann zu einem Gespräch ein. Sie hören von uns.“

„Ja nee jetzt, oder? Ich hatte gedacht, das sei hier ein anständiger Ausbildungsbetrieb. Weiß das die IHK, was sie hier treiben? Ich mein, ich bin jetzt extra hergekommen, mußte heute extra was absagen und jetzt gehen wir hier ohne Ergebnis raus? Das ist aber jetzt mal die Höhe! So unnütz habe ich meine Zeit aber auch noch nie verplempert.“

Ganz kurz bin ich versucht, mal auszuprobieren, ob ein Mensch wirklich zehn Meter weit fliegt, wenn ich ihn in den Hintern trete, doch dann besinne ich mich meiner durchaus guten Erziehung, schiebe die Frau ihrem gestöpselten Sohn hinterher und sage: „Sie hören von uns.“
Tür zu, den Rest macht mein Rausschmeißer, Frau Büser kann das prima.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#höhe! #jetzt

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