Mitarbeiter/Firma

Der Rolli – und wo er her kam

Fehler von Sprachwahrer Michael beseitigt

Rolf ist siebzehneinhalb Jahre alt, einssiebzig groß, käsebleich und pickelig wie ein Fünfzehnjähriger mit Streuselkuchenakne. Im Grund ist Rolf auch nicht häßlich, nur sieht er, bei rechtem Licht betrachtet, etwas dämlich aus. Aber dieser Eindruck täuscht, Rolf ist hochintelligent, fleissig, hat sozusagen das Schnittbrot erfunden, ist ehrlich, zuverlässig, kommt nie zu spät und arbeitet bis zum Umfallen, sagt zumindest mal seine Mutter, die ihn Rolli nennt.

Da steht er also vor mir dieser Rolli in seinem fast schon durchsichtigen und sehr ausgewaschenen weißen T-Shirt, seinen etwas zu kurzen Jeans und glotzt mich durch verspeckte Brillengläser an. So sieht also ein fleissiger und für mein Unternehmen angeblich unverzichtbarer Mitarbeiter aus.
Ich sehe das nicht so, aber seine Mutter tat und sie tut es mit Vehemenz.

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Nun gut, man soll Menschen nicht nur nach dem Aussehen beurteilen, man soll auch nicht nur den ersten Eindruck gelten lassen und vor allem ist seine Mutter eine verschwippschwägerte Hilfscousine vierten Grades. Ihre Mutter und meine Mutter kannten sich gar nicht, dafür waren aber deren Schwestern zusammen in einer Klasse und wußten von einem gemeinsamen Großonkel zu berichten. Es steht also fest, daß man in irgendeiner Weise miteinander verwandt ist, auch wenn das so weitläufig ist, daß es dem Grad an Verwandtschaft gleich kommt, der mich auch mit Angela Merkel, Karl dem Großen und dem Papst verbindet.

Ich brauche niemandem, ich will niemanden, aber meine Hilfscousine macht so kuhglotzige Tränenaugen und der Rolli ist doch bei seiner letzten Firma so gemobbt worden und ihr Mann Martin hält es nicht aus, wenn der Rolli den ganzen Tag vor der Playstation sitzt und überhaupt…

Okay, soll er ein Praktikum machen, gucken wir mal, was der Junge kann und so gewinne ich auch etwas Zeit. Nach drei, vier Wochen kann ich dann sagen, daß er nicht ins Unternehmen passt, habe aber meinen Teil zur Berufsfindung des Jungen beigetragen und schicke ihn wieder weg.

Die, den Papst und mich verbindende Cousine, ist überglücklich, umarmt mich und Rolli grinst fröhlich und sagt: „Super.“

Schon am nächsten Tag will er anfangen, gleich morgens um acht soll er da sein und dann schauen wir mal.

Meine Frau tippt sich an die Stirn und stellt erst mal klar, daß nicht ich mit Rollis Mutter verwandt bin, sondern sie.
„Du spinnst Dir da immer einen Scheiß zusammen, das ist ja unglaublich! Männer!“

Nein, nicht meine Familie sei mit den Rolli-Leuten verwandt, sondern ihr Großvater habe in der Kriegsgefangenschaft den Opa der Rollis kennengelernt und deshalb sei da eine verwandtschaftliche Beziehung.

Ich sage nur spöttisch: „Ja klar, das war so eine frühe Form der Schwulenehe mit anschließender Spontanniederkunft, klar doch!“

Je nee, ich würde das natürlich alles mal wieder ganz falsch verstehen und das sei ja ganz anders, aber so genau würde sie mir das jetzt nicht erklären wollen, ich höre als Mann ja sowieso nie zu und überhaupt bedeute es Perlen nach Athen zu tragen, würde sie mir das jetzt auseinander klamüsern.
Sie verdreht ja gerne absichtlich solche Sprichwörter.

„Das heißt Perlen vor die Säue werfen“, sage ich trotzdem und sie rollt nur in ehelicher Geduld mit den Augen.

Es stellt sich dann heraus, daß nicht ihr Großvater für die verwandtschaftlichen Bande zuständig gewesen ist, sondern ihr Vater auf der Flucht einen längst vergessenen Zweig der damals sehr verstreuten Familie entdeckt hat, dem die Rolli-Vorfahren entstammen. Gemeinsame Wurzel soll ein deutscher Schäferhund namens Hasso gewesen sein, der mit der Pfarrerstochter von St. Ignatius verheiratet gewesen sein soll.
Ich glaube diese Version schon deshalb nicht, weil St. Ignatius doch sehr katholisch klingt, während die Sippe meiner Frau doch komplett zur den papstleugnerischen lutheranischen Ketzern gehört. Das passt alles hinten und vorne nicht.
Und da ich lieber mit dem Papst verwandt sein möchte, als mit einem protestantisch-deutschen Schäferhund, steht für mich und somit auch im weiteren Verlauf fest, daß der Rolli irgendwie so etwas wie ein Großneffe von mir ist.

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(©si)