Menschen

Der Schager ist tot

Horst Schager ist tot.
Seitens seiner Familie wird er nicht sonderlich vermißt, denn der alte Schager war der Letzte seiner Linie und hatte keine Verwandten mehr. das heißt, es soll da noch eine Großcousine in Delmenhorst geben, aber hier war schon zu Lebzeiten kein wie immer gearteter Kontakt zustande gekommen.

Ich kannte Schager vom Sehen, meine Frau ist nämlich bei ihm in die Schule gegangen. Da war er noch ganz jung und schlank und meine Frau war noch jünger und ein Moppelchen.
Heute ist sie allerdings groß (zumindest mal größer als früher) und ganz schlank. Ich bin immerhin auch noch groß.

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Herr Schager ist später Oberstudienrat geworden, war auch mal Schulleiter und nach seiner Pensionierung ein allseits bekannter Lokalpolitiker.
Als solcher grinste er in Wahlkampfzeiten mit leicht schiefem Mund und etwas glotzäugig von den Plakaten und alle die ihn kannten schworen jeden Eid darauf, er trage auf diesen Plakaten das gleiche marineblaue Jackett, daß er schon zu Schulzeiten an den Ärmeln durchgeschlissen hatte, weshalb er sich damals Lederflicken dorthin transplantieren ließ.
Lederflicken am Ellenbogenbereich einer Jacke? Das tragen nur englische Großwildjäger im Ruhestand, Geschmacksverirrte und natürlich Lehrer. (Klischeekiste wieder zu.)

Seine graue, etwas speckige Hose soll Herr Schager auch nie gegen eine andere ausgetauscht haben und die etwas breiten Gesundheitsschuhe an seinen Füßen kennt auch jeder hier in der Stadt.

Besonders beliebt war Lehrer Schager nicht, das kann man wirklich nicht sagen. Aber verdient hat er sich gemacht, nicht unbedingt als Lehrer, aber als Lokalpolitiker und Ehrenvorsitzender in nicht weniger als 46 verschiedenen Vereinen. So wundert es niemanden, daß der alte Griesgram zweimal mit irgendwelchen bundespräsidialen Kreuzen an Nadel und Bande ausgezeichnet worden ist.

Diejenigen, die bei ihm zur Schule gegangen sind, die erinnern sich vor allem daran, daß Schager, als das Kinderverhauen schon lange zur Todsünde erklärt worden war, immer noch mit Lineal und bloßer Hand Schüler verhauen hat. Bedenkt man, wie alt Schager geworden ist, dann weiß man wie lange das auch schon wieder her ist, aber den ehemaligen Schülern ist auch seine Schlüsselbundwurftechnik gut in Erinnerung geblieben und der Pepi, der hat sogar eine Narbe über der rechten Augenbraue.

Nun ist Schager also auf eigenen Wunsch in seiner grau-blauen Kombination bestattet worden, bei seiner Beerdigung gab es ein großes offizielles Brimborium und die Trauerhalle war voll mit übergroßen Kränzen und Abordnungen aller möglichen Gremien, Parteien, Vereine und Verbände.
Und natürlich wurde vom Pult eine nicht enden wollende Reihe von wirklich übertriebenen Lobhudeleien auf den Toten abgesondert. Man hätte meinen können, daß ohne diesen Mann das Leben und Wirken in unserer Stadt in den letzten vierzig Jahren zum Erliegen gekommen wäre.

Ein paar Tage später wurden die vom Regen schnell zum Vergammeln gebrachten Kränze vom Grab abgeräumt, der Gärtner legte etwas Grün aus und steckte das Sammelwerk an Schleifen an den einzigen verbliebenen Kranz von der „Leitung des Abwasserzweckverbandes“ (die Schleife hätte man auch an irgendein Rohr hängen können) und erst da wurde der Blick auf das für die nächsten Wochen aufgestellte hölzerne Grabkreuz frei.

Was meint Ihr, was da jemand mit einem Edding-Stift aus dem Namen Schager gemacht hat?

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(©si)