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Die nasse Katze

Frau Büser ist ja die Seele von Ganzes. Über die Jahre hinweg ist sie absolut zur Expertin im Bestattungswesen geworden und kann alles, ohne sie wäre der Betrieb nicht funktionsfähig. Und doch gibt es da eine Sache, mit der sie nicht klar kommt und das ist das Internet.

Sie kann Mails schreiben und auch Webseiten aufrufen, aber der Weg dorthin ist jedes Mal ein Kampf.
Eben noch führt ihre Hand die Maus wacker und zielgerichtet, Frau Büser bedient unsere Finanzsoftware.
Dann gilt es, eine Anfrage per Mail zu beantworten und schon wird die Hand unsicher, die Maus irrt ziellos über den Tisch, Tasten werden mehr aus Verzweiflung denn aus Wissen gedrückt und alles ist von einem Seufzen überlagert.

Natürlich ist Frau Büser geschult worden. Aber sie saß in der Schulung genau mit der Haltung, die vornehmlich Frauen einnehmen, wenn Männer ihnen Technik erklären. „Ich kann das sowieso nicht, ich werde das nie lernen, das ist zu hoch für mich.“

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„Hören Sie doch mal auf zu lamentieren, dann bekommen Sie auch mit was ich Ihnen erkläre.“

„Da wird man wie eine nasse Katze in den Sack geworfen, außerdem geht Anrufen viel schneller.“

Die innere Abwehrhaltung, die Angst vor dem Neuen und die von vielen Älteren eingenommene Haltung (ich geh ja in 15 Jahren in Rente, da brauch ich das jetzt nicht mehr) versetzten Frau Büser in eine Stimmung, in der auch meine wirklich guten und sozusagen „büsergerechten“ Erklärungen nicht halfen.

„Das wird für mich immer ein Tuch mit sieben Riegeln bleiben“, verkündete sie und anhand der verdrehten Zitate und Metaphern erkennt der langjährige Büser-Kenner sofort, daß die Frau sich ziemlich aufregt.

Das ist nämlich eine Besonderheit an unserer lieben Frau Büser. Sie liebt es, Bilder, Metaphern, Aphorismen, Zitate und Sprichwörter zu verwenden und tut das für gewöhnlich auch sehr text- und zielsicher. Ist sie aber aufgeregt, dann gleicht ihre Zielsicherheit der eines wankenden Betrunkenen, der versucht, einen zusammengerollten Zehneuroschein in die Parkuhr zu stecken.

„Das sind für mich alles polnische Dörfer“, sagte sie eines Tages und Antonia war es, der auffiel, daß Frau Büser in diesem Spruch eine geografische Verschiebung vorgenommen hatte.

„Polnische Dörfer? Frau Büser, sind das nicht normalerweise polemische Dörfer?“ mußte unser Süßkrapfen klugscheißen.

Frau Büser überlegte, runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach: „Polemische Dörfer? Moment mal, laß mich mal überlegen…“

Sandy, die sich mit deutschen Redewendungen am wenigsten auskennt, muß sich aber in die Diskussion einbringen und ebenfalls besserwissern und klugscheissern, sonst wär‘ sie ja keine Frau.
Um an solchen Diskussionen teilzunehmen, wie die Drei sie da führen, ist es unabdingbar, daß man einerseits völlig ahnungslos ist aber andererseits fest entschlossen ist, diese Ahnungslosigkeit mit aller Vehemenz auch auf die anderen zu übertragen.

Also sagte Sandy: „Polemisch ist ja ganz was anderes, das hat was mit Freßsucht zu tun, wenn jemand Polemie hat.“

„Soll das jetzt gegen mich gehen?“ wollte Antonia wissen, doch keiner beachtete ihren Einwand. Stattdessen schüttelte Frau Büser den Kopf und stellte richtig: „Was Du meinst, ist nicht polemisch, sondern bulimisch. Diese Ess- Brechsucht heißt Bulimie.“

„Also das mit dem Bullen nehmt ihr jetzt zurück!“

Sandy nickte und so wandte sich das Dreigestirn wieder den polnischen Dörfern zurück.

„Polnisch klingt gut, ist aber nicht richtig“, gab Frau Büser zu: „Wo liegen denn nochmal die Dörfer, die keiner kennt?“

Wie aus der Pistole geschossen sagte Antonia: „In Ostdeutschland!“

„Da gibt’s nichts mit P“, wandte Sandy ein, doch Antonia meinte nur: „Doch, Potsdam.“

„Potsdam kann das nicht sein, daß muß eine Gegend sein“, stellte Sandy fest und fügte hinzu: „Außerdem drehte es sich nicht um Dörfer, die keiner kennt, sondern um Dörfer die gar nicht da waren. Die hat man aus Pappe nur so aufgebaut, um jemandem viele Dörfer vorzugaukeln.“

„Ja, das stimmt!“
„Genau!“
„Richtig, so war das!“
„Mensch, daß wir da nicht gleich drauf gekommen sind!“

Und seitdem ist es bei uns im Haus ein geflügeltes Wort und zeugt von hoher Bildung, wenn man sagt: „Das sind Pappenheimer Dörfer für mich!“

Mit mehreren anderen Texten auch im Podcast Nr. 18 zu hören:

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