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Einsamer Tod in der Wohnung

Der Anruf kam kurz nach 21 Uhr, die Polizei beauftragte uns, einen Verstorbenen abzuholen.
Die angegebene Adresse ließ auf eine ganz normale Wohnsiedlung schließen, Zwei- bis Dreifamilienhäuser.
Aber der Nachsatz des Beamten ließ uns aufhorchen: „Bringt ’ne Schaufel mit!“

Manchmal sind Ordnungskräfte, Retter und auch Bestatter untereinander etwas hart in der Wortwahl, das hilft mitunter, die schwierigen Situationen besser zu überstehen.

56 Jahre alt war Frau Schullermann, erst vor einem halben Jahr ist sie sehr vorzeitig in den Ruhestand gegangen, gesundheitliche Gründe sollen dabei eine Rolle gespielt haben. Zu allererst wollte sie eine Reise durch die schönsten Kurbäder Osteuropas unternehmen, das hatte sie im Haus herumerzählt und das erzählte uns ihre Nachbarin, die wie eine wurmwahnige Amsel um uns herumhüpfte und uns über sämtliche Umstände, Vorfälle und Vorkommnisse in Kenntnis setzen wollte.

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Die Reisetaschen stehen gepackt im Flur, der kleine Katzenkäfig verwaist daneben, die Katze liegt tot im Bad vor der Badewanne und Frau Schullermann hat statt ihrer Reise in die Kurbäder eine ganz andere Reise angetreten, sie liegt verrenkt, halb verwest, halb vertrocknet vor dem Fernseher.

Alle Fenster in der Wohnung sind gekippt, im Haus hat keiner etwas mitbekommen. Nein, es habe nicht gerochen und man habe die Frau auch gar nicht vermißt, schließlich habe man gedacht, sie sei verreist.

„Mich hat nur gewundert, daß die niemanden beauftragt hat, in ihrer Abwesenheit die Trepp‘ zu putzen! Sowas geht ja wohl mal gar nicht, wir sind ein ordentliches Haus!“ hüpft mir die Wurmamsel ins Ohr und will sich an uns vorbei in die Wohnung der Schullermann drängen. Einer der Beamten in Grün macht nur „Ts, ts, ts“, schaut sie vorwurfsvoll an und die Amsel bleibt im Flur, reckt dort den Hals um vielleicht doch einen Blick in die Wohnung werfen zu können.

„Da gibt’s nicht viel zu ermitteln“, sagt ein Kripo-Mann, läßt die von den Schutzpolizisten durchgerissene Türkette durch seine Finger gleiten: „Die war vorgehängt, auf dem Tisch liegt ein Portemonnaie voll mit Geld. Ihr bringt die Frau in die Rechtsmedizin, der Ordnung halber.“

Der langflorige Teppich gibt die Frau nur unwillig frei, ein paar Mal tief Luft holen, dann den Atem anhalten und ‚Hau Ruck‘, dann liegt sie im Kunststoffsarg, denn auch der berühmte Zinksarg ist heute aus Glasfaser. Ein Notarzt sitzt über Papieren, viel konnte er nicht tun, sein Fahrer steht auf den Haaren der Frau, die zum Teil am Teppich kleben geblieben sind. Als wir ihn darauf aufmerksam machen, weil wir halt alles mitnehmen müssen, auch kleine Reste und Haare, springt er erschrocken zur Seite, will einen Witz darüber machen, merkt aber, daß nun ein Teil der Schullermannschen Restfrisur an seinem Schuh klebt und kotzt daraufhin konvulsisch hinter einen Sessel.

„Ist was passiert?“ ruft die Amsel-Nachbarin aus dem Treppenhaus und der Kripobeamte drückt uns einen Zettel in die Hand.

Ab geht’s zur beinahe allerletzten Reise der Frau Schullermann.

„Und die Katz‘? Was issen mit der Katz‘? Nehmt ihr die nicht mit?“ will die Nachbarin im Flur noch wissen, läuft uns im Weg herum und wenn sie nicht in ihrer Tür verschwunden wäre, hätte ich ihr einen Tritt gegeben, beinahe wenigstens.
Wir sind an ihrer Türe vorbei, da kräht sie nochmals: „Und die Katz?“

„Ab ins Bett!“ kommandiert der Kripo-Mann und die Amsel nickt pflichtschuldigst und mit einem „Jawoll, Herr Kriminalrat“ verschwindet sie hinter der Tür.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#einsamer #wohnung

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