Mitarbeiter/Firma

Hocherhobenen Hauptes

In der Damentoilette stinkt es. Mancher wird jetzt sofort sagen: „Is normal“, ist es aber nicht. Denn es riecht aus dem Abfluß des Handwaschbeckens. So ein merkwürdiger modriger Geruch, der entfernt an verwesende Gnu-Hufe erinnert. (Wer die Serengeti kennt, der weiß was ich meine.)
Kein Problem, sagt der Chef, bewaffnet sich mit einem ganz wichtigen Produkt aus der Fernsehwerbung und marschiert zum Damenklo. Drei vier Spritzer von der türkisfarbenen Plörre in den Ausguß schütten, etwas Wasser nachlaufen lassen und dann noch ein paar Spritzer. Warten, riechen, super! Es riecht nach Methylenblauhexographitbenzoparalysin, klasse! Aber es läuft immer noch ganz schlecht ab.

Eine Stunde später kommt Antonia und sagt die drei Worte: „Stinkt immer noch!“

„Wie jetzt? Ich hab da doch was rein.“

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„Keine Ahnung, jedenfalls stinkt es noch. Erst hat es nach Chemieunfall gerochen, dann habe ich Wasser laufen lassen und dann roch es wie so’n totes Tier, so nach Kläranlage oder so.“

Chef holt den Pümpel. Also diese steife rote Babybadehaube mit dem Holzstiel dran. Den Überlauf mit etwas nassem Toilettenpapier zustopfen, etwas Wasser laufen lassen und dann ganz kräftig pümpeln. Aber richtig feste!
Frau Büser, Antonia und Sandy stehen in dem nicht gerade quadratmeterreichen Raum so halb in der Tür und halb im Raum und recken ihre Hälse. Jeder will sehen, wie der Chef das macht.
Ich stoße den Pümpel noch einmal heftigst nach unten und siehe da… das nasse Klopapier entfleucht dem Überlaufloch und klatscht mir jauchig erfrischend um die Nase.

„Okay, das geht so nicht“, sage ich und verkünde, daß ich jetzt die große chemische Keule auspacke und dieses Abflußfrei-Zeugs da rein schütten werde.

„Aber Chef, das ist doch so gefährlich und das macht doch die Rohre kaputt!“ sagt die eine, und: „Bei meinem Onkel hat das die ganzen Rohre zugebacken“, sagt die andere.

„Außerdem ist das voll giftig“, fügt Sandy hinzu und ich erinnere sie kurz daran, daß sie ja sogar Jägermeister trinkt und dann ist sie ruhig.

Also gut, wenn die mir nichts zutrauen… Ich gebe das Kommando, den Fuhlst kommen zu lassen, unseren neuen Haus- und Hoftechniker.
Fuhlst kommt und bringt Carlos Gastropoda mit, der für fünf Wochen in Deutschland ist, weile Fusseballe isse in die Deutscheland saugeil.

Die beiden lächeln nur müde, als ich ihnen erkläre, was ich schon probiert habe. Das sei ja alles Humbug und das müsse man fachmännisch machen. Da gebe es die Spiralenmethode und die Siphonmethode. Bei der Siphonmethode würde man…

Als ob ich das nicht wüßte! Da kriecht man unten in das Schränkchen, schraubt das U-förmige Stück Siphon raus, natürlich nicht ohne einen Eimer drunterzustellen und macht dann dieses gebogene Rohr sauber. Da steckt wahrscheinlich Schmodder und Gehaare drin. Kenn ich, weiß ich, hab ich früher auch gemacht, hab ich sogar schon oft gemacht, aber in den letzten 15 Jahren sind diese Waschbeckenunterschränkchen ja sowas von klein geworden… Nee, ehrlich, früher waren die größer, ganz sicher! Und da hingen die Waschbecken auch höher! Muß so sein, ich passte da da mal drunter!

Also Carlos und Fuhlst entscheiden sich für folgende Vorgehensweise. Erst probiert man die Siphonmethode. Wenn das nichts bringt, dann kommt die Spirale.

Unsere versammelte Frauenschar schaut mich mit etwas mitleidigen Blicken an. Ja ja, das hat der Chef nicht fertiggebracht, da mußte er aufgeben… Ich stehe kurz davor, meiner Autorität verlustig zu gehen.
Ich schaue zu, wie die beiden Fachspezialisten arbeiten. Fuhlst bleibt stehen, der ist auch zu groß, Carlos kriecht unten rein und schraubt den Siphon los.
Ich sage noch: „Denkt an den Eimer!“ Und ich ernte dafür einen vorwurfsvollen Blick von Fuhlst, der Carlos den bereitgestellten Eimer reicht.
So, und nun in Zeitlupe:

Carlos hat den Siphon gelöst und balanciert ihn überm Eimer. Fuhlst zieht den Eimer vorsichtig unten aus dem Schränkchen raus, während Carlos ihm den Siphon übergibt. Fuhlst balanciert mit dem randvoll gefüllten U-Rohr über dem Eimer weiter und schaut dann in das U-Rohr in seinen Händen hinein. „Ah, da ist ja alles voll!“
Carlos ist immer noch im Schränkchen und stochert mit einem Schraubenzieher in den offenen Rohrenden herum.
Und dann -jetzt in Superzeitlupe- sagt Fuhlst: „Muß man saubermachen!“ und dreht a) den Wasserhahn auf und schüttet b) die Jauche aus dem Siphon in den Ausguß!

Und was fehlt da unten? Und wer liegt da drunter?

Mit den Worten: „Ich hätt‘ ja Chemie genommen!“ verlasse ich hoch erhobenen Hauptes das Schlachtfeld.

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(©si)