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Ignoranz

Sandy kann ja immerhin ihre langen Beine verführerisch übereinanderschlagen um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Das hilft bei mir weniger. Gut, ich habe auch lange Beine, aber diese Netzstrümpfe sähen bei mir sicherlich weniger gut aus als bei Sandy.

Es geht um geschlechterspezifische Ausgrenzungen.
Wir hatten es ja schon einmal davon, daß Kunden die unsere Büros betreten, sich bei Anwesenheit mehrerer Mitarbeiter unseres Hauses immer an den einzigen Mann wenden.

Das sieht dann so aus: Ein Kunde betritt unser Haus und trifft in der Halle auf eine ganze Gruppe unserer Mitarbeiter. Diese hatten gerade in der Trauerhalle zu tun und treffen nun ihrerseits auf den Kunden. Frau Büser, die Büroleiterin, begrüßt den Kunden, geht einen Schritt auf ihn zu und hält ihm die Hand zum Gruße hin. Da kann es passieren und es ist so auch schon oft passiert, daß der Kunde Frau Büser mit einem kurzen Nicken stehen läßt und sich ausschließlich an die oder den Herren in der Gruppe wendet um sein Anliegen vorzutragen. Dabei spielt es keine Rolle ob der männliche Mitarbeiter eventuell eine Latzhose oder einen Overall trägt und einen Farbeimer in der Hand hält. Hauptsache es ist ein Mann, nur ein Mann hat Kompetenz…

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Über diese Thematik schrieb ich schon einmal und berichtete auch schon, daß sich unsere Damen da ganz gut zu helfen wissen.

Heute geht es mir um etwas Ähnliches. Sandy und ich sitzen gestern Nachmittag zusammen und lassen den Tag Revue passieren und erstaunlicherweise hatten wir das gleiche Erlebnis, nur seitenverkehrt.

Sandy hatte eine Beratung. Zwei Brüder waren gekommen um über die Beerdigung ihrer Mutter zu sprechen und ich hatte zeitgleich Mutter und Tochter hier, die die Bestattung ihres Mannes bzw. Vaters bestellen wollten.

Ich sitze also diesen beiden Frauen gegenüber und so als Allererstes schallt mir der Satz entgegen, daß Männer ja sowieso keine Ahnung haben. Gut, vielleicht meinen die ja nicht konkret mich, denn ich weiß doch schon ganz ordentlich Bescheid.
Normalerweise ist es ja so, daß ich der Herr des Verfahrens bin, ich kenne mich aus, weiß was alles kommt und leite die Kunden durch das Gespräch. Immer wieder höre ich von den Kunden Sätze wie: „Daran hätten wir jetzt gar nicht gedacht!“ und „An was man da alles denken muß!“ Die meisten sind dankbar, wenn wir sie an die Hand nehmen und führen.
Nicht so die beiden Damen gestern.
Die waren fest der Überzeugung, daß Männer grundsätzlich ein Fehlgriff der Schöpfung sind, nur dazu geschaffen, den Frauen das Leben schwer zu machen. Von der Intelligenz her irgendwo zwischen Amöbe und Pavian angesiedelt ist der einzige Lebenszweck des Mannes die selten gestattete Befruchtung und ansonsten: Arbeiten.
Für mehr, für das Essentielle, also insbesondere für eine besonders frauentypische Art der Dauerkommunikation ist der Mann nicht geschaffen und daher wertloser Ballast in der evolutionären Kette.

Mir signalisierten die beiden Frauen das schon dadurch wie sie sich setzten. Ich saß am Kopf des Tisches, die eine rechts von mir an der Seite, die andere links. So, und nun beugten sich die beiden vor, wandten sich dabei ein wenig von mir ab und begannen eine nicht enden wollende Dauerdiskussion, in die ich kaum einbezogen wurde. Allenfalls als Stichwortgeber durfte ich mal „Grab“ oder „Sarg“ sagen und ansonsten ignorierten mich die beiden vollkommen.
Versuchte ich, mich irgendwie wieder in das Gespräch einzubringen, zog die Mutter verächtlich die Augenbrauen hoch, die Tochter warf mir einen vorwurfsvoll-mitleidigen Blick zu und ohne auf meinen Einwand einzugehen setzten die beiden ihr Gespräch fort.
Manchmal wurden sie auch einfach lauter. Wenn ich beharrlich versuchte irgendeinen Sachverhalt darzulegen, übertönten sie mich einfach durch andauerndes Anheben der Stimme.

Fürchterlich!

Schließlich sind wir doch fertig geworden, aber es hat wenigstens doppelt so lange gedauert wie sonst.

Bei Sandy war es ähnlich. Ihre beiden Kunden nahmen sie als Frau zwar wahr, immerhin, aber sie ließen keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Frau an sich und Sandy im Besonderen allein der schnellen Befruchtung dienen und ansonsten bitte ebenfalls irgendwo zwischen Amöbe und Pavian zu verharren haben, putzender- und waschenderweise versteht sich.

„Ich bin mir vorgekommen wie eine Sprechpuppe. Manche Sätze mußte ich drei oder vier mal sagen, bis die mir mal zugehört haben“, beklagte sich Sandy und dann erzählte sie mir, wie sie die Aufmerksamkeit der Männer doch noch auf sich lenken konnte.
„Wenn die in mir schon einzig und allein schönes Beiwerk sehen, dann liefere ich denen eben das was sie sehen wollen!“
Sandy hat einen Knopf der Bluse geöffnet, sich ihre Lippen geleckt und die beiden mit scharfem Augenaufschlag von unter herauf angeschaut. Ab und zu noch die langen Beine in den aufregenden Netzstrümpfen übereinandergeschlagen und schon fraßen ihr die Paviane aus der Hand.

Irgendwie kann ich meine beiden Frauen jetzt besser verstehen. Vielleicht sind manche Männer wirklich so. Ich bin es nicht!
So, und jetzt geh‘ ich mir Netzstrümpfe kaufen.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#ignoranz

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(©si)