Frag doch den Undertaker

Leiche nicht obduziert, gibt es so etwas?

Lieber Tom,

in unserer Stadt ist gestern eine Leiche gefunden worden. Die Frau saß tot vor ihrem Fernsehsessel auf dem Boden und das schon viele Tage. Die Verwesung war weit fortgeschritten und die Polizei hat die Wohnung geöffnet, das heisst die Feuerwehr.
Im Regionalfernsehen hiess es, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet wird und es keine Obduktion geben wird.
Aus Deinem Weblog kenne ich das aber anders. Da wird doch immer der Staatsanwalt geholt und eine Obduktion gemacht.

Keineswegs. Es ist zwar richtig, daß ich einige Male Fälle beschrieben habe, in denen die Staatsanwaltschaft ermittelte und auch eine Leichenöffnung im Rechtsmedizinischen Institut vorgenommen wurde. Es ist aber durchaus von den Ermittlungsergebnissen der Polizei abhängig, ob das der Fall ist oder nicht.

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Wenn es ein junger Mensch ist, oft bei Todesfällen unter freiem Himmel, wenn die Umstände nicht eindeutig sind, wenn sich Angehörige entsprechend äußern, dann wird ganz regelmäßig auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet aber auch nicht immer obduziert.

Zunächst kommt nur die Schutzpolizei und schaut sich den Sterbeort an. Ganz häufig ist alles so eindeutig, daß man von allen weiteren Ermittlungen absehen kann. Schwerkranker, alter, alleinlebender Mensch in einer von innen verschlossenen Wohnung, wo auch noch der Schlüssel von innen steckt und ansonsten alle Fenster geschlossen sind…
Bestehen die geringsten Zweifel, so kommen die Ermittler der Abteilung „Leib und Leben“ (die je nach Region auch anders heißt und im Fernsehen immer Mordkommission genannt wird) und schauen näher nach. Oft kommen sie aber auch zu dem Ergebnis, daß keine unnatürliche Todesursache vorliegt.
Haben diese Beamten Zweifel oder ist es nach ihrer Ansicht fraglich, wie der Tod zustande gekommen ist, dann geht die Sache weiter an die Staatsanwaltschaft, die Leiche wird beschlagnahmt und ggf. geöffnet.

Es geht bei den Ermittlungen am Sterbeort im Übrigen viel sachlicher und nüchterner zu, als es uns im Fernsehen immer gezeigt wird. Der Bestatter bekommt das hin und wieder mit.
Ich erinnere mich an einen Fall, als ein Mann beim Kaffeetrinken im Familienkreis einfach tot vom Stuhl fiel.
Erst kam der Arzt, dann rief man uns und wir standen quasi mit dem „Zinksarg“ die ganze Zeit parat, während doch noch die uniformierte Polizei und dann die Kripo kam.
Es wurde viel fotografiert, viel in Diktiergeräte gesprochen, jeder Handgriff saß und alles war sehr unspektakulär und eigentlich in jeder Hinsicht langweilig.
Am Ende kam dann einer von der Kripo und sagte: „Ihr könnt ihn mitnehmen.“

Im Grunde ist es von den ersten Leuten abhängig, die einen Toten untersuchen, ob ein Mord evtl. unentdeckt bleibt oder nicht.
Die Kette fängt oft beim Hausarzt an. Schaut der bei der Leichenschau nicht richtig und kreuzt vorschnell „natürliche Todesursache“ an, wird sich selten noch jemand für den Fall interessieren. Kommt der Leichnam in ein Erdgrab, gibt es auch keine zweite Leichenschau, ein eventueller Mord bliebe unentdeckt.

Selbstverständlich sind Ärzte in der Lage, festzustellen, ob ein Mensch tot ist, aber sie sind nicht wirklich gut genug dafür ausgebildet, raffinierte Tötungsdelikte aufzudecken.

Kommen Polizisten zum Sterbeort so hängt alles weitere von deren Sachverstand und Beobachtungsgabe ab.

Es gibt manchmal viele Stationen oder meinetwegen auch Glieder einer Kette, bis es tatsächlich zu einer Obduktion kommt.


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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 5. Juni 2010 | Revision: 28. Juni 2012

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14 Jahre zuvor

Schon irgendwie gruselig. Und da rühmt sich die Polizei einer so hohen Aufklärungsquote von Morden… jaaaaa. Die Aufgedenkten Morde.

*schüttel*

Gruß
Joe

Ronald
14 Jahre zuvor

Also die Figur links kann man mit geschlossenem Mund *sehen* oder aber mit offenem und zähnezeigend. Im letteren Fall wenig nett/neutral dreinblickend.

Ich tendiere zu letzterem.

Tim
14 Jahre zuvor

Grundsätzlich entscheidet nicht die Kriminalpolizei über eine Obduktion, sondern der Staatsanwalt!

Bei eingetretener Fäulnis kommt es zumindest hier in Berlin zu einer Obduktion, um den Todeszeitpunkt genauer festzustellen!

kall
14 Jahre zuvor

@3
Nichts anderes hat Tom gesagt.
Aber die Entscheidung zur Obduktion wird die Staatsanwaltschaft nur treffen können, wenn sie überhaupt eingeschaltet wird. Und das wird sie nicht, wenn die Kripo oder Schupo die Leiche bereits vorher freigegeben hat, so geschehen in meiner weiteren Familie, wo der Notarzt die Polizei angefordert hatte und diese dann die Leiche freigab.

sanja
14 Jahre zuvor

die meisten morde werden angeblich nicht mal entdeckt. da gibt es ärzte, die nicht mal die decke zurückschlagen umzu erkennen dass da riesige würgemale (sogar als laie hätte das JEDER identifiziert) sind. oder leichen die nicht mal umgedreht wurden + 12 messer im rücken sind. von denen die man entdeckt ist auch die fragen wieviele aufgeklärt werden.
in österreich liegt mordaufklärungsrate ca. bei 40%. was noch relativ viel ist, im vergleich zu bspw. amerika wo es bei weniger als 10% liegt.
je weniger der mörder mit dem opfer zu tun hatte, desto geringer die wahrscheinlichkeit der aufklärung. und so wahrscheinlich dass ein mord entdeckt wird, ist es eben nicht. im fernsehen ist das schön und alles logisch. aber ich zitiere einen gefängnisaufseher: „die, die hier sitzen, sind eigentlich alles nur totale vollidioten“…

14 Jahre zuvor

Tja, Ronald,
das ist wohl eine Frage der Perspektive,
ich sehe ihn mit geschlossenem Mund,
da scheint er ein wenig zu lächeln.
Vielleicht die Vorfreude auf gute Geschäfte. Auf jeden Fall eine interessante Figur!

bloeder_hund
14 Jahre zuvor

lesens wert
„Im Rücken steckt das Messer: Geschichten aus der Gerichtsmedizin“
von Hans Bankl

look like death warmed up
14 Jahre zuvor

Da gabs doch mal dieses schöne Buch „Tote haben keine Lobby – Die Dunkelziffer der vertuschten Morde“ von Sabine Rückert. Habe es damals nicht gelesen, aber einen sehr interessanten Beitrag im Fernsehen geschaut. Falls sich jemand interessiert… Ist als Taschenbuch sogar noch erhältlich.

Manuela
14 Jahre zuvor

So ein ähnliches Buch habe ich auch gelesen, ich weiß nicht, ob es das gleiche ist, müsste ich daheim nachschauen. Jedenfalls vermutet der/die Autor/in, dass es ungefähr doppelt so viele Tötungsdelikte gibt wie entdeckt werden. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Einsparungen. Einerseits kosten die Untersuchungen eine Menge Geld, andererseits kommt eine polizeiliche Ermittlung auch nicht gerade billig. So schlägt man 2 Fliegen mit einer Klappe: der Staat spart das Geld für die Autopsie, und die Gefahr einer Ermittlung besteht auch nicht. Es ist schon vorgekommen, dass ertappte Mörder Taten gestanden haben, die seinerzeit als natürlicher Tod eingestuft worden waren. Eigentlich müsste ein Arzt bei der Totenbeschau die Leiche vollständig entkleiden und alle Körperöffnungen untersuchen. Das ganze bei heller Beleuchtung. Jetzt stelle man sich das auf dem Land vor.

Alleswisser
14 Jahre zuvor

@2 und 6: Wovon zum Geier redet Ihr? Kann ich auch was von den Pillen haben?

Anonym
14 Jahre zuvor

@10 das andere links 😉

unter paypal ist eine Figur, die je nach Sichtweise einen geschlossenen oder offenen (zahnlosen) Mund hat




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