Dr. Ruth Westheimer, die als Popikone der Sexualaufklärung in den USA galt, ist im Alter von 96 Jahren in New York verstorben. Seit den 1980er Jahren gab sie in Radio- und Fernsehsendungen Ratschläge rund um das Thema Sex und brach dabei viele Tabus.
Mit klaren Aussagen wie „Alles, was zwei Erwachsene einvernehmlich in der Privatheit ihres Schlafzimmers oder auf dem Küchenboden tun, ist in Ordnung“ wurde Dr. Ruth, die ihre Kindheit in Frankfurt verbracht hatte und vor den Nationalsozialisten fliehen musste, zur Ikone. Sie beantwortete ab 1980 Fragen zu Erektionsproblemen, weiblichen Orgasmen und Penisgrößen und tat dies quirlig, energetisch und geradeheraus. Ihre Art und ihr Alter – bei ihrer ersten Sendung war sie 52 – machten sie für viele Menschen vertrauenswürdig.
Die Washington Post bezeichnete sie als „Mary Poppins des Orgasmus“. Dr. Ruth sprach offen über Themen, die zuvor tabu waren, und veröffentlichte über 30 Sexratgeber, darunter „Sex für Dummies“ und „Silver Sex – Wie Sie Ihre Liebe lustvoll genießen“. Sie prägte die öffentliche Diskussion über Sexualität und trug maßgeblich zur Aufklärung bei.
Dr. Ruth Westheimer war eine der Ersten, die öffentlich über Ejakulation, Vagina und Penis sprach. Ihre Offenheit nahm den Menschen die Scham und bildete zugleich auf. Sie betonte, dass es kein „normal“ in Bezug auf sexuelle Orientierung gebe und setzte sich früh für Respekt gegenüber homosexuellen Menschen ein.
In den 1980er Jahren, als die Zahl der HIV-Infektionen zunahm, betonte sie die Bedeutung von Kondomen und sah Verhütungsmittel als Ergänzung zur Lust. Sie kämpfte gegen die Vorstellung, dass Frauen keinen Spaß an Sex haben könnten, und widersprach offen Sigmund Freud, indem sie sagte, die Größe eines Penis sei für die Befriedigung einer Frau unerheblich.
Dr. Ruth Westheimer (geb. Siegel) wurde am 4. Juni 1928 in Frankfurt am Main geboren. Nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten lebte sie zunächst in einem Schweizer Waisenhaus, bevor sie nach dem Krieg nach Palästina auswanderte. Dort diente die nur 1,40 m große Frau sie als Scharfschützin in der Haganah, der jüdischen Untergrundarmee. Im Palästinakrieg wurde sie 1948 durch eine Bombe verwundet. Im neu gegründeten Staat Israel machte sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.
Später studierte sie Psychologie an der Pariser Sorbonne, wo sie auch Lehraufträge erhielt. 1956 emigrierte sie in die USA, wo sie in dritter Ehe Manfred Westheimer (1927–1997) heiratete. An der Columbia University absolvierte sie das Soziologiestudium mit einem Master-Abschluss (mit einer Masterarbeit über die Heimkinder in Heiden) und wurde zum PhD promoviert.
Westheimer veröffentlichte 1989 ihre Autobiographie All in a lifetime. In einem zweiten autobiographischen Buch Musically Speaking (dt. Die Sprache der Musik) beschreibt sie ihren Lebensweg von ihrer Geburt bis zur Umsiedlung nach New York anhand deutscher Volkslieder.
Westheimer wurde nach ihrer Auswanderung US-amerikanische Staatsbürgerin; seit 2007 besaß sie auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis ins hohe Alter hat sich ihr ausgeprägter hessischer Dialekt in ihrem Deutsch erhalten.
Ruth Westheimer starb am 12. Juli 2024 im Kreise ihrer Familie in ihrem Haus in New York.
- RuthWestheimer-a: Harald Bischoff - CC BY-SA 3.0
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