Ich könnte mir heute, rückblickend, noch die Haare raufen, wenn ich daran denke, wie aufgeregt wir alle waren, als Daniel verschwunden war.
Vom Blumenladen hatten wir erfahren, daß er mit Frau Birnbaumer-Nüsselschweif unterwegs ist und natürlich stellten wir uns alle die Frage, was sie mit dem Jungen vor hatte.
Meine Frau beruhigte uns und sagte: „Wenn die mit dem Jungen Blumen kaufen geht, wird sie ihn ja nicht fressen wollen.“
Sie hatte Recht, ich nickte: „Ja, die wird sich nur in Szene setzen wollen.“
Frau Olugulade wurde nun immer mehr abgelenkt, es trafen die ersten Trauergäste ein und gingen gemeinsam mit ihr in unsere Trauerhalle. Viele Leute, das kann ich jetzt schon erzählen, tauchten da nicht auf. Zu neu war die Familie in unserer Gegend und es war eine Zeit, in der noch nicht 400 Leute aus mehr oder weniger selbstdarstellender Solidarität auf die Beerdigung wildfremder Migranten gingen, die seinerzeit noch Ausländer hießen.
Eine Frau vom Mütterkreis erschien, ein Schwarzer den wir zuvor nie gesehen hatten, den Frau Olugulade aber kannte und weinend begrüßte, noch eine Frau aus unserem Stadtteil und später noch ein Spanier, den eigentlich niemand kannte, der aber beteuerte, sehr zu trauern.
Der Friedhofsverwalter rief an. Ja was denn nun sei, wann wir denn nun die Urnenbeisetzung haben wollten, ewig habe er auch keine Zeit, vor allem rege ihn auf, daß er nun in seiner grauen Uniform parat stehen müsse, weiter hinten auf dem Friedhof aber viel Arbeit auf ihn warte, die es aber nunmehr dringend erforderlich mache, daß er seine grünen Arbeitsklamotten wieder anziehe.
Ja gut, so formulierte er das nicht, er sagt:
„Ey, jetzt hab ich die Faxen langsam dicke, ich muß noch drei Löcher ausheben und sitz hier in der Uniform, wird das bei Euch heut‘ noch was?“
Die Polizei sollte ich rufen, schlug mir Sandy vor, die die Birnbaumer-Nüsselschweif überhaupt nicht leiden kann. Doch was sollte ich mit der Polizei? Ich kannte die Beamten auf unserem Revier und wußte, daß die so hölzern waren, daß ich Stunden gebraucht hätte, ihnen den Sachverhalt klar zu machen. In einer anderen Sache war ich mal dort und kam überhaupt nicht dazu, den Kern der Sache zu schildern, weil mich der aufnehmende Beamte ständig unterbrach und die nebensächlichsten Dinge hinterfragte, nicht weil er es nicht verstand, sondern offenbar einfach um des Fragens willen. Das Protokoll sah hinterher aus, als habe ein völlig Fremder es diktiert, kaum etwas davon entsprach dem was ich gesagt hatte und bis ich das alles geändert hatte…
Frau Büser kam herein: „Chef, hier ist jemand am Telefon.“
Es war unsere geliebte Dorfklatschtante, die Gemüsefrau von vorne an der Ecke. „Sie suchen doch die Frau Birnenbaum, oder? Die steht nämlich drüben an der Kirche und lässt sich filmen und die hat den Jungen dabei den sie apportiert haben. Nicht wahr, sie wollen den doch apportieren, weil ihre Frau keine Kinder mehr bekommen kann?“
Doofe Nuss! Meine Frau ist fruchtbarer als das Donaudelta und wenn es nach der Zahl der Eisprünge ginge, könnten unsere Kinder in voller Mannschaftsbesetzung gegeneinander ganze Fußballturniere austragen…
Aber so ist das eben mit den Tratschweibern, sie wissen immer nur ein bißchen, den Rest dichten sie dazu, erst als Frage oder Behauptung, dann als Tatsache. Ich hatte aber keine Zeit, um mit der Gemüsefrau über diesen Quatsch zu diskutieren, bedankte mich kurz und schon saßen wir im Auto, auf dem Weg zur Kirche. Ich am Steuer, neben und hinter mir meine Frau, Sandy und der allgegenwärtige Jussip.
Vor der Kirche bot sich uns ein absonderliches Bild. Die Birnbaumer-Nüsselschweif hatte sich eine Papptafel mit einem Holzständer bringen lassen, auf der sie Zeitungsausschnitte über ihre Afrika-Gruppe aufgeklebt und mit einem dicken Filzstift ihre Bankverbindung für Spenden aufgemalt hatte. Vor diesem Plakat posierte sie in ihrem Walle-Walle-Mantel, warf den Kopf mal nach rechts, mal nach links und rückte den etwas hilflos dreinschauenden Daniel, der ein kleines Nelkensträußchen in der Hand hielt, hin und her.
Herr Boberitz, der Lokalberichterstatter vom „Stadtanzeiger“, einem unsäglich dämlichen, stets hofberichterstattenden Reklameblättchen für unseren Stadtteil, dirigierte den tanzenden Wal und knipste. Bobritz ist der einzige Fotograf, der er schafft, von einer Leiter herab Leute zu fotografieren und dennoch eine Froschperspektive hinzubekommen.
Ihm konnte ich keinen Vorwurf machen, er wollte nur eine kleine Schlagzeile und ein paar Bilder. Doch die Nüsselbaum, die wollte ich schlachten!
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: olugulade
Warum hast Du sie nicht einfach geschlachtet, dann hätte der Stadtanzeiger auch eine schöne Schlagzeile gehabt 🙂
Und wir würden 15 Jahre auf die Fortsetzung warten. Kein guter Plan.
Mit der Betonung auf _Schlag_zeile? *ähem*
@Julchen:
Stimmt, und mit der entsrechenden Aussprache wird daraus die [b]Schlacht[/b]zeile.
> Bobritz ist der einzige Fotograf, der er schafft, von einer Leiter herab Leute zu fotografieren und dennoch eine Froschperspektive hinzubekommen.
LOLROFLMAOBITC! YMMD!
…fruchtbarer als das Donaudelta…
*rofl*
Hol die Puppe und die Stecknadeln raus. 😉
Ihr habt den Jungen apportiert?
Oder war das vielleicht doch eher euer Hund? 😀
Und der Rüsselschwein gehört ihr dämliches Schild über ihre dämliche Rübe gezogen…natürlich abseits der Presse *hüstel*
„meine Frau ist fruchtbarer als das Donaudelta“, na da wird sie sich aber freuen wenn sie das liest. 😉
*g*
ich muss immer an „Fieselschweiflinge“ denken…gibts demnächst lauter kleine „Afrika-Nüsselschweiflinge“?
Sense? – OK
Kettensäge? – OK
darf es sonst noch etwas sein?
🙂
[quote]Jemand, der sich Yeti nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 28.02.09 um 11:49 Uhr folgendes:
„meine Frau ist fruchtbarer als das Donaudelta“, na da wird sie sich aber freuen wenn sie das liest. 😉
[/quote]
besser wie furchtbar,oder 8)
Mann, mann, mann! Du MACHST es aber auch spannend! Nu schlachte schon das Rüsselschwein! 😉
Wieso hast du nicht einfach LAUT (und deutlich) klargemacht, dass du es nicht wünschst, wenn die Frau trüffelschwein ohne auch nur bescheidzugeben Kinder entführt, die gerade durchaus andere Probleme haben, um sie für ihre Werbezwecke auszuschlachten? Der Reporter hätte eine gute Schlagzeile, und die Trüffelschwein wärst du vermutlich los.
„Apportieren“…. meine Güte. Einen schönen Gruß von Pisa 1958.