„Sie haben ja nun mal gar keine Ahnung!“ keifte mich die Birnbaumer-Nüsselschweif an, während Daniel zu meiner Frau lief.
„Wissen Sie was Sie sind?“ fragte ich die Birnbaumer und sie schnitt mir das Wort ab: „Ja, ich bin die Einzige, die hier Verantwortung übernimmt und Flagge zeigt. Das alles hier dient ja einem höheren Ziel, wovon Sie ja offensichtlich überhaupt keine Ahnung haben. Wissen Sie eigentlich, wieviele Menschen jeden Tag in Afrika sterben?“
„Sie sind so eine impertinente Hohldommel, Sie linksgedrehte Knopfleiste, Sie!“ rief ich und fuchtelte ihr mit den Händen vor dem Gesicht herum. Später sagte Sandy mir, es habe ausgesehen, als ob ich der Nüsselbirne den Hals umdrehen wollte. Und ja, innerhalb von Sekunden standen wenigstens zehn Leute um uns herum, während ich von der Birnbaumer nichts anderes wissen wollte, als was ihr denn einfiele, so einen Zinnober zu veranstalten, während wir alle darauf warten, endlich die Beisetzung der Urne durchführen zu können.
Den Leute war es egal, um was es ging, Hauptsache da war was los.
Und natürlich kam auch das grün-weiße Auto unserer Ordnungshut, fuhr erst einmal vorbei, drehte dann an der Einfahrt zum Pfarrhaus und blieb auf dem Kirchplatz stehen. Langsam und umständlich ihre Mütze aufsetzend, so als täten sie das zum ersten Mal und nicht Dutzende von Malen jeden Tag, näherten sich die Beamten und wenn ich ehrlich bin, ihre Gesichter sprachen Bände, Bände leerer Seiten…
Wer denn verantwortlich sei für diesen Menschenauflauf, wollten sie wissen und dann deutete einer auf Frau Brüsselschweifs Plakat: „Wem gehört das Ding denn da? Es hat Beschwerden gegeben, Sie dürfen hier doch vor der Kirche nicht einfach einen Infostand aufbauen.“
Ich war viel zu aufgeregt und in mir lief ein Film ab, in dem ich mir vorstellte, was man mit der Dicken alles anstellen könnte und auf welche Weise man sie möglichst schmerzhaft ins Jenseits befördern könnte. Da bekam das Wort ‚Menschenauflauf‘ eine ganz andere Bedeutung und auf einmal hatte ich ein Bild vor Augen, das mir heute noch, wenn ich mal daran denke, noch ein Lachen entlockt. Die Nüsselschweif nackt auf einem Riesentablett, Petersilie in den Ohren, einen Apfel im dampfenden Maul und rund um die Hüften einen schönen Berg Kartoffelpüree…
„Was gibt es denn da zu lachen?“ wollte der andere Beamte wissen, der sich offensichtlich von mir verscheißert fühlte. Nur mit Mühe gelang es meiner Frau, ihn davon zu überzeugen, daß ich ihn nicht gemeint haben könnte und daß wir jetzt alle zu einer Beerdigung müßten.
Jussip nickte heftig, schürzte die Lippen und sagte „Amen!“
„Also alle, die jetzt hier mit der Demonstration nichts zu tun haben, verschwinden jetzt hier!“
Man glaubt nicht, wie schnell wir, mitsamt Daniel, im Auto saßen und wegfuhren. Zurück blieben die Nüsselschweif, zwei leere Bände und zwei Handvoll Neugieriger.
Vor uns lag die Beisetzung der Urne des Herrn Olugulade.
Gemeinsam liefen wir zum Friedhof. Vornweg meine Frau, Pastor Brentzinger und ich, dahinter Frau Olugulade mit den beiden Kindern und daran schloss sich die kleine Trauergesellschaft an. Der Weg ist nicht weit und der Friedhofswärter sah uns schon kommen. Er hatte sich inzwischen für eine Kombination aus grauer Uniformhose und grüner Arbeitsjacke entschieden und bis wir bei ihm waren, hatte er sich einen grauen Kittel übergezogen und seine amtliche Schirmmütze aufgesetzt. Die Urne mit der Asche des Verstorbenen hielt er unter dem Arm, als würde er ein Ferkel zu Markte tragen.
Ich schaute ihn an, zog die Augenbrauen hoch und gab ihm ein kleines Zeichen. Wenigstens etwas gab er sich dann Mühe und drückte die Urne nunmehr mit beiden Händen vor die Brust. Wir warteten noch einen kleinen Moment, bis sich der alte Herr Pastor umgezogen hatte. Er war kürzlich pensioniert worden und blieb nur noch einige Monate in unserer Gemeinde, dann zog er zu seiner Schwester aufs Land.
Schon vor Tagen hatte er von sich aus angefragt, ob er die Urnenbeisetzung übernehmen solle und den ganzen Vormittag auf unseren Anruf gewartet. Jetzt war er schon etwas schläfrig, aber guter Dinge.
Der Friedhofsverwalter ging mit der Urne vor der Brust neben Pfarrer Brentzinger vor uns her und wir anderen folgten ihnen. Der Weg bis zum Grab an der Mauer war nicht sehr lang, aber der Friedhofswärter bog zweimal unnötig ab, dadurch standen wir dann aber alle schön in Reih‘ und Glied, als die kurze Zeremonie begann.
Wir vom Bestattungshaus hielten uns im Hintergrund, am Grab standen die wenigen Leute, die gekommen waren und der Pfarrer betete, sprach der Familie in einer kurzen Ansprache Trost aus und dann kam der Moment, in dem der Friedhofsverwalter die Urne in das kleine Loch gleiten ließ.
Frau Olugulade schluchzte auf und die Frauen neben ihr hatten ihre liebe Mühe, sie etwas zu beruhigen. Daniel stand da und drehte verlegen sein Nelkensträußchen in den Händen. Ich trat vor, gab ihm einen kleinen Stupser und nickte in Richtung Grab. Er verstand es, ging die paar Schritte, schaute neugierig in das Loch und dann legte er die Nelken daneben.
Das war sie, die Urnenbeisetzung des Herrn Olugulade, schmucklos, kurz und kalt, wäre da nicht Jussip gewesen.
Er begann erst zu summen, dann sang er mit voller tiefer Stimme ein Lied in einer Sprache, die ich nicht kenne. Langsam, ergriffen und mit geschlossenen Augen sang er Strophe um Strophe. Im wahrsten Sinne des Wortes war außer dem Gesang nur Totenstille.
Als er fertig war, wischten sich alle ein paar Tränen aus den Augen.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: olugulade
Hmmm … es mögen viele Menschen in Afrika hungern, aber ob da jemand so viel Hunger hat, daß er Rüsselschwein am Spieß will? Und kann man das ehtisch verantworten, sowas zum Essen freizugeben? Weil wenn’s Rinderwahnsinn ist, der ist ja beim Essen übertragbar…
Schöne Geschichte.
Aber warum kommt das Rüsselschwein so glimplich davon?
ich glaaaub fast.. da kommt noch was nach … 🙂
hoffen wir, dass die Familie ihren lieben Frieden hat bzw. findet.
Der letzte Absatz hat mir den Atem genommen. Sehr rührend, auch wenn man nicht selbst dabei gewesen ist. :'(
[quote]Jemand, der sich jemand nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 28.02.09 um 16:20 Uhr folgendes:
Schöne Geschichte.
Aber warum kommt das Rüsselschwein so glimplich davon?
[/quote]
Achtung Wortwitz,
das „dicke“ Ende kommt wahrscheinlich noch 8)
(und das arme Kartoffelpüree)
Ich finde auch, das Kartoffelpüree hat sowas nicht verdient. Wobei, sorry Tom, wie um alles in der Welt krieg ich das Bild jetzt aus dem Kopf? Ich hab die Dicke irgendwie mit Merkelschem Gesichtsausdruck und Petersilie und Apfel…
bäh.
Ich weiß was du meinst mit dem Lied, da steckt Kraft hinter. Als ob die Seele singt. Die Lieder mag ich nicht kennen, aber die Art zu singen ist viel intensiver als das blutleere Gedudel hier bei uns.
„Wissen Sie eigentlich, wieviele Menschen jeden Tag in Afrika sterben?“
Erinnert mich. Wer wollte die Familie nach Afrika zurückschicken?
Ja, die Vorstellung von Rüsselsaum-Hirnschweif als Riesenbraten hätte mich auch zum Lachen gebracht.
Im übrigen finde ich die Geschichte bunt und gut beschrieben genug, da brauch ich keine Photos zu.
Aber das ist persönliche Ansichtsache, nix für ungut.
Tom, wann kommt endlich die Geschichte das die Nuss-Dings bei dir eine Bestattung in Auftrag geben will?
Oder erscheint die Geschichte gleich als Buch um uns vor Klippen zu schützen? 😉
Die Geschichte erscheint als Fortsetzungsroman 😉
Egal. Solange wir nicht 20 Jahre auf die letzte Fortsetzung warten müssen. 😉
sicherlich wird die ordnungsbehörde mit der „ich hab nen apfel im maul“ frau intensiv ins gespräch kommen ( so hoffe ich jedensfalls).
zur frau rüsseldings gefragt: ist die denn auch koscher?
Aber eigentlich muss man sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Da steht die Beerdigung des Vaters des Jungen an – und die Nüsselschweif missbraucht ihn genau zu der Zeit, um für ihre bekloppte Afrikagruppe Spendenaufrufe im örtlichen Käseblatt zu lancieren und gleichzeitig ihr Geltungsbedürfnis zu pudern.
Ich hab immer noch Probleme damit, zu glauben, dass jemand SO strunzdumm ist…
ne, Tom, ich glaub dir das – aber ich fass das nicht wirklich.
Wenn ich mir die Anzüge auf dem Bild so anschaue und dann auch noch die Brillen- und Bartmode berücksichtige ist diese Geschichte mindestens 20 jahre alt 😉
@13: nönö, die Afrikaner die hier auf der Uni sind, laufen mitunter auch so herum. Und wenn man als Student nicht viel Geld hat – was ja ab und an der Fall sein soll, speziell auch wenn man als Stipendiat in unserem gelobten Land weilt – ist man anzugtechnisch nicht unbedingt à la mode…
Und wenn ich an meine Afrika-aufenthalte denke (nicht als Touri, wohlgemerkt), so ist da das Modebewusstsein etwas anders als hier ausgeprägt. Nix da mit zweimal im Jahr die „neue Kollektion“ kaufen. Was Frisuren und Bärte angeht, so sind die seit ich Afrika kenne immer gleich geblieben.
Bisschen komisch ist die Geschichte schon.
Selbst der grösste Trottel sollte wissen, was er normalerweise auslöst, wenn er ein Kind einfach abgreift. So blond kann man doch gar nicht sein, oder?
Dass Frau O. wahrscheinlich keine Anzeige erstatten wird, steht auf einem anderen Blatt, könnte aber sein dass Kindesentziehung (?) ein Offizialdelikt ist. Weiss nicht, ob der Staatsanwalt da viel Spass versteht.
Nüsseldingens auf dem Tablett? Wer mag schon Gammelfleisch. Grusel.
Hoffentlich ist sie nicht mit einem blauen Auge davon gekommen. Wobei ich befürchte, dass sie den Grossteil der Schuld auf Tom abschieben will.
Um Schuld abzuschieben, muss man sie erstmal erkennen.
Ich halte Frau B-N aber für so sehr von sich selbst und ihrer „guten Sache“ überzeugt, dass sie vor lauter Eifer blind für alles andere ist.