Der FDP-Politiker Lambsdorff ist gestern verstorben.
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Ich habe mich immer wieder gewundert, warum er bei seinen dubiosen Finanzjonglagen bis zuletzt noch so ein hohes Ansehen hatte.
Mir sagte mal ein Engländer:
Ihr Deutschen seid schon ein merkwürdiges Volk. Man wird bestraft, wenn man nachts um 2 Uhr eine autoleere Strasse bei roter Fussgängerampel überquert. Aber ein gerichtlich verurteilter Verbrecher (Spendenskandal) darf ein hohes Parteiamt bekleiden.
Ich muss dem Herrn von der Insel bis heute rechtgeben….
@nihilistin(2): War halt FDP. Da gehört so etwas vielleicht einfach dazu?
Die englische Beobachtung kann ich aber auch so unterschreiben.
Ein Ire in einer Reisegruppe sagte, als die Gruppe vor einer Lehren Kreuzung für über eine Minute an einer roten Ampel stand: „Don’t be so German about this!“ und ging los. Der Rest der Gruppe folgte dann.
Das Leiden bekannter Personen ist immer, dass sie nur auf ihre Fehler reduziert werden. Die Lebensleistung von OGL wird hier, unter Verkennung seines gesamten Wirkens, reduziert auf die Parteispendengeschichte. Abgesehen sind ja Menschen mit wie auch immer gearteter Macht sowieso „böse“; wer mit (viel) Geld hantiert, ist per se die Inkarnation des Teufels.
Anderes Beispiel ist hier sicherlich Bill Clinton. Haushaltslage gerettet, innenpolitische Bilanz vom Allerfeinsten, Nahostfrieden angeschoben, aber an was erinnert man sich? Genau.
Menschen machen Fehler. Diese Erkenntnis ist kein Freibrief für irgendwas und auch keine Entschuldigung. Es ist bloss unfair, immer nur die Fehler zu suchen und zu betonen; auch wenn es grad chic ist, permanent zu jammern und zu schimpfen und nach dem Staat zu rufen.
Ruhig mal auf dem Teppich bleiben.
Grüße
T.
@T.:
Ich finde, es gibt unterschiedliche Dimensionen von Fehlern. Was Clinton gemacht hat, ist seine Privatsache und hat in keinster Weise etwas mit seiner Amtsführung und seinen Erfolgen zu tun, daher mag man zwar zuerst an die Lewinsky-Affäre denken, aber dennoch bleibt er insgesamt positiv in Erinnerung.
Wenn diese Fehler jedoch unmittelbar mit der exponierten Tätigkeit zu tun haben, sieht das schon ganz anders aus.
Man hat als Person in der Öffentlichkeit eine besondere Verantwortung in bezug auf sein Amt, und wenn man dieser nicht gerecht wird, weil man Fehler macht (und zwar keine Fehler, die man manchmal halt nicht vermeiden kann, sondern bewusste Gesetzesübertretungen), dann disqualifiziert man sich in meinen Augen, dieses Amt weiterführen zu können.
So würde ich z.B. auch nicht wollen, dass Robert Hoyzer jemals wieder ein Fußballspiel pfeift.
Und wenn ich das Geseiere von Hans-Dietrich Genscher (den ich im Übrigen als Politiker sehr geschätzt habe) im Zusammenhang mit Graf Lambsdorff höre, wird mir einfach nur schlecht.
Ach ja, und noch etwas:
Graf Lambsdorff verbinde ich nicht zuerst mit der „Parteispendengeschichte“, sondern mit seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.
Ugh. Ich hab ihn mal für ein Interview getroffen, in meinem „früheren Leben“ als Journalistin. Es war Abneigung auf den ersten Blick. Er hatte einen Händedruck wie ein toter Fisch und es war völlig klar: er dachte „Zicke“, ich dachte „Arschloch“. Beide dachten „Bäh“.
Das Interview verlief aber sehr zivil, ich war ja nicht die einzige, sondern es war ein Gruppentermin. :))
@4 T.
Ich könnte nicht, falls ich das je vorhätte, Beamtin werden, wenn ich vorbestraft bin. Auch eine Anstellung im Öffentlichen Dienst wäre schwierig, Schöffenamt auch.
OGL hat nicht nur „einen Fehler“ begangen, sondern ist (war) ein rechtsstaatlich verurteilter Steuerhinterzieher. Da kann man ja noch nicht mal auf „ist ihm halt so passiert“ plädieren. Mir jedenfalls gelingt es nie, unabsichtlich Steuern zu hinterziehen 🙂
So jemanden akzeptiere ich nie-never-nich als Politiker. Mehr auf dem Teppich war ich nie.
@6 Minimoppel: Stimmt, ich erinnere mich wieder – der Spendenskandal war das eine, aber die Verurteilung erfolgte wegen Steuerhinterziehung.
[quote=“Nihilistin“]Ich könnte nicht, falls ich das je vorhätte, Beamtin werden, wenn ich vorbestraft bin. Auch eine Anstellung im Öffentlichen Dienst wäre schwierig, Schöffenamt auch.[/quote]
Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe, wie im Fall OGL, wird nur 3 Jahre lang im Führungszeugnis erwähnt; d.h. wenn du dir drei Jahre nichts zu Schulden kommen lässt, bekommst du wieder ein Führungszeugnis mit „Keine Eintragungen“; dir steht dann alles wieder offen. OGL wurde FDP-Vorsitzender 4 Jahre nach der Verurteilung; so gesehen alles ok…
Ich denke, mit Strafrecht kommen wir nicht weiter (dann wären seine Ämter ja auch illegal gewesen; das hätte spätestens von den Grünen bestimmt irgendwer gemerkt).
Es bleibt also die moralische Frage, ob jemand, der wegen Steuerhinterziehung verurteiilt wurde, hohe Ämter bekleiden kann. Letztendlich hat er seine Schulden beglichen (durch die Verurteilung); mehr Wiedergutmachung war, mangels Schaden, nicht notwendig. (ich wäre bei einer Verurteilung wegen Mordes da anderer Meinung, liegt aber hier nicht vor).
Bleibt auf der Negativseite also die beschädigte Vorbildfunktion, auf der Positivseite sein Wirken in den 7 Jahren zuvor.
Grüße
T.
[quote=“MiniMoppel“]
Man hat als Person in der Öffentlichkeit eine besondere Verantwortung in bezug auf sein Amt, und wenn man dieser nicht gerecht wird, weil man Fehler macht (und zwar keine Fehler, die man manchmal halt nicht vermeiden kann, sondern bewusste Gesetzesübertretungen), dann disqualifiziert man sich in meinen Augen, dieses Amt weiterführen zu können.
[/quote]
Da stimme ich dir zu.
Hat er ja auch nicht. Er hat fast 2 Jahre nach der Verurteilung (hab eben 4 Jahre geschrieben, stimmt nicht) ein neues Amt angetreten als Parteichef.
[quote=“MiniMoppel“]
So würde ich z.B. auch nicht wollen, dass Robert Hoyzer jemals wieder ein Fußballspiel pfeift.[/quote]
Aber Bäcker (oder Bestatter, um mal zurück zum Thema zu kommen) darf er schon noch werden, oder?
Grüße
T.
OGL ist doch der Beweis, dass die Resozialisierung in diesem unserem Lande funktioniert. Steuerhinterziehung? Was wollen Sie denn von einem Land erwarten, das erfolgreiche Steuerfander in die Klapse steckt?