Menschen

Peinliches Vorkommnis um einen Mann auf dem Damenklo

Jeder soll glücklich sein dürfen

Vor 16 Jahren habe ich eine Geschichte über einen Herrn geschrieben, der beinahe auf die Damentoilette gegangen wäre. Die Zeiten haben sich gewandelt. Heute können sich Menschen ja in kürzesten Abständen umentscheiden, welchen Geschlechts sie sein mögen.

Ich finde das nicht gut.

Doch zuerst noch einmal die Geschichte von vor 16 Jahren:

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In der Trauerhalle des neuen Südfriedhofs ist eine Trauerfeier zu Ende gegangen. Es sind sehr viele Leute da und sie stehen im Eingangsbereich in kleinen Grüppchen zusammen.

Ich bleibe dann immer etwas abseits bei der Kondolenzliste stehen und mag nicht gerne durch die versammelte Menge laufen, weil mich dann für gewöhnlich die Leute ansprechen, denn nach einer Trauerfeier haben sie das Schlimmste überstanden, sind etwas gelöst, und dann haben sie oft Hunderte Fragen an den Bestatter.

Heute konnte ich es aber nicht vermeiden und musste da durch, die nächste Trauerfeier stand nämlich an und ich wollte die Trauerhalle etwas umdekorieren. Den Sarg hätte ich eigentlich sogar stehen lassen können, denn bei beiden Trauerfeiern kam „Palme braun“, in unserer Sprache „Modell Kassel“ zum Einsatz. Zumindest die, die drinliegen, hätten sich gewiss nicht beschwert.

Nach dem kurzen Umbau komme ich in den Eingangsbereich zurück, und sehe, dass ein älterer Herr zielsicher auf die Damentoilette zusteuert. Er hat die Hand schon an der Klinke, da weise ich ihn höflich auf seinen Fehler hin.
In diesem Moment erlebe ich aber eine der peinlichsten Situationen meiner beruflichen Laufbahn. Die Person fährt herum und raunzt mich an: „Was fällt Ihnen eigentlich ein? Ich werde ja wohl am besten wissen, wo ich hin muss!“

Peinlich! Das war eine Frau!

Meine Güte, wie kann man bloß so hässlich sein?

Aber wirklich, die sieht nicht nur aus wie ein Mann, sondern ist auch so gekleidet.

„Entschuldigung“, sage ich, „Ich habe meine Brille nicht auf“, und obwohl ich ohne Brille doch recht gut sehe, tue ich so, als müsse ich mir meinen Weg fast ertasten, und suche das Weite.

Wie gesagt, ich finde es nicht gut, dass Menschen sich leichtfertig und häufig einem anderen Geschlecht zuordnen lassen können. Das ist dämlicher Quatsch, der Auswuchs einer quasi-religiösen Verirrung, die aus der Notwendigkeit einer sehr selten vorzunehmenden Richtigstellung eine Lappalie macht und letztlich diejenigen, die wirklich betroffen sind und ernsthaft einen Geschlechtswechsel durchführen, der Lächerlichkeit preisgibt.

Menschen werden als Mann oder als Frau geboren. Mitunter kommt es vor, dass auch Menschen mit den Anlagen beider Geschlechter geboren werden. Das kann körperlich sichtbar sein, etwa durch das Vorhandensein von weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen, und es kann sein, dass man nichts davon sieht, aber ein Mann im Körper einer Frau gefangen ist, oder umgekehrt. Für manch einen mag es auch so sein, dass die Waage genau in der Mitte stehenbleibt und gar keine Zuordnung möglich ist. Bei anderen mag die Waage irgendwo anders hin zeigen. Spielt alles keine Rolle. Man muss das auch nicht zuordnen, oder genauer gesagt, wir müssen das nicht zuordnen. Man kann eben nicht alles auf dieser Welt in Schwarz und Weiß, in Mann und Frau aufteilen, es gibt da noch ganz viel dazwischen.

Alles das ist völlig normal. Nur weil es bei den meisten Menschen ziemlich eindeutig ist, bedeutet das nicht, dass diejenigen, die anders sind oder anders empfinden, schlecht, böse oder verurteilenswert sind.
In einer modernen Gesellschaft sollte das überhaupt nichts sein, worüber sich die Menschen echauffieren, kümmern oder belustigen.

Einer meiner besten Freunde ist heute eine gute Freundin. Ihren Weg vom verheirateten, damals 45-jährigen Mann zur Frau habe ich sehr nahe verfolgt und mit ihr durchlitten. Als Psychologe verfüge ich auch über die fachliche Kompetenz, da mitsprechen zu können.
Der Weg meiner Bekannten begann vor über 20 Jahren und dauerte über 7 Jahre. Das waren noch andere Zeiten, gekennzeichnet von Demütigung, Herabwürdigung und permanenter, bedrohlicher Einflussnahme durch behandelnde Ärzte und Therapeuten. Es war ein sehr steiniger Weg, der meine Freundin sogar zeitweise in die Psychiatrie gebracht hatte.

Dass das heute anders ist, ist ein Segen. Dass das heute leichter geht, ohne diese dornigen und psychisch belastenden Frechheiten von übergriffigen und bornierten „Fachleuten“, die glauben, sie würden über allen Wassern schweben, das ist gut und richtig so.

Ich finde es aber Quatsch, dass nun jeder beinahe jederzeit sich neu überlegen kann, was er denn heute sein möchte. Ich behaupte und fordere nicht, dass eine solche Entscheidung grundlegend und einmalig sein muss, aber ich sehe auch keine Notwendigkeit, dass man sich etwa jedes Jahr neu einsortieren lassen können muss.

In der Tankstelle treffe ich gestern auf einen etwa 60-jährigen, korpulenten Herrn, der in einem geblümten Damenkleid und mit dicker Perlenkette und Ohrringen an der Kasse seine Tankrechnung bezahlt.
Ein Mann, der hier bei uns Prospekte verteilt, hat seit einiger Zeit Brüste und lange rote Fingernägel.
Der 32-jährige Sohn einer Bekannten trägt nun eine Langhaarperücke und mag Andrea genannt werden.
Irina aus Russland, die wir gut kennen, hat für sich entschieden, dass sie weder Mann, noch Frau ist.
Monika und Jasmin leben seit 20 Jahren zusammen in dem kleinen Haus neben der Kirche. Bislang haben sie immer den Eindruck erweckt, sie seien Schwestern. Nun trägt Monika seit ein paar Jahren Männerkleidung.

Für alle diese lieben Menschen ist es wirklich wichtig und sehr schön, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht nur Toleranz übt, das ist nämlich genau das Falsche. Toleranz bedeutet, dass man etwas hinnimmt. So zu leben, wie man vom Lieben Gott oder der Natur oder dem Universum gemacht wurde, ist nicht etwas, das andere tolerieren müssen, sondern etwas vollkommen Normales.

Je eher alle Menschen kapieren, dass unsere Welt bunt ist, und dass eine buntere Welt schöner ist, umso schöner ist das Leben für uns alle.
Dafür benötigt man aber keine Regenbogenreklame oder „Wink mit dem Zaunpfahl“-Methoden, die immer wieder nur auf eins hinweisen, nämlich, dass bunt etwas Besonderes ist. Und bunt ist eben nichts Besonderes.

Ich wollte es bewusst nicht durcheinanderwerfen und habe deshalb das Thema Homosexualität bis hier nicht besonders thematisiert. Aber auch da gilt das oben Gesagte.
Es ist gut und richtig, dass da jeder so leben kann, wie er es mag. Wir haben doch alle nur diese 70 bis 90 Jahre zur Verfügung. Und diese Zeitspanne sollten wir uns so schön und angenehm machen, wie es irgend geht.
Wer da sein Leben darauf ausrichtet, anderen vorschreiben zu wollen, wie sie bitteschön richtig und ordentlich zu leben haben, der ist derjenige, auf den wir mit dem Finger zeigen sollten.

Bei alledem dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass die meisten Menschen sich in der naturgegebenen Ausprägung als Mann oder Frau absolut wohlfühlen. Das ist eben die Form, die überwiegend vorkommt und dann auch gerne als Maßstab hergenommen wird.
Dass das kein Maßstab ist, ist uns klar. Aber uns muss auch klar sein, dass viele das Bunte nicht verstehen, dass sie nicht über das Wissen und die Lernfähigkeit verfügen, um bei allem kognitiv mitwirken zu können.

Ich hoffe, dass unsere Welt, unsere Gesellschaft sich weiterentwickelt, zum Positiven hin, und ich wünsche mir, dass die bösen Einflüsse mittelalterlicher Religionsvorstellungen nicht Oberhand gewinnen.

„Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“
John Stuart Mill (1806–1873)

Bildquellen:

  • jeder-soll-gluecklich-sein-duerfen_800x500: Peter Wilhelm

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(©si)