Bestatter Oliver Grote aus Duisburg und ich haben uns gemeinsam die Zeremonien zum Staatsbegräbnis des verstorbenen US-Präsidenten Jimmy Carter angeschaut.
Das ist auch für erfahrene Bestatter sehr interessant. Einmal ist das natürlich ein Ereignis von internationalem Interesse, andererseits ist es sehr beeindruckend, zu sehen, wie die Amerikaner ein Staatsoberhaupt zu Grabe tragen. Tatsächlich treffen hier ja Tradition und Moderne aufeinander. Bestatter können aus solchen Abläufen lernen und Ideen für die eigene Arbeit entwickeln. Das Große wird sich nicht übertragen lassen, aber oft sind es ja die Kleinigkeiten, die man sich abschauen und die man in die tägliche Arbeit integrieren kann. Ach ja, dann ist ja da auch noch die Neugierde und mein kleines Faible für alles Staatstragende und Royale…
Zu dem Staatsbegräbnis von Jimmy Carter haben mich etliche Fragen von Leserinnen und Lesern erreicht, die Oliver Grote und ich gerne beantworten möchten.
Oliver Grote:
Wir Bestatter müssen oft genug Särge mitsamt einem Verstorbenen allein transportieren. Ein geübter Bestatter kann das durchaus bewältigen.
Der angesprochene Sargroller gehört zur Ausstattung jedes Bestatters, möchte ich behaupten. Wer damit umgehen kann, kann auch als Einzelperson einen Sarg beispielsweise aus dem Leichenwagen entladen und auf dem Friedhof oder dem Firmengelände von A nach B transportieren.
Komfortabler und auch etwas würdevoller geht der Sargtransport mit zwei Männern.
Vernünftig tragen lässt sich ein herkömmlicher beladener Sarg mit vier Trägern. Das müssen aber schon kräftige Leute sein.
Wir haben es auch schon erlebt, dass bei einer Beerdigung spontan Familienmitglieder den Sarg tragen wollten. Wenn die von der Körpergröße und der Kraft nicht miteinander harmonieren bzw. die Kraft nicht ausreicht, wird das schon eine wackelige Sache.
Peter Wilhelm:
Bei den acht Herren handelt es sich um hochrangige Soldaten. Um diesen Rang zu erreichen, benötigt man Dienstjahre. Daraus ergibt sich das mittlere Alter der Herren.
Sie alle haben die Tätigkeit eines Pallbearers (Sargträgers) geübt. Sie wissen genau, was zu tun ist, wo man anfasst und wie man gehen muss. Es werden ja nicht nur Präsidenten feierlich getragen, sondern auch verstorbene Kameraden, was ja häufiger vorkommt.
Zum Gewicht kann ich sagen, dass der amerikanische Truhensarg im Vergleich zu einem deutschen Sarg recht schwer ist. Ein Präsident (Roosevelt oder Eisenhower? Ich weiß es nicht mehr.) hat sich in einem 80-Dollar-Standard-Militärsarg bestatten lassen, der viel leichter war.
Präsident Carters Sarg dürfte irgendwas zwischen 80 und 120 Kilo gewogen haben. Der verstorbene Präsident dürfte aufgrund seines hohen Alters und letztlichen Gesundheitszustands so um die 60 bis 70 Kilo gewogen haben.
Nehmen wir also an, der Sarg mitsamt Leichnam habe 160 Kilo gewogen. So hätte jeder der acht Pallbearer 20 Kilogramm zu bewältigen gehabt. Zum Vergleich: Ein voller Kasten Mineralwasser in Glasflaschen wiegt ca. 18 Kilo.
Oliver Grote:
Die Soldaten haben auf mich auch nicht angestrengt gewirkt. Sie machten eher einen konzentrierten Eindruck. Man will ja nichts verkehrt machen und jeden Fehler vermeiden. Da schaut ja die ganze Welt zu.
Dann war es ja auch sehr kalt in Washington und die Soldaten trugen Winteruniformen. Und der zeremonielle, langsame Schritt verlangt den Männern ja auch zusätzlich noch etwas ab.
Insgesamt hat das auf mich sehr würdevoll gewirkt.
Peter Wilhelm:
In den USA ist die Einbalsamierung sehr weit verbreitet und gehört zum Standard. Das hat kulturelle, praktische und rechtliche Gründe. Ursprünglich wurde sie während des amerikanischen Bürgerkriegs populär, um gefallene Soldaten über weite Entfernungen in einem würdevollen Zustand in ihre Heimat zurückzuführen. Heute dient sie vor allem dazu, den Körper für offene Aufbahrungen vorzubereiten, was in den USA eine häufige Form der Trauerbewältigung ist. Viele Familien legen großen Wert darauf, Abschied zu nehmen, während der Verstorbene „so natürlich wie möglich“ aussieht. Darüber hinaus wird die Einbalsamierung von einigen Bestattungsgesetzen und Bestattungsunternehmen vorgeschrieben, insbesondere wenn der Körper für längere Zeit aufbewahrt oder transportiert werden muss.
Man kann nicht von der Hand weisen, dass die Aufnahme der Einbalsamierung in das Standardprogramm der Bestatter, als quasi das zur Selbstverständlichkeit machen dieser Praxis, auch zum ertragreichen Geschäftsmodell der amerikanischen Bestatter gehört.
Oliver Grote:
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sehr alte Menschen, an denen kaum noch was dran war, wenn ich das mal so sagen darf, auch ohne eine Einbalsamierung sehr lange aufbewahrt werden können, ohne dass es zu Beeinträchtigungen kommt.
Aber die Erfahrung lehrt auch, dass man so etwas nie vorhersagen kann. Manchmal liegt ein dicker Mann tagelang im Sarg und nichts verändert sich, wohingegen eine kleine alte Dame schon nach zwölf Stunden eine ungeheure Geruchsbelästigung auslösen kann.
Das ist halt Natur. Und um dem vorzubeugen, wird auch Präsident Carter einbalsamiert worden sein. Das ist in den USA kein bedeutender Aufwand. Das kann da eigentlich jeder Bestatter.
Man möchte ja nicht, dass irgendwann in irgendeiner Biographie als letzter bleibender Eindruck Fäulnis und Leichengeruch eine Rolle spielen.
Peter Wilhelm:
Ein „Caisson“ ist ursprünglich eine Kiste oder ein Wagen für den Munitionstransport. Bei Jimmy Carters Staatsbegräbnis wird der Begriff jedoch für den von Pferden gezogenen Wagen verwendet, der den Sarg des ehemaligen Präsidenten im Trauerkonvoi vom U.S. Navy Memorial zum Kapitol überführte.
Statt eines solchen Transportwagens sind allgemein auch Lafetten als Sargtransporter üblich. Lafetten sind die Fahrgestelle von Kanonen.
Zum zweiten Teil Deiner Frage:
Soviel ich weiß, hatte die U.S. Army die Aktivitäten der Caisson-Einheit im Mai 2023 vorübergehend eingestellt, nachdem zwei Pferde, die für Begräbnisprozessionen auf dem Arlington National Cemetery eingesetzt wurden, gestorben waren.
Tierschützer, Tierärzte und Pferdeexperten hatten umfassende Reformen gefordert. Die US-Army hat Fachleute engagiert, die Vorschläge machten, welche Pferde sich am besten für die Caisson-Dienste eignen, und wie die Ausbildung der Soldaten, die sich um die Pferde kümmern und sie reiten, gestaltet werden sollte. Inzwischen haben die Pferde und Soldaten monatelang trainiert, einschließlich Proben mit Marschkapellen und Kanonenschüssen, um sie auf die präzisen und feierlichen Anforderungen eines Staatsbegräbnisses vorzubereiten.
Oliver Grote:
Ich würde das nicht als Quatsch bezeichnen. Der Berichterstattung war zu entnehmen, dass Präsident Carter die Details für seine Beerdigung selbst akribisch festgelegt hat. Wenn das so ist, sollen seine Wünsche auch umgesetzt werden.
Den ganzen öffentlichen Aufwand wird der amerikanische Staat bezahlen. Das ist bei uns auch so. Ich hatte schon Beerdigungen von Landespolitikern. Man kann ja die Familien nicht mit dem ganzen Zeremoniell, dass das Protokoll vorschreibt, auch noch finanziell belasten. Den Sarg und die üblichen Bestatterkosten haben die Familien immer selbst bezahlt. Ich denke, dass das hier auch so ist.
Peter Wilhelm:
Ich gehe davon aus, dass der Sarg so um die 3.000 bis 7.000 US-Dollar kostet. Mehr weiß ich derzeit nicht. Ich habe jetzt nochmal nachgeschaut: Der ehemalige US-Präsident Gerald Ford (1913–2006) wurde in einem schlichten Sarg beigesetzt, der oft als “Standard-Service-Sarg” bezeichnet wird. Dieser Sargtyp entspricht denjenigen, die traditionell für gefallene Soldaten verwendet werden. Gerald Ford, bekannt für seine Bescheidenheit, entschied sich bewusst für diesen schlichten Sargtyp, um seine Verbundenheit mit den einfachen Bürgern und seinen Respekt für die Traditionen des Militärs zu zeigen.
Ich danke Oliver für seine Mitwirkung. Sonst gucken wir auch gerne den Tatort zusammen (virtuell via Smartphone, 310 km voneinander getrennt).
Wenn auch Du Fragen zu diesem Staatsbegräbnis oder jeder anderen Sache hast, scheue Dich nicht, sie zu stellen. Ich beantworte das gerne.
Falls es noch zu diesem Themenbereich hier passt, werde ich den Artikel entsprechend ergänzen.
- jimmy-carter-symbolfoto: Peter Wilhelm KI
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