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Trauer um ein Tier, nicht angemessen?

Mülleimer
Ich war das nicht!

Es ist jetzt eine Woche her, dass wir nach über einem Jahrzehnt eines schönen Zusammenlebens Abschied von unserem geliebten Labrador Buddy nehmen mussten.

Meine Frau hat ihn bis zum letzten Atemzug gestreichelt und ich konnte nur danebensitzen und gar nichts tun. Als er dann vom Tierbestatter abgeholt wurde, saßen die Allerliebste und ich fast eine Stunde heulend beisammen.
Die Allerliebste kann sich in Rage weinen, ich kann das irgendwie besser – oder sagen wir – anders verarbeiten. Aber wenn wir an Buddy denken oder wenn die Rede auf ihn kommt, heulen wir beide spontan los.

Obwohl ich jeden Tag seitdem geschrieben habe, ist es hier im Bestatterweblog.de etwas ruhiger geworden. War gar keine Absicht, hat sich so ergeben.
Dazu, und darüber, wie ich über den Tod von Buddy berichtet habe, hat Leserin Hannelore eine Meinung. Hannelore hat mir schon ein paarmal geschrieben und mir auch schon interessante Links zugesandt.

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Sehr geehrter Herr Wilhelm,

es tut mir leid für Sie dass Sie ihren Hund verloren haben. Ich muss Ihnen aber aus offenstem Herzen gestehen, dass ich das Gewese um den Tod eines Tieres in überhaupt nicht der geringsten Art und Weise nachvollziehen kann.
Seit Jahren schreiben Sie ziemlich offenherzig dass Sie was gegen Vegetarier haben und selbst massenweise Fleisch vertilgen. Somit müssten sie doch auch damit klar kommen dass Tiere für uns sterben müssen, tagtäglich zu Tausenden in allen Schlachthöfen. Tiere werdcen sogar für die Lederindustrie, für die Herstellung von Leim und Klebstoffen und für die Bezüge von Amateurenbrettern in Kraftfahrzeugen getötet. Denken Sie auch an die Gelantine in Gummibärchen und Marshmallows.

Ich kann nicht verstehen, dass man einem die Freiheit liebenden Tier wie dem Abkömmlingen von Wildkatzen und Wölfen so etwas antut und sie in Gefangenschaft hält. Dazu bekennen Sie sich aber. Ich setze jetzt mal coraus dass Sie und ihre Familie wenigstens versucht haben den armen Tieren so etwas wie eine artgerechte Erhaltung zu bieten. Da will ich ihnen nichts Böses unterstellen. Viele Menschen sind ja so von sich und ihrer Stellung als Krönung der Schöpfung überzeugt, dass sie meinen sich übers Tier stellen zu dürefen.

Aber nun ist Ihnen so ein Tier, dass Sie sich zur Unterhaltung und Belustigung und Befriedigung des Kindertriebs gehalten haben, elendlich verreckt.Ich lese ihre Blogs schon sehr lange und bin tatsächlich ein Fan von Ihnen. Bis jetzt habe ich mir alle ihre Bücher gekauft und ich glaube auch alle Artikel von Ihnen gelesen. Großes Kompliment für ihr Gesamtwerk.

Aber in dieser Sache kann ich Ihnen nicht nachvollziehen wie man es fertigbringen kann, um einen Hund zu trauern wie um einen Menschen. Das ist doch nicht angemessen! Letztes Jahr oder so haben Sie hier den Tod ihres Bruders verkündet. Da kam dann nichts mehr.
Doch über ihre toten Tiere schreiben Sie immer was. Jetzt bei diesem Labrador haben sie ja auch den Tod von ihrem vorherigen Labrador verlinkt. Unangemessen.

Im Bestatterweblog ist jetzt seitdem fast Funkstille. Meinen Sie, sie müssten die Leser jetzt dafür bestrafen, dass sie so mit einem freiheitsliebenden Tier umgegangen sind?

Der Verlust von Tieren geht Ihnen über den Verlust von einem Menschen. Ich weiß ja nicht wie Sie das sehen, aber ich finde das unangemessen. Überdenken sie ihre Haltung.

Hannelore B.

Sehr geehrte Frau B., liebe Hannelore,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift und auch für die offenen Worte. Es ist mir bewusst, dass Trauer sehr individuell ist und dass nicht jeder Mensch gleich empfindet. Sie haben da Ihre Position, und ich respektiere diese.

Wenn ich den Tod eines Hundes öffentlich erwähne, dann tue ich das nicht, weil ich der Meinung bin, er sei „mehr wert“ als ein Mensch. Ich tue es, weil der Hund in meinem Leben eine Rolle gespielt hat und weil viele meiner Leserinnen und Leser Anteil daran nehmen möchten. Dass ich dabei vielleicht ausführlicher schreibe als über andere Verluste, liegt daran, dass es ein persönlicher Blog ist, kein Nachrichtenportal. Es ist mein Tagebuch, wenn Sie so wollen – und da geht es manchmal um Menschen, manchmal um Tiere, manchmal um Banalitäten.

Ihre Argumentation mit Fleischkonsum, Lederindustrie und Gelatine verstehe ich, sie ist aber hier nicht der Punkt. Man kann ein Tier essen, ein anderes halten und gleichzeitig um ein drittes trauern – das ist kein Widerspruch, sondern Ausdruck menschlicher Vielfalt.

Und was die „artgerechte Haltung“ betrifft: Unsere Hunde waren keine Gefangenen, sondern Familienmitglieder. Sie haben bei uns ein gutes Leben gehabt, mit Zuwendung, Freiheit und Zuneigung. Wenn Sie das „Belustigung und Befriedigung des Kindertriebs“ nennen, dann kann ich nur schmunzeln. Ich nenne es Liebe.

Außerdem darf man nicht vergessen: Haustiere sind eben keine Wildtiere, die wir brutal in Gefangenschaft halten. Den entsprechenden Vorwurf müsste man den Steinzeitmenschen machen, die irgendwann damit begannen, Wolfswelpen und Wildkatzen zu zähmen. Wobei die Forschung heute sogar eher davon ausgeht, dass sich die kleinen Wölfe freiwillig den Menschen angeschlossen haben – angelockt von Nahrung und Schutz. Aus dieser uralten Partnerschaft ist über Jahrtausende eine enge Bindung zwischen Mensch und Hund entstanden.

Unsere heutigen Haustiere wären ohne uns Menschen kaum in der Lage, ein eigenständiges Leben in Freiheit zu führen. Ein Labrador, wie ich ihn hatte, würde in der Wildnis nicht jagen gehen und sich auch nicht in ein Wolfsrudel einfügen. Er ist ein Begleiter des Menschen, ein domestiziertes Wesen, das Nähe, Fürsorge und Familie braucht.

Dass Sie den Tod meines Bruders anders gewichtet sehen als ich, nehme ich zur Kenntnis. Aber auch da gilt: Jeder Mensch trauert anders. Manche laut, manche still. Meine Stille bedeutet nicht Gleichgültigkeit.
Mein Bruder war 16 Jahre älter als ich, wir hatten verschiedene Väter, und sein Leben hat aufgrund des Altersunterschieds und seines Lebens im Ausland völlig abseits meines Lebens stattgefunden. Wenn wir aufeinandertrafen und Zeit miteinander verbrachten, bemerkte ich immer, dass er sich sehr um mich bemühte und mir gegenüber sehr großzügig war. Im Nachgang neigte er aber zum Nachtreten und vor allem dazu, mich und meine Lebensleistung herabzuwürdigen. Im Alter ließ er sich von mir unter großen, auch finanziellen Versprechungen eine Biographie schreiben und kündigte nach 700 Stunden Arbeit die Zusammenarbeit mit fadenscheinigen Begründungen auf, um die versprochene Entlohnung schuldig bleiben zu können. Aus der Bedingung, dass ich als Autor wenigstens als Co-Autor genannt werden würde, wurde dann die Zeile „Ich habe jede einzelne Zeile dieses Buches selbst geschrieben“.

Als ich von seinem Tod mit nur etwas über 70 Jahren erfahren habe, habe ich viel geweint, denn abgesehen von allem habe ich doch meinen großen Bruder verloren. Der Verlust ging mir wochen-, ja monatelang sehr nahe, und auch heute empfinde ich das immer noch als großen Verlust, denn mein Bruder war ein großartiger Mensch, der ein unglaubliches Lebenswerk geschaffen hat.

Aber ich habe mit jedem einzelnen Hund mehr Zeit zusammengelebt, als mit meinem Bruder. Zähle ich alles zusammen, habe ich meinen Bruder vielleicht drei oder vier Monate persönlich erlebt. Da habe ich mehr gemeinsame Erlebnisse mit meinem Hausarzt.

Ich freue mich, dass Sie mein „Gesamtwerk“, wie Sie schreiben, schätzen, und dass Sie meine Bücher lesen. Aber bitte gestatten Sie mir, dass ich über die Themen schreibe, die mich gerade bewegen – seien es Hunde, Brüder oder Bestattungen. Wer meine Blogs liest, bekommt mich eben ungeschminkt.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Wilhelm

Bildquellen:

  • muelleimer: Peter Wilhelm

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(©si)