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Wasser

Zu unserem Haupteingang geht es einige Stufen hoch, schöne, breite und bequeme Stufen, die hat bislang noch jeder geschafft. Die paar Mal im Jahr wenn jemand mit einem Rollstuhl kommt (z.B. Gäste bei einer Trauerfeier), dann helfen Angehörige und wir weisen ja sowieso darauf hin, daß man vom Hof aus einen behindertengerechten, barrierefreien Zugang hat.

Heute Vormittag kommt eine Frau, Anfang Dreißig, die Handtasche am langen Riemen wie ein Postmann quer über der Brust, ein etwa fünfjähriges Kind an der Hand und klingelt sich unten an der Straße schier um den Verstand. Frau Büser sieht die da stehen und natürlich fragt sich jeder bei uns, warum die nicht einfach hereinkommt, unsere Eingangstür ist ja nicht abgeschlossen. So meldet sich Frau Büser über den Sprechapparat und bekommt so Kontakt in eine andere Dimension.

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Ja, ob denn da niemand sei, der ihr mal bei ihrem Kinderwagen helfen könne, das sei ja eine Zumutung für eine zweifache Mutter, daß wir so eine steile Treppe hätten, sowas aber auch…

Antonia hat den Kinderwagen dann alleine ins Haus befördert, während die Behandtaschte ihr anderes Kind bewältigte: „Los, Lena-Clarissa, das schaffst Du, noch ein Stüfchen, ja, Mami weiß, daß die ganz arg steil sind, komm, das schaffst Du, nur noch das andere Füßchen, jetzt bist Du aber müde, nicht wahr?“

Sie wolle sich mal wegen einer Bestattungsvorsorge erkundigen, ihr Herr Vater sei jetzt doch schon so ein bißchen vergesslich und da ja alle alten Leute irgendwann dement würden, sei es an der Zeit, sich um alles zu kümmern, bevor der noch auf die Idee kommt, selbst irgendwas abzuschließen, was nicht nach ihren Wünschen sei. Jau!

„Wasser? Haben Sie bitte mal Wasser für mich?“

„Aber sicher doch“, sage ich, fest davon überzeugt, daß wir immer Mineralwasser im Haus haben, doch Frau Büser belehrt mich eines Besseren: „Manni ist unterwegs und holt neues Wasser, das ist nämlich alle. Wir haben aber Limo, Cola, Kaffee, Tee, Milch…“

„Wie bitte?“ läßt sich die Amazone vernehmen, die deshalb zur Amazone wurde, weil der Gurt ihrer schräg gespannten Handtasche nun eine ihrer Brüste plattdrückt: „Sie bieten mir allen Ernstes diese total überzuckerten Industrieprodukte an?“

„Und Milch“, sagt die Büser.

„Ist vom Tier“, sagt die Amazone angewidert und zieht den Taschengurt gerade, woraufhin die Brust wieder an Ort und Stelle bammelt, sich jedoch ihr Polohemd an der Schulter so verschiebt, daß einerseits an der Schulter eine Ausbeulung entsteht, die sie wie Quasimodo aussehen lässt und andererseits das nunmehr untenherum fehlende Textil den Bauch bis zum Nabel freilegt.

„Tja, dann müssen Sie sich bitte einen Moment gedulden, unser Fahrer ist gleich zurück und bringt dann frisches Mineralwasser mit, stilles und sprudelndes.“

Quasimodo wirft das lockige Haar in einer trotzigen Bewegung zurück, wendet sich mir zu und blafft mich schnippisch an: „Soll das etwas heißen, daß Sie für mich und meine Kinder nichts zu Trinken da haben, es ist heiß draußen, bitte unternehmen Sie etwas!“

„Wie wäre es denn mit Leitungswasser?“ erkundige ich mich und meine das ernst, denn unser Leitungswasser ist einwandfrei und ich selbst trinke davon.

„Leitungswasser????“ Die Stimme von Quasimodo Lockenkopf wird so schrill, daß es mir einen Schmerz mit Frontalkortex verursacht und irgendwie sehe ich es nicht ein, daß wir uns jetzt Schuldgefühle einreden lassen. Schließlich ist die Tante doch mit ihren zwei Blagen bei großer Hitze losgedackelt und dann wäre es doch an ihr, dafür zu sorgen, daß sie genügend Trinkbares mitnimmt und sie kann doch nicht erwarten, daß überall wo sie hingeht linksdrehendes Esoterikwasser aus einer vom Dalai Lama rektal geküssten Naturquelle sprudelt.

Doch inzwischen hören wir einen Wagen auf den Hof fahren, Frau Büser sagt: „Ach, da kommt der Fahrer ja, jetzt dürfte es gleich auch Wasser geben.“

„Hoffentlich ist das nicht zu warm und nicht zu kalt.“

In diesem Moment erhebe ich mich von meinem Stuhl, fest gewillt die bekloppte Doppelmutter rauszuwerfen, so eine penetrante Nervtöterin! Es muß aber etwas in meinem Blick gewesen sein, daß die Frau dazu bewegt, mit weit aufgerissenen Augen den verbalen Rückzug anzutreten: „Naja, das wird schon recht sein, dann warten wir noch ein Momentchen, nicht wahr Lena-Clarissa?“

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