Heute erreichte mich ein Schreiben einer Kollegin aus dem Schwarzwald, die seit 40 Jahren ein Bestattungsinstitut führt. Seit dem Tod ihres Mannes hält sie den Betrieb mit drei Aushilfen am Laufen. Soweit nichts Ungewöhnliches – bis vor Kurzem.
Lieber Kollege,
seit 40 Jahren führe ich unser Bestattungsinstitut hier im Ort. Nun wurde gleich gegenüber ein Waldkindergarten eingerichtet, und seither habe ich Ärger. Ich habe Post vom sogenannten Eltern-Stuhlkreis bekommen. Man schreibt mir, mein Institut sei eine seelische Belastung für die kleinen Kinder. Ich solle bitte wegziehen oder zumindest alle Hinweise auf meine Tätigkeit entfernen.
Ich sei ja auch schon über 60 und man frage höflich an, wann ich alternativ gedenke, in Ruhestand zu gehen und die Firma zu schließen. Man bietet mir auch an, bei der Errichtung eines geeigneten Sichtschutzes behilflich zu sein.
Man setzt mir eine Frist von vier Wochen und droht damit, die Angelegenheit im Gemeinderat vorzubringen. Ich bin wirklich betroffen – ich arbeite seriös, diskret und mit Respekt. Jetzt soll ich mich verstecken?
Mit kollegialen Grüßen
Liebe Kollegin,
da bleibt einem doch fast die Spucke weg. Da betreiben Sie seit 40 Jahren in aller Ruhe Ihr Institut, helfen Familien, begleiten Trauernde – und nun, zack, kommt der Eltern-Stuhlkreis mit der moralischen Abrissbirne.
Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Kinder, die fröhlich im Waldkindergarten herumtollen, sollen durch das bloße Wissen, dass gegenüber ein Bestattungsinstitut existiert, seelisch gefährdet sein? Ich sage: Willkommen in der Welt der Zuckerwattepädagogik.
Natürlich, der Tod ist ja ein Tabu. Den bitte schön ausblenden, verdrängen, in die unsichtbare Ecke schieben. Bloß nicht, dass die Kleinen erfahren, dass Leben und Sterben zusammengehören. Lieber so tun, als gäbe es nur Eichhörnchen, Bastelstunden und Bio-Kekse.
Und was kommt als Nächstes? Soll man vielleicht auch die Friedhöfe wegräumen, weil das beim Vorbeifahren zu „seelischer Belastung“ führt? Werden wir bald die Kirchenglocken verbieten, weil sie zu oft zu Trauerfeiern läuten?
Mein Rat: Bleiben Sie standhaft. Sie haben alles Recht der Welt, Ihr Geschäft dort weiterzuführen – und das seit Jahrzehnten. Wenn jemand ein Problem mit der Realität hat, dann ist es nicht der Bestatter, sondern es sind diejenigen, die meinen, Kinder müssten in einer Welt aufwachsen, in der es keinen Tod gibt.
Im Gegenteil: Vielleicht wäre es sogar pädagogisch wertvoll, die Kinder gelegentlich daran zu erinnern, dass das Leben kostbar und endlich ist. Aber das passt wohl nicht ins Konzept des Eltern-Stuhlkreises. Ich würde denen das auf jeden Fall anbieten. Schnupperkurs Friedhof und Betriebsführung für alle.
Lassen Sie sich nicht vertreiben.
Wir Bestatter sind nicht das Problem – wir sind Teil der Lösung.
Was machen denn diese Stuhlkreis-Eltern, wenn in deren Familie mal jemand stirbt? Erzählen die dann ihren Kindern, der Opa sei jetzt auf Takkatukkaland oder in Dauerurlaub?
Wer holt denn bei denen die Verstorbenen ab, die Zahnfee?
Was denkst Du darüber?
Ich bin schon als kleiner Junge mit zu den Aufbahrungen von verstorbenen Onkeln und Tanten genommen worden. Ich habe immer bei der Grabpflege bei meinen verstorbenen Großeltern mitgeholfen. Es muss doch auch Kindern klar werden, dass das Leben endlich ist und nicht nur aus rosafarbener Zuckerwatte, Dubai-Schokolade und Lalabubus besteht.
Bildquellen:
- bestatterin-schutz: Peter Wilhelm KI
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Komisch, Kinder begraben gerne zB tote Vögel in nachgebastelten „Särgen“ und spielen Beerdigung..
Kinder schauen auf dem Friedhof neugierig in ausgehobene Gruben zur Bestattung um eventuell was spannendes zu sehen..
Kinder glotzen wenn sie mitbekommen eine verstorbene Person wird zu Hause abgeholt, und fragen munter die Sargträger Wer da drin ist und ob die Person schwer ist ect….
Ja es stimmt, mit dem Thema Tod haben Kinder tiefsitzende Berührungungsängste mit dem Thema, die armen Kleinen unschuldigen Lämmchen….
Der Tod bzw. die Sterblichkeit wurden schon lange tabuisiert und verbrämt. Da danke ich dem Betreiber dieses Blogs sehr für seine tolle Aufklärungsarbeit.
Aber es ist eine Seuche unserer Zeit dass der Nachwuchs gerne in Zuckerwatte gepackt wird während man mit dem Föhn den Toilettensitz anwärmt. Aber das ist doch keine Vorbereitung aufs richtige Leben?! Wie sollen die Heranwachsenden lernen, mit dem täglichen Unbill des Lebens fertig zu werden?
Dem Stuhlkreis würde ich mit einem gepflegten F U antworten.
Mal abgesehen davon, dass den Kindern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit egal ist, dass da ein Bestatter ist (laaaangweilig) – die haben sich den Standort in dem Wissen ausgesucht, dass da ein Geschäft gegenüber ist. Dann sollten sie sich mal an der eigenen Nase fassen, warum sie die lieben Kleinen dieser schrecklichen Belastung aussetzen. Ende Diskussion.
du hast recht, mir fehlen die worte.
die pädagogen im kindergarten sind wohl so um die 25 und haben leben und tod nie mitbekommen, weil sie im stress waren um einen job zu bekommen oder ihre play station hat mucken gemacht.
armes deutschland
Ich habe meinen Kindern stets gesagt das sie alles fragen können, und da kommen schonmal echt harte Knochen wie Fragen zum Tod/Bestatter während man mal an der Ampel steht, oder Fragen zu Männlein und Weiblein während man in der Sammelumkleide des Schwimmbads sich umzieht… so ist das halt, und ich muss mich natürlich auch ermahnen in solchen Momenten mir einfach die Zeit zu nehmen und die Fragen soweit wie möglich zu beantworten. Tod ist kein Tabu, wie oft habe ich ein schlechtes Gewissen wenn ich eine Mücke erschlage oder eine Zecke masakriere und mich die Kinder drauf hinweisen das ich ein Tier getötet habe. Und mir ist klar das der Unterschied zwischen „ich erschlage eine Mücke“ und meine Kinder zerdrücken reihenweise Ameisen, nicht besonders groß ist bzw für Kinder schwer zu verstehen ist.
Aber dafür sind es Kinder, die können mich ganz unverblümt und direkt fragen, ohne dabei dumm dazustehen. Für mich war es immer selbstverständlich beim Angeln Fische und Würmer zu töten. Fleisch zu essen und damit in kauf zu nehmen das Huhn, Schwein, Rind, Kalb und Lamm auf meinen konsumwunsch hin getötet werden… und die Frage muss auch irgendwann erlaubt sein und wird sicherlich irgendwann gestellt werden.
Aber um zum Thema zurück zu kommen, wir reden ja auch darüber das sie groß werden, arbeiten gehen, irgendwann vermutlich Partner und Kinder haben, wir dann Großeltern sind, und das wir irgendwann nicht mehr da sein werden… klar macht es sie traurig, natürlich schieben sie es weg, weil es einfach noch so fern scheint. Es ändert aber nichts am Gang der Dinge…
Gerade die Bestatter sind es doch, die dem Tod den Schrecken nehmen. Es gibt wohl nichts friedlicheres als ein Toter in einem Sarg, aufgebahrt vom Bestatter.
Vielleicht sollte man auch hier die Verabschiedung am offenen Sarg zu Hause einführen, das würde so manchem Kind den Schrecken nehmen und zu einem natürlichen Verständnis vom Tod führen.
Heutzutage zieht man auch auf das günstige Land und beschwert sich dann über krähende Hähne oder fehlende Läden…
Oder in die Nähe von lauten Straßen und kämpft dann für Lärmschutz…
Wenn ich den Bestatter neben dem Kindi nicht will muss ich halt einen anderen Kindi nehmen… der Bestatter ist schließlich schon lange da.
Was sieht ein Bestatter aus?
Haus, Firmenschild und ein Kombi/Bus in schwarz, grün oder weiß davor. Meist nicht mehr.
Ich bin mit Friedhof und Gräber aufgewachsen.
Wir hatten und haben immer welche.
Es hat sich aber alles geändert. Gestorben wird oft im Heim, bestattet wird oft in Urnen und die kommen ins Gras, Kolumbarium oder auch in den Wald. Soll heißen, dass viele gar kein Grab mehr pflegen müssen und auch keine Friedhöfe kennen. Ich möchte das aber auf keinen Fall verurteilen, es hat sich halt verändert.
Wieso stellt der Stuhlkreis nicht einfach auf dem Gelände des Kindis einen Sichtschutz auf??
Die Frage ist eher, wer schützt die Kinder vor solchen Eltern? Kein Wunder haben die nach 5 Minuten Schneeschippen Burnout. Vielleicht könnte man einen Eltern-Führerschein statt eines Eltern-Stuhlkreises initiieren.