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Zwei -1-

Hans Petersen kommt am frühen Sonntagmorgen an unsere Tür und klingelt. In einer ersten Reaktion will ich grummelig werden, weil mich da jemand so früh wach macht, ein Blick auf die Uhr verrät, daß es erst kurz vor sechs ist. Wahrscheinlich der nervige Typ von der Wochenendzeitung, ist mein erster Gedanke, aber irgendetwas hält mich davon ab, durch den Telefonhörer zu diffundieren und unten vor der Tür an der Sprechanlage jemandem das Blut aus dem Hals zu saugen.
Stattdessen bemühe ich mich um ein halbwegs nach menschlicher Sprache klingendes „Ja bitte?“ und höre Babygeschrei in einer Frequenz, die mir sofort die Haare zu Berge stehen läßt. Irgendwie hat Babygeschrei so etwas, was Männer immer in einen Alarmzustand versetzt.

Entweder man ist einer von den Männern, die schon vorgeburtlich das Hecheln, Pudern und Fläschchengeben erlernen mussten und man(n) weiß dann im Falle eines Schreis des Babys sofort was man tun muß; oder aber man gehört zu dieser Sorte von Männern, die nicht so viel mit der Säuglingspflege am Hut haben, die aber wissen: Wenn das kleine zartrote Blag so schreit, dann kotzt oder scheißt es mich gleich voll.

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In das Babygeschrei mischt sich eine Männerstimme: „Tschuldigung, haben Sie schon auf?“
„Ja, kommen Sie bitte herein und nehmen Sie in der Halle Platz, es dauert einen Moment“, sage ich, betätige den Türöffner durch Drücken der 9 am Telefon und wanke unter Aufbietung aller in mir verbliebenen Restzivilisation ins Bad. Erschrecken kennzeichnet da, was ich im Spiegel sehe, s’war spät gestern, nee heute…
Trotzdem schaffe ich es, mir kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen, mir die Zähne zu putzen und elf Komma zwo Minuten später angekleidet und mit etwas Rasierwasser aufgehübscht nach unten zu gehen.

Unten in der Halle sitzt ein Mann, Ende Zwanzig, mit zwei Babys auf dem Arm, genauergesagt auf den Armen. Mit großen erwartungsvollen Augen, so bilde ich es mir wenigstens ein, schaut er mich an, vielleicht ist er aber auch nur entsetzt darüber, wie ich aussehe… „Petersen“, stammelt er und ergänzt: „Hans Petersen“.
Ich nicke nur kurz zum Gruß, frage: „Kaffee?“, er winkt ab, ich sage aber: „Kommen Sie bitte mit, wir gehen in einen Besprechungsraum, öffne im Vorbeigehen die Tür zum Beratungszimmer und weise ihm kurz den Weg hinein, dann gehe ich doch eben den Kaffeeautomaten einschalten, ohne irgendeine Droge komme ich jetzt nicht wirklich in Gang.
Der Apparat rödelt und maschniert eine Weile bevor er beginnt, Kaffee in die Tasse zu rotzen und ich nutze die Gelegenheit, nochmals in einen Spiegel zu schauen: Naja, eigentlich geht’s ja.

Auf dem Weg zum Besprechungszimmer denke ich kurz darüber nach, was der Mann wohl von mir will, daß es um einen Sterbefall geht, das ist klar, ich kömme zu dem Schluß, daß es irgendeine Oma oder Schwiegermutter sein muß.

Doch ich sollte mich täuschen.

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#zwei

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(©si)