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Zwei -2-

Manchmal, ach Quatsch: Immer haben Frauen einen siebten Sinn, wenn es um die Besonderheit der Situation geht und ich bin gerade am Beratungszimmer angekommen, da biegt meine Frau um die Ecke. Ich stelle fest, sie sieht wesentlich besser aus als ich, sowieso und jetzt ganz besonders.

„Wollte mal sehen, ob Du Kaffee brauchst“, sagt sie, ich hebe nur müde lächelnd die Kaffeetasse etwas und wir betreten gemeinsam den Beratungsraum. Hans Petersen hat einen der Säuglinge auf einen Sessel gelegt und kümmert sich gerade um den anderen. Meine Frau und Petersen müssen gar nicht viel reden und kaum zehn Sekunden später zieht meine Frau mit den beiden Babys von dannen. „Sonst haben Sie ja keine Ruhe“, sagt sie abschließend und Hans Petersen scheint dankbar dafür zu sein, er springt aber noch einmal auf, meiner Frau hinterher, zieht einen kleinen Rucksack vom Rücken und hängt ihn ihr über die Schulter: „Da ist alles drin für Tobias und Lukas.“

Dann sitzen wir uns gegenüber, ich nippe kurz an meinem Kaffee, ah das tut gut.
„Na, dann woll’n wer mal“, sage ich zum Auftakt, ziehe einen Erhebungsbogen aus der Schublade und klicke mit dem Kuli.
„Tja, das ist so“, sagt Hans Petersen und jetzt, da die Kleinen weg sind und wir uns der harten Realität zuwenden, wirkt sein Gesicht wie versteinert.

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„Wer ist denn verstorben?“ frage ich und er holt einmal tief Luft und will etwas sagen, aber es schießen ihm Tränen in die Augen, sein Mund verzerrt sich und der Mann wird von einem Weinkrampf geschüttelt.
Ab und zu kommen unverständliche Laute aus seinem Mund und ich fühle mich einen kurzen Moment lang sehr hilflos.

Soll ich eine seiner Hände nehmen und drücken, soll ich gar hingehen und ihn in den Arm nehmen?
Stattdessen stehe ich auf, gehe zu ihm, setze mich neben ihn und lege meine Hand auf seinen Unterarm.
Er schluchzt noch einmal auf, dann schnieft er in ein Taschentuch und sagt: „Jutta ist weg und Tim auch.“

Jutta, so erfahre ich, ist die Frau von Hans, Tim ist ihr erster Sohn, der vor zwei Jahren geboren worden ist.

Vor gerade einmal zwei Monaten sind die Zwillinge Tobias und Lukas auf die Welt gekommen und hatten das Glück der kleinen Familie perfekt gemacht. Tim, der Erstgeborene, litt seit der Geburt an einer schwere geistigen und körperlichen Behinderung. Umso glücklicher war das Elternpaar, daß die Schwangerschaft und Geburt der Zwillinge ohne größere Komplikationen verlaufen war und Mutter und Kinder wohlauf waren.

Anfang letzter Woche hatte das Unheil begonnen. Jutta mußte zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus und muß dort von Krankenhausbakterien befallen worden sein. Der Rest ist leider schnell erzählt. Schneller als man ein wirksames Antibiotikum finden konnte, vielleicht hätte auch gar keins mehr geholfen, ist Jutta verstorben. Als Todesursache wurde Hans mal Nierenversagen, mal Multiorganversagen genannt.
Doch nicht genug damit, daß der Mann seine Frau und Mutter von drei Kindern praktisch über Nacht verloren hatte, auch Tim mußte mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Er war beim Spielen plötzlich blau angelaufen, hatte keine Luft mehr bekommen und schon als man ihn mit der Kinder-Notambulanz abtransportierte, hatte Hans kein gutes Gefühl. „Er sah da schon mehr tot als lebendig aus.“
Tim ist nur zwei Stunden nach seiner Mutter verstorben. Man hätte alles versucht, um ihn zu retten, aber leider hätte alles nicht geholfen und man hätte ihn nach der Einlieferung ins Krankenhaus nicht mehr „zurückholen“ können. Ein anderer Arzt hat Hans erzählt, daß man Tim noch drei- oder viermal zurückgeholt hätte, es dann aber doch leider nicht „geklappt“ hätte.

Manchmal steht man einfach sprachlos da…

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#zwei

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(©si)