Manchmal, ach Quatsch: Immer haben Frauen einen siebten Sinn, wenn es um die Besonderheit der Situation geht und ich bin gerade am Beratungszimmer angekommen, da biegt meine Frau um die Ecke. Ich stelle fest, sie sieht wesentlich besser aus als ich, sowieso und jetzt ganz besonders.
„Wollte mal sehen, ob Du Kaffee brauchst“, sagt sie, ich hebe nur müde lächelnd die Kaffeetasse etwas und wir betreten gemeinsam den Beratungsraum. Hans Petersen hat einen der Säuglinge auf einen Sessel gelegt und kümmert sich gerade um den anderen. Meine Frau und Petersen müssen gar nicht viel reden und kaum zehn Sekunden später zieht meine Frau mit den beiden Babys von dannen. „Sonst haben Sie ja keine Ruhe“, sagt sie abschließend und Hans Petersen scheint dankbar dafür zu sein, er springt aber noch einmal auf, meiner Frau hinterher, zieht einen kleinen Rucksack vom Rücken und hängt ihn ihr über die Schulter: „Da ist alles drin für Tobias und Lukas.“
Dann sitzen wir uns gegenüber, ich nippe kurz an meinem Kaffee, ah das tut gut.
„Na, dann woll’n wer mal“, sage ich zum Auftakt, ziehe einen Erhebungsbogen aus der Schublade und klicke mit dem Kuli.
„Tja, das ist so“, sagt Hans Petersen und jetzt, da die Kleinen weg sind und wir uns der harten Realität zuwenden, wirkt sein Gesicht wie versteinert.
„Wer ist denn verstorben?“ frage ich und er holt einmal tief Luft und will etwas sagen, aber es schießen ihm Tränen in die Augen, sein Mund verzerrt sich und der Mann wird von einem Weinkrampf geschüttelt.
Ab und zu kommen unverständliche Laute aus seinem Mund und ich fühle mich einen kurzen Moment lang sehr hilflos.
Soll ich eine seiner Hände nehmen und drücken, soll ich gar hingehen und ihn in den Arm nehmen?
Stattdessen stehe ich auf, gehe zu ihm, setze mich neben ihn und lege meine Hand auf seinen Unterarm.
Er schluchzt noch einmal auf, dann schnieft er in ein Taschentuch und sagt: „Jutta ist weg und Tim auch.“
Jutta, so erfahre ich, ist die Frau von Hans, Tim ist ihr erster Sohn, der vor zwei Jahren geboren worden ist.
Vor gerade einmal zwei Monaten sind die Zwillinge Tobias und Lukas auf die Welt gekommen und hatten das Glück der kleinen Familie perfekt gemacht. Tim, der Erstgeborene, litt seit der Geburt an einer schwere geistigen und körperlichen Behinderung. Umso glücklicher war das Elternpaar, daß die Schwangerschaft und Geburt der Zwillinge ohne größere Komplikationen verlaufen war und Mutter und Kinder wohlauf waren.
Anfang letzter Woche hatte das Unheil begonnen. Jutta mußte zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus und muß dort von Krankenhausbakterien befallen worden sein. Der Rest ist leider schnell erzählt. Schneller als man ein wirksames Antibiotikum finden konnte, vielleicht hätte auch gar keins mehr geholfen, ist Jutta verstorben. Als Todesursache wurde Hans mal Nierenversagen, mal Multiorganversagen genannt.
Doch nicht genug damit, daß der Mann seine Frau und Mutter von drei Kindern praktisch über Nacht verloren hatte, auch Tim mußte mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Er war beim Spielen plötzlich blau angelaufen, hatte keine Luft mehr bekommen und schon als man ihn mit der Kinder-Notambulanz abtransportierte, hatte Hans kein gutes Gefühl. „Er sah da schon mehr tot als lebendig aus.“
Tim ist nur zwei Stunden nach seiner Mutter verstorben. Man hätte alles versucht, um ihn zu retten, aber leider hätte alles nicht geholfen und man hätte ihn nach der Einlieferung ins Krankenhaus nicht mehr „zurückholen“ können. Ein anderer Arzt hat Hans erzählt, daß man Tim noch drei- oder viermal zurückgeholt hätte, es dann aber doch leider nicht „geklappt“ hätte.
Manchmal steht man einfach sprachlos da…
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: zwei
Uff. Das ist hart.
Oh mein Gott….hoffentlich kommt er irgendwann damit zurecht. Ich hab schon öfter Berichte gelesen und gesehen, dass viele nie wieder mit dem Tod zurecht kommen und ihr Lachen regelrecht verlieren. Hoffentlich können seine Kinder ihm dieses schenken. Sie sind ja zum Glück erst 2 Monate. Ich wünsche ihm viel Glück!!!
Oh mein gott wie schrecklich.
Ich mag mir sowas gar nicht vorstellen.
und da soll noch einer frohes neues jahr wünschen
🙁
Manchmal steht man einfach sprachlos da…
*schluck*…
Klingt boese, aber es ist schwer genug, zwei gesunde Kinder ganz alleine grosz zu ziehen. Ein schwer krankes Kind zusaetzlich noch waere zuviel gewesen.
Fuer den Mann muss das echt die Hoelle sein.
Wenigstens ist/war er bei dir in guten Händen.
gut, dass du da warst. so ist es, das leben.
.~.
Verdammt … und ich dachte es gibt doch noch ein Happy End 🙁
Mist, ich hatte gehofft, dass wenn schon jemand stirbt, es dann bitte nicht (wie befürchtet) die Ehefrau *oder* ein weiteres Kind ist. Und jetzt haben wir kein Oder, sondern ein Und.
Sehr, sehr bitter.
Krankenhausbakterien? Was sind denn in diesem Fall Krankenhausbakterien? Krankenhaeuser muessen frei von Bakterien sein, denn wenn man sich so was einfaengt ist das ein Fall von unreinheit und da hat sich jemand dann nicht ordentlich gewaschen und die Haende nicht desinfiziert, oder die Geraete und Instrumente waren nicht sauber.
Wie dem auch sei, beides in dem Fall wird vor Gericht sehr Hart entschieden und kann zu einem hohen Schadensersatz fuehren, wenn die Frau wirklich daran gestorben ist. Immerhin muss man als Pfleger jeden Pfurz den der Patient abgibt dokumentieren…
Wenn man sich was an Bakterien einfaengt ist es ein MRSA und der ist lange nicht so schaedlich wie andere Bakterien, auch bei alten Leuten nicht.
Manchmal hasse ich dieses Blog. Ich wusste gestern schon, dass ich den zweiten Teil dieser Geschichte eigentlich nicht lesen will, aber ich Depp musste ja zurückkommen. Tom, auch der beste Geschichtenerzähler kann aus einer traurigen Realität keine schöne Geschichte machen. Du hast nen Scheißjob, sorry.
Mich macht diese „(2)“ stuzig. Für nen Zweiteiler? Ich hoff mal, dass es nicht damit weitergeht, dass Hans mit der Situation nicht klar gekommen ist und deshalb …
Ich stimme #11 zu. Jetzt verfalle ich so ins Mitleid, … *schluck*. Der arme Mann.
2- Babies
2- Tote
2- Teile
… gibt genug Gründe warum der Titel 2 ist
@ 10: Ein deutsches Krankenhaus (oder auch eine Pflegeeinrichtung, bevor da wieder der Streit losbricht) kann durchaus auch komplett MRSA-durchzogen sein, obwohl dort alle Hygienevorschriften eingehalten wurden. Weil die Hygienevorschriften speziell im Falle von MRSA in Deutschland absolut unzureichend und an manchen Srellen sogar widersprüchlich sind. Nicht ohne Grund geht man davon aus, dass in Deutschland weit mehr als ein Drittel der Bevölkerung MRSA-infiziert ist. In der Niederlande hingegen sind unter einem Prozent der Bevölkerung MRSA-positiv. Deswegen kommt jeder Deutsche, der in der Niederlande ins Krankenhaus muss, auch erst einmal in ein Quarantäne-Zimmer! ICh kann mir vorstellen, dass der Körper eine Woche nach einer Zwillingsgeburt durchaus noch geschwächt ist. Und wenn der sich dann auch noch mit MRSA rumschlagen muss, haben andere Krankheitserreger relativ leichtes Spiel. Es stirbt zwar niemand direkt an MRSA, der Staffelococcus Aureus ist an sich immerhin recht harmlos und siedelt auf der Haut fast jeden Menschens, aber bei zu starkem Befall hält er das Immunsystem ganz schön auf Trap und blockiet zB auch die Wundheilung, shwächt den Organismus also genug, um… Weiterlesen »
@Harold: Leider bekommst Du kein Krankenhaus wirklich „frei von Bakterien“. Dazu sind Prokaryonten zu ubiquitär, zu variantenreich und variabel und zu widerstandsfähig. Da kannst Du schrubben, wie Du willst, ein bißchen überlebt immer, und es wird ja auch ständig von außen durch Patienten, Ärzte, Besucher, Lieferung von Material, Essen etc. eingetragen.
Hinzu kommen Probleme wie MRSA, den Du ja schon genannt hast. Der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus ist inzwischen ein ziemliches Problem, weil Du ihm eben mit vielen Antibiotika gar nicht mehr beikommst. Das hat nichts mit „Unreinheit“ zu tun, eher mit dem zu sorglosen und falschen Einsatz von Antiobiotika über Jahrzehnte. S. aureus und viele andere war eben jahrzehntelang dem Selektionsdruck durch Antibiotika ausgesetzt, und diejenigen, die zufällig eine Resistenz entwickelt hatten, konnten sich wunderbar vermehren – die Konkurrenz war ja ausgeschaltet.
Und MRSA und Konsorten sind durchaus gefährlich. Je nachdem, welchen Stamm Du erwischst und wo am Körper die Infektion sitzt, kann das tödlich ausgehen – auch bei ansonsten gesunden Menschen.
Oje, ich hatte also auch richtig gelegen, mit der Vermutung, es sei die Mutter. Und also auch noch ein Kind.
Wie übel.
Mein absoluter Albtraum und der Grund, weshalb ich eine rgelerechte Krankenhaus-Phobie habe: Diese Horrorgeschichten von den fiesen Krankheiten, die man sich da zuziehen kann. Du kommst rein mit etwas, das gar nicht so dramatisch ist und stirbst am Ende durch irgendwas, was Du dir dort eingefangen hast. HORROR!!!!
@10 Harrold,
ich halte es für unmöglich, von Krankenhäusern Bakterien und sonstige Erreger fern zu halten, schliesslich handelt es sich doch um öffentlich zugängliche Einrichtungen.
Anders verhält es sich bei Isolierstationen, aber wolltest Du wirklich jedes Krankenhausbett zur Isolierzelle umfunktionieren?
Und was den Schadenersatz betrifft: Glaubst Du im Ernst, dass dieser „Schaden“ ersetzbar ist?
Es ist Mode, alles in Euro und Cent zu bewerten, hier handelt es sich aber nicht um ein beschädigtes Auto o.dgl., sondern um einen Menschen, noch dazu um eine Mutter von drei Kindern.
Ausserdem denke ich, ist es – ausser der Tragik an sich – nicht sinnvoll, beide „Fälle“ in einen Topf zu werfen, schliesslich weiss man aus der Erzählung zu wenig von Tims Krankheit.
@hajo:
Also ein komplettes Abschaffen von Schmerzensgeld?
Abgesehen von diesem Fall jetzt. Eine Schuld des Krankenhauses wird wahrscheinlich nicht oder nur sehr schwer nachzuweisen sein.
Wenn man schwer krank ist kommt man ins Krankenhaus. Wenn man schwer krank werden will geht man freiwillig dorthin. Ist doch allgemein bekannt oder nicht?
Tom, ich hatte, als ich meinen Kommentar zum ersten Teil schrieb, schon das Gefühl, dass es nicht wirklich ein alleinerziehender Vater ist, sondern sich dahinter eine richtige Tragödie verbirgt; aber man darf ja hoffen, oder?
Mein aufrichtiges Mitgefühl mit diesem Mann. Und auch mit Euch: Dir, Deiner Frau, und Deinen Mitarbeitern. Ich kann mir vorstellen, dass so etwas auch einem reichlich „abgebrühten“ Bestattungsunternehmer „an die Nieren geht“.
Jo, war doch klar mit der Mutter der Kinder. Aber ehrlich gesagt ist im Gegensatz zu meiner fiktiven Variante noch lange nicht geklärt, warum er dann Sonntag früh vor der Tür steht..!?
Naja und mit dem Erstgeborenen. Klingt vielleicht etwas hart, aber wenn er schon noch zusätzlich ein Kind verliert, kann er doch froh sein, dass ihm die zwei gesunden Kinder geblieben sind. In jeder anderen Kombination hätte er insbesondere als Alleinerziehender deutlich mehr zeitliche/nervliche/materielle Probleme.
@ 4 und @ 22:
Es klingt nicht nur hart, sondern es ist auch sehr hartherzig, die Kinder (das behinderte und die 2 gesunden) in 2 Klassen teilen zu wollen. Ist es „weniger schlimm“, ein behindertes Kind zu verlieren, als ein gesundes und dafür das behinderte zu behalten? Schlimm ist schlimm! Vor allem für die Eltern. Vorsicht vor solchen Äußerungen! – Ich selbst habe mir als Neugeborener Erreger im Krankenhaus eingefangen und eine Hirnhautentzündung davon getragen. Da hat es kein Geld gegeben (auch, weil man vor 30 Jahren vielleicht zu naiv dazu war…).
Wäre es in so einem Fall eigentlich möglich, Mutter und Kind zusammen zu bestatten? Also in einem gemeinsamen Sarg?
Das gibts doch nicht… Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit totem Kind UND Mutter. Der kurze zeitliche Abstand ist auch brutal – kaum hat man so halbwegs aufgenommen, dass Jutta nicht mehr ist, erwischt es Tim…
Schei*e 🙁
@22: Man kann ja praktisch denken, so wie Du.
Nur sollte man nicht so undiplomatisch (dumm) sein, das auch noch direkt so offen zu äussern. Das war kein Fettnäpfchen, das war schon ein Vollbad im Fettbottich.
Sehr tragische Geschichte. Bitter. Das Leben ist hart. Es ist sehr schlimm für die betroffene Familie. Aber nun auf unsere Krankenhäuser zu wettern und zu schimpfen, klagen zu wollen etc. WAS SOLL DAS? Sind Krankenhäuser Zauberburgen? Wie benehmen sich die Leute heute in einem Klinikum? Allein wenn sie dort jemanden besuchen? Hier kleine Auszüge die täglich passieren. Vor der Klinik wird noch die Kippe ausgetreten, der Besucher stinkt dann schön nach Nikotin. Handys werden nicht ausgeschaltet, nur Ton wird auf Stumm geschaltet, wenn überhaupt. Kinderscharen werden mitgenommen, noch nicht mal frisch angezogen. Es wird nicht mehr geflüstert sondern auf den Fluren laut erzählt und gerufen. Es werden hochhackige Schuhe angezogen, die Lärm machen beim gehen usw. Schrei übern KH Flur einer GYN: Abteilung Herbert bring ma vom Bistro unten noch Kuchen mit hoch 4 Stück! Die Patienten sitzen dann vor Schreck im Bett. Es wird auf die Zimmertoilette der Patienten gegangen, statt die Besuchertoi zu benutzen etc. Mit Kindern wird auf dem KH Flur fangen gespielt usw usw. Gerade diese Leute fordern dann aber eine… Weiterlesen »