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Abschied per Zeitung? Warum Todesanzeigen immer mehr verschwinden

Ehepaar liest Todesanzeigen

Noch vor wenigen Jahrzehnten war sie ein selbstverständlicher Bestandteil jedes Trauerfalls: die Todesanzeige in der Tageszeitung. Wer gestorben war, dessen Name stand schwarz umrahmt in der Zeitung – mit Bibelzitat, Lebensdaten, und der langen Liste der Trauernden. Und es war eine Gewissheit: Wer liest, der weiß es. Doch heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus.

Die goldenen Zeiten der Traueranzeige

Vielleicht erinnerst Du Dich: Früher lag die Tageszeitung selbstverständlich auf dem Frühstückstisch. Der Blick in den Lokalteil gehörte zur morgendlichen Routine – nicht selten auch, um „mal nachzusehen, wer gestorben ist“. Die Todesanzeige hatte dabei eine doppelte Funktion: Sie war Mitteilung und Ritual zugleich.

Viele Leute schlugen die Tageszeitung bei den Todesanzeigen auf und schauten als allererstes nach, wen es dieses Mal erwischt hatte.

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Für die Hinterbliebenen war die Anzeige ein öffentliches Zeichen ihrer Trauer, für das soziale Umfeld ein Signal zur Anteilnahme. Sie informierte Menschen über den Todesfall und die Beerdigung, die sonst nichts erfahren hätten. Auch Kollegen, alte Schulfreunde, entfernte Verwandte oder Nachbarn konnten auf diesem Weg informiert werden – oft die einzige Möglichkeit, außerhalb des direkten Bekanntenkreises zu erreichen, dass jemand etwas von diesem Sterbefall erfährt.

Die Zeitungsverlage profitierten davon. Todesanzeigen waren über Jahrzehnte ein verlässlicher Umsatzbringer1

Und auch für uns Bestatter war die Todesanzeige ein fester Bestandteil des Ablaufs. Sie verdienten an der Provision, die sie für die Aufgabe der Anzeige von der Zeitung erhielten, und die als Kompensation für ihren Aufwand mit Formulierungshilfen, Schriftauswahl und Layoutvorschlägen, oft sogar inklusive Druckvorlage gedacht war.

Doch die Zeiten ändern sich.

Heute: Eine WhatsApp genügt

Die Bedeutung der klassischen Zeitungsanzeige ist in den letzten Jahren dramatisch geschrumpft. Bestatter beobachten seit geraumer Zeit, dass Angehörige immer seltener eine Anzeige in der Lokalzeitung wünschen. Inzwischen erscheint nur noch bei rund 30 % aller Todesfälle eine solche Anzeige. Das ist ein gravierender Rückgang – und das aus mehreren Gründen.

Zunächst einmal: Die Zeitungen haben ihre Reichweite und ihre Bedeutung verloren. Wer unter 50 ist, liest kaum noch gedruckte Tagespresse – und wer sich auf Facebook, Instagram, WhatsApp oder Signal bewegt, bekommt dort schneller und direkter mit, wenn jemand gestorben ist. Ein kurzer Text, ein Foto, ein Emoji – und der Tod wird „geteilt“, kommentiert, weitergereicht. Gesellschaftlich ist das längst akzeptiert.

Und es ist auch praktisch: Mit einem Klick erreichen Sie den gesamten Familien- und Freundeskreis. Niemand muss warten, bis die Zeitung gedruckt ist. Niemand muss Formulare ausfüllen oder Anzeigenpreise kalkulieren. Der Tod ist privat – aber eben auch digital.

Absurd: Likes für den Tod

Als Dirk Bach gestorben ist, verbreitete sich die Todesnachricht, nachdem sie zuerst im Bestatterweblog erschienen war, in Windeseile über die sozialen Medien. Da es für einen solchen Fall kein passendes Ämotschi gibt/gab, blieb den Facebook-Nutzern nichts anderes übrig, als ihrer Betroffenheit und Anteilnahme durch das Drücken des Like-Buttons (Daumen hoch) Ausdruck zu verleihen. Das empfanden andere als unpassend und klickten angesichts der traurigen Nachricht „Daumen runter“. Und was wiederum bedeutete für andere, dass diese Leute Dirk Bach nicht mochten usw. usw. …

Kosten und Erwartungen passen nicht mehr zusammen

Ein weiterer Grund ist der Preis. Die meisten Menschen schätzen die Kosten einer Todesanzeige deutlich zu niedrig ein. In vielen Regionen Deutschlands können Anzeigenpreise schnell dreistellig werden – bei großen Formaten oder mehreren Veröffentlichungen noch deutlich mehr. Für viele Angehörige steht das nicht mehr im Verhältnis zum empfundenen Nutzen.

Die Todesanzeigen waren immer deutlich teurer, als vergleichbare, gleich große andere Anzeigen. Wenn Schaneia und Kevin die Geburt ihrer Tochter Amaryllis-Koitussia anzeigten, kostete das 200 Euro und für eine Todesanzeige in gleicher Größe wurden satte 490 Euro aufgerufen.

Und schließlich: Die Todesanzeige wirkt auf viele Jüngere einfach „altmodisch“. Die Formulierungen, das Layout, die Begrenzung auf Papier – all das hat für eine Generation, die mit Multimedia aufgewachsen ist, wenig Relevanz.

Mobilität und Lebenswandel

Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird: Menschen leben heute nicht mehr ihr ganzes Leben an einem Ort. Wo früher mehrere Generationen im gleichen Dorf oder Stadtteil wohnten, ist heute viel Bewegung. Beruf, Studium, Partnerschaft oder einfach der Wunsch nach Veränderung führen dazu, dass Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten über das ganze Land – oder sogar international – verstreut sind.

Selbst wenn Sie heute eine Anzeige in der Lokalzeitung schalten: Wer soll sie lesen? Der Großteil der Menschen, die sich wirklich angesprochen fühlen würden, wohnt längst woanders – und bekommt sie schlicht nicht zu Gesicht. Der Informationsweg über soziale Medien, E-Mail oder Messenger ist in solchen Fällen nicht nur effizienter, sondern oft der einzige realistische Weg, um wirklich zu erreichen, wer erreicht werden soll.

In einer Welt, in der sich Lebensläufe über viele Orte, Stationen und Netzwerke erstrecken, hat auch das Gedenken neue Wege gefunden. Und das ist nichts Schlechtes – sondern eine sinnvolle Anpassung an unsere Zeit.

Digitale Gedenkseiten und neue Rituale

Das heißt jedoch nicht, dass die Todesanzeige ganz verschwunden ist. Sie hat sich verlagert. Viele Bestatter bieten heute digitale Gedenkseiten an: Mit Fotos, Videos, Musik, einem Kondolenzbuch und dem Termin der Trauerfeier. Diese Seiten sind teilbar, aktuell und oft kostenlos. Sie ermöglichen eine ganz neue Form der Anteilnahme – oft auch über große Entfernungen hinweg.

Und wer unbedingt eine Anzeige möchte, kann diese heute oft digital schalten, auf Online-Portalen oder in Social-Media-Kanälen. Die klassischen Zeitungen reagieren mittlerweile mit Kombi-Angeboten – Print plus Online –, aber das reicht oft nicht aus, um den Bedeutungsverlust aufzuhalten.

Bedeutungswandel der Trauerfeier

Auch das gesellschaftliche Bild von Abschied und Trauer hat sich verändert. Die klassische Trauerfeier, bei der der Verstorbene im großen Kreis von Freunden, Bekannten, Nachbarn und Kollegen verabschiedet wurde, ist auf dem Rückzug. Immer häufiger wünschen sich die Angehörigen eine Beisetzung im engsten Kreis – oft ohne öffentliche Einladung, manchmal sogar ganz ohne Feier. Die Gründe dafür sind vielfältig: persönliche Zurückgezogenheit, finanzielle Überlegungen, aber auch der Wunsch nach einem intimeren Rahmen.

Zugleich erleben wir eine Abkehr vom traditionellen Friedhof. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Beisetzung in einem Bestattungswald oder in anderen naturnahen Grabformen, die keine große Zeremonie vorsehen und keine klassischen Friedhofsstrukturen mehr benötigen. Viele dieser Orte sind fernab der Städte gelegen, schwer zugänglich oder schlicht nicht dafür gedacht, größere Gruppen zu empfangen.

Und das berühmte „Leichenschmaus-Kaffeetrinken“? Auch das ist vielerorts Geschichte. Die hohen Preise in der Gastronomie, gepaart mit schwindender sozialer Verpflichtung, führen dazu, dass immer weniger Hinterbliebene noch zum Kaffee nach der Beisetzung laden – früher fast ein ungeschriebenes Gesetz, heute die Ausnahme.

All das bedeutet: Es gibt kaum noch einen Anlass, zu dem eine Todesanzeige in der Zeitung konkret einlädt. Weder Ort noch Zeit sind öffentlich, oft steht selbst das Datum der Beisetzung nicht mehr zur Veröffentlichung. Die Anzeige erfüllt damit kaum noch ihre frühere Funktion – und verliert damit zwangsläufig an Bedeutung.

Fazit: Wandel ist normal – auch beim Trauern

Wenn die Leute also darüber nachdenken, ob eine Todesanzeige in der Zeitung wirklich noch nötig ist, dann ist das keine Respektlosigkeit – sondern Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels. Heute ist es völlig legitim, per SMS, WhatsApp oder Facebook über einen Todesfall zu informieren. Die Formen der Anteilnahme haben sich verändert – aber das Mitgefühl ist geblieben.

Was früher im Lokalteil stand, wird heute geteilt, geliked und kommentiert. Und wer trauert, findet auch im digitalen Raum Gemeinschaft, Erinnerung – und Würde2.

Tipp vom Bestatter:

Ob die Hinterbliebenen sich für eine klassische Anzeige, eine digitale Gedenkseite oder nur eine persönliche Nachricht entscheiden – wichtig ist, dass der Tod nicht unbemerkt bleibt. Auch in Zeiten des Medienwandels bleibt die Aufgabe gleich: Wir geben dem Abschied eine Form. Und das darf sich ruhig verändern.

Wie siehst Du das? Wäre Dir eine Anzeige in der Zeitung wichtig?

Bildquellen:

  • ehepaar-todesanzeigen: Peter Wilhelm KI


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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 11. Juni 2025

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(©si)

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Jürgen
21 Stunden zuvor

Hallo Peter!
Vor ein paar Jahren ist ein Schulfreund von mir gestorben. Viel zu früh. Wir hatten beide im Alter von 19 Jahren unsere Heimatstadt verlassen und waren auch nie wieder zurückgekehrt, sondern haben uns an anderen Orten niedergelassen. Wir haben uns nur alle 10 Jahre auf dem Abitreffen gesehen. Wir wollten uns aber in der Rente wieder öfter sehen.
Seine Verwandten haben trotzdem eine Traueranzeige in unserer Heimatstadt geschaltet (in der Zeitung und online). So konnte mir ein gemeinsamer Bekannter, der im der Heimatstadt geblieben war, von seinem Tod berichten.
Trauerfeier war zwar im engsten Rahmen, aber so hatte ich wenigstens die Gelegenheit zeitnah den Hinterbliebenen eine persönliche Mitteilung zu schicken. Ansonsten hätte ich das erst auf dem Abitreffen erfahren – und das hätte dort meine Stimmung doch tief getrübt.
Jürgen




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