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Baden-Württemberg: Gesetzesänderung – Bestattung bald ohne Sarg?

leichentuch

Die Fraktionen im Stuttgarter Landtag wollen das Bestattungsgesetz ändern. Wir wissen ja, daß Bestattungsangelegenheiten Ländersache sind und nicht bundeseinheitlich entschieden werden.
So will man den unterschiedlichen Gepflogenheiten und regionalen Traditionen mehr Rechnung tragen.
Nun beugt sich der baden-württembergische Landtag der Forderung von Muslimen, Leichen auch ohne Sarg bestatten zu dürfen.

Stattdessen möchten muslimische Interessengruppen durchsetzen, daß die Leichen ihrer Verstorbenen von nun ab nur in Leichentücher gewickelt bestattet werden.

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Aufmerksame Bestatterweblog-Leser wissen, daß die Bestattungsgesetze sich immer nur wenig ändern und den Wünschen der Bevölkerung im Allgemeinen gar nicht oder nur mit jahre- bis jahrzehntelanger Verzögerung entsprochen wird. Hierbei darf man die Katze nicht mit dem Brunnen ausschütten: Richtig ist nämlich auch, daß die Bestattungsgesetze, wie auch die Friedhofsordnungen der Gemeinden, den Willen der Bevölkerung, vertreten durch Kirchen, Parteien und/oder Verbände, widerspiegeln.
Daß es so ist, wie es ist, das ist das Ergebnis einer Entwicklung, die die Traditionen unseres Volkes widergibt.
Auch wenn wir das, angesichts immer neuer und anderer Angebote manchmal nicht wahrhaben wollen.

Tatsächlich tut sich ja immer mal wieder etwas. Auf vielen Friedhöfen gibt es inzwischen Baum- oder Hainbestattungen, die eine echte und oft günstige Alternative zu den Bestattungswäldern darstellen.
Für Urnen gibt es inzwischen recht viele Möglichkeiten der Aufbewahrung, bis hin zur Einstellung der Urne (für einige Jahre) in private Kolumbarien bei Bestattern.

Die grundsätzlichen Vorgehensweisen jedoch, die wollen unsere Politiker nicht antasten. Eine sarglose Einäscherung ist ebenso nicht möglich, wie die Mitnahme der Urne nach Hause oder die Verstreuung der Asche auf privatem Grund.

Das soll jetzt aber in einem Punkt anders sein.
Den Muslimen will man also gestatten, ihre Verstorbenen nach islamischem Ritus nur im Leichentuch zu bestatten.

Hieraus ergeben sich allerdings mehrere, bislang nur andiskutierte Probleme bzw. Fragen.

Zum einen standen die baden-württembergischen Politiker vor der Frage, ob man die sarglose Erdbestattung auch Nichtmuslimen gestatten soll. Vor allem die CDU hatte hier einen Religionsnachweis gefordert.
Damit wäre aber die Leichentuchbestattung einem einer Minderheit gewährten Ausnahmeprivileg gleich gekommen. Denn ohne Frage ist eine Bestattung bei Verzicht auf den Sarg doch um einiges günstiger.
Das will man nun nicht umsetzen, sondern die Tuchbestattung soll allgemein erlaubt werden.

Es wurde nun auch die Befürchtung laut, aus Kostengründen könnten vermehrt auch Nichtmuslime zu dieser Bestattungsart greifen.
Hier stellt das Sozialministerium entgegen, es gäbe vermutlich gar keine Einsparung. Das verwundert.
Denn für den Ankauf des Sarges für eine Erdbestattung geben die Baden-Württemberger zwischen 1.300 und 4.000 Euro aus. Diese Summe fällt künftig weg, wenn nur ein Leichentuch für 29 Euro benötigt wird.
Ja, heißt es, das Grab müsse viel umfangreicher gesichert werden, weil jemand in die Grube steigen müsse.
Wie bitte?

Wer so etwas sagt, der hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Auch heute schon sind ausgehobene Gräber auf deutschen Friedhöfen besser baulich gesichert als mancher chinesische Hochhausbau!
Und auch bei herkömmlichen Bestattungen müssen die Grabmacher in die Grube steigen, um Stützen, Bretter und Verschalungen zu entfernen.
Die Berufsgenossenschaft würde einem was husten, wenn da nicht eine ordentliche Sicherung des Erdreichs erfolgt wäre!
Dieses Argument, das ja nur verdeckt andeuten soll, daß man die Grabarbeiten für Tuchbestattungen teurer machen soll/will, zieht also in keinster Weise.

Ja aber, so wird dann weiter argumentiert, man brauche ja gemäß Landesbestattungsgesetz für den Transport sowieso einen Sarg. So ganz ohne den gehe es also dann doch nicht und so ergebe sich dann doch wieder keine Ersparnis.

Häh?
Einen Leichnam im Tuch, der sowieso ohne Sarg beigesetzt wird, den könnten Bestatter ohne größere Zusatzkosten in ihrem Unfallsarg oder in einem mehrmals verwendbaren Leihsarg transportieren.

Es ist klar, den Bestattern geht unter Umständen ein Teil ihres Geschäfts flöten.
Denn wir wissen ja, daß in den Sargpreis häufig auch noch zahlreiche andere Kosten des Betriebs einkalkuliert sind.

Aber, und jetzt kommt das Aber: Diese Aussage muß man relativieren, auch wenn ich bei der Frage nach den hohen Sargpreisen vom Grundsatz her auch so argumentiere.
Denn wir müssen einmal sehen, daß früher die Bestatter oft nur drei Positionen auf der Rechnung hatten:

-Sarg
-Einsargen
-Überführung

Punkt.

Da steckten dann im hohen Sargpreis die ganzen anderen Kosten.
Inzwischen haben sich die Zeiten geändert und der Verbraucher erwartet zu Recht Transparenz.
Deshalb schlüsseln auch Bestatter inzwischen beinahe jeden einzelnen Handschlag in ihren Rechnungen auf. Indes, die hohen Sargpreise sind meist geblieben.

Das heißt, auf der einen Seite sagt man im Sargpreis seien die Nebenkosten mit dabei, auf der anderen Seite werden aber genau diese Nebenkosten heute auch noch einmal detailliert abgerechnet.
Kollegen sagen: „Wir müßten noch mehr Nebenkosten abrechnen und eventuell eine Art Grundgebühr einführen, wollten wir den Sarg zu einem Preis verkaufen, der in einem normalen Verhältnis zum Einkaufspreis liegt.“

Genau hierhin muß der Weg führen!
Noch mehr Transparenz, mehr Nebenkosten (Lager, Logistik usw.) in den Rechnungen aufschlüsseln und runter mit dem Sargpreis.
Denn dann tut es auch nicht so weh, wenn ein Kunde keinen Sarg will!

Ich will mir da keine öffentlich geäußerte Meinung antun, ob man wirklich diese Sonderform der Bestattung auf Betreiben einer Minderheit zum allgemeinen Gesetz machen sollte.
Mich wundert es nur, mit welcher Vehemenz diese Diskussion im Vorfeld betrieben wurde, denn die allermeisten Muslime lassen sich nach wie vor in ihrer Heimat bestatten; der Aspekt in heimatlicher Erde begraben zu werden, spielt nämlich, so sagten mir viele Muslime, eine beinahe ebenso bedeutsame Rolle, wie die Tuchbestattung an sich.

Nun ist es eben so, daß doch ein größer werdender Teil der 650.000 hier in Baden-Württemberg lebenden Muslime möglicherweise doch lieber hier nach muslimischem Ritus bestattet werden möchte.
Die dritte und vierte Generation der ehemaligen Gastarbeiter zum Beispiel, hat selten einen direkten und engen Bezug zum so genannten Heimatland, in dem sie als Deutschländer auch keine richtige Anerkennung finden.
Vielleicht muß das mit der Tuchbestattung also so sein. Nun denn.

Daraus ergibt sich aber, und man könnte das fast unterstellen, für die Bestattungsbranche eine ganz neue Perspektive.
Bestatter, Steinmetze, Blumenhändler, Gärtner und nicht zuletzt die Friedhöfe sehen natürlich in diesen nun hier zusätzlich bestatteten Muslimen, die ja sonst in die Heimat gebracht worden wären, ein lukratives Geschäft.

Man wird abwarten müssen, wie sich das alles entwickelt.

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