Frag doch den Undertaker

Beckenbruch und keiner merkt was?

Heute schreibt mir eine Familie, die den Verlust eines Verwandten zu beklagen hat, der die letzten Jahre in einem Heim zugebracht hat. Ich beantworte die Frage nach bestem Wissen und Gewissen, wie ich es immer tue. Mich würde aber auch die Meinung meiner Leserinnen und Leser interessieren, in wie weit meine Einschätzung hinsichtlich der geschilderten Verletzung richtig ist.

Hier die Zuschrift:

Ich habe im Internet Ihren Webblog gefunden und habe eine brennende Frage, in der Hoffnung, bei Ihnen eine Antwort zu finden.
Vorgeschichte:
Ein Familienmitglied (60-70 Jahre, Gehirnschaden), seit vielen Jahren im Pflegeheim (das die Familie für sehr gut gehalten hat), zum Schluß bettlägerig ist plötzlich verstorben.
Der Arzt konnte keine genaue Todesursache feststellen, hat aber einen Totenschein ausgestellt.
Der Leichnam soll verbrannt werden. Dann bekommt die Familie die Nachricht, die Kripo wurde eingeschaltet. Schock. Die Angehörigen bekommen keine Auskunft, da die Schweigepflicht über den Tod hinausgeht.
Schließlich bekommt man doch „durch die Hintertür“ Auskunft: Der Amtsarzt, der den Toten vor der Verbrennung untersucht hat, hat einen etwa 14 Tage alten Beckenbruch festgestellt und der Tote ist in Folge davon an einer Lungenembolie gestorben.

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Jetzt meine Fragen:
Welche Untersuchungen führt ein Amtsarzt aus? (Es ist noch keine Obduktion durchgeführt worden). Röntgt er auch?
Warum hat das Pflegepersonal den Beckenbruch nicht erkannt?
Gibt es für die Angehörigen eine Möglichkeit an Information zu kommen?

Für eine Beantwortung wäre ich Ihnen dankbar.

(Ich habe wie immer die genauen Umstände etwas anonymisiert. Auch wenn es für die Betroffenen selbst manchmal so aussieht, als wisse nun jeder um wen es geht und wo das passiert sei, kann ich versichern, daß in all den vielen Jahren so eine Herleitung noch nie stattgefunden hat.)

Meine Antwort:

Das ist ein sehr klassischer Fall, wenn ich das mal so sagen darf.
Es ist durchaus nichts Ungewöhnliches, daß sich ältere Menschen, vor allem dann, wenn sie sich vielleicht nicht richtig artikulieren können, auch in Pflegeobhut Brüche zuziehen, von denen das Pflegepersonal nichts bemerkt.
Vor allem bei lange bettlägrigen Personen können ganz geringe Ursachen schon zu Brüchen führen, die dann oft lange -aufgrund des dauernden Liegens- nicht bemerkt werden und auch für den Patienten durchaus schmerzfrei sein können. So ist mir bekannt, daß beim Röntgen alter Menschen oft zum völligen Erstaunen mehrere alte Knochenbrüche festgestellt werden, die „irgendwie“ verheilt waren.

Der Amtsarzt nimmt eine sehr genaue Untersuchung durch Inaugenscheinnahme vor. Einem aufmerksamen Arzt kann ein Beckenbruch, etwa durch Schiefstellung der Hüfte oder der Beine schon auffallen, nehme ich an.
Der Leichnam wird bei der Untersuchung manchmal auch aus dem Sarg gehoben und/oder umgedreht. Dabei ist ein Beckenbruch durchaus feststellbar, möchte ich meinen.

Kommt nun der Amtsarzt im Zuge seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die hausärztlich bescheinigte Todesursache nicht mit der tatsächlichen Todesursache übereinstimmt, so muß er meldend tätig werden.
Es ist ja häufig so, daß der Hausarzt beispielsweise die Vorgeschichte einer 86jährigen, schwer herzkranken und bettlägrigen Patientin sehr gut kennt und dann -manchmal auch ohne weitere genauere Untersuchung- sehr schnell zu einer bestimmten Todesursache tendiert und diese auf den Leichenschauschein schreibt. Beispielsweise Herzinfarkt oder Lungenembolie etc.
Findet der Amtsarzt dann eine andere Todesursache heraus, muss er das melden. Genau dafür wird diese zweite Leichenschau vor der Einäscherung durchgeführt.
Sie soll ja sicher stellen, daß a) sicher stellen, daß der Mensch wirklich tot ist und b) eine Überprüfung der Todesursache sein, denn nach der Einäscherung können eventuelle Zweifel an der Todesursache ja nicht mehr durch eine Exhumierung der Leiche untersucht werden.

Der Amtsarzt führt in der Regel keine Röntgenuntersuchung durch.
Ich halte das nicht für ein grobes Pflegeversäumnis. Wobei hier deutlich eine Rolle spielt, inwieweit der Patient sich äußern kann.
Ich kenne alte Menschen in Pflegeheimen, die in ihrer Demenz den ganzen Tag klagende und jammernde Laute von sich geben. Wie will ein Pfleger hier erkennen, ob und wann dieses permanente Klagen nun auf ein akutes Schmerzempfinden zurückzuführen ist?

Um an Informationen zu kommen, bleibt nur die Möglichkeit Fragen zu stellen. Ich würde zunächst vorwurfsfrei auch mit der Pflegeleitung des Heims über diese Sache sprechen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.

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(©si)