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Bettlaken

Ich fahre durch die noch dämmrige Stadt, hatte sehr früh was zu erledigen und komme durch die Bismarckstraße. Schon von weitem sehe ich den silbergrauen Sprinter-Transporter der „Pietät Eichenlaub“ mit offenen Hecktüren und verlangsame meine Fahrt.

Ich bin kein Gaffer, fahre an allen Unfallstellen zügig vorbei, aber hier ist es kein Unfall. Der Lieferwagen steht am rechten Fahrbahnrand in zweiter Reihe, die Warnblinklichter eingeschaltet und es sieht so aus, als holten die Eichenlauber irgendwo einen Verstorbenen ab.
Hinter dem Bestattungswagen steht ein offener Sarg auf der Fahrbahn, der Deckel lehnt an der offenstehenden rechten Hecktür.

Und ja, sie tun wirklich, aus Haus Nummer 12 kommen die beiden Bestattungshelfer der Firma Pietät Eichenlaub und tragen einen Verstorbenen in einem Bettlaken durch den Vorgarten, über den Gehweg, über den Radweg, über zwei Fahrbahnen und legen ihn dann mitsamt Bettlaken in den Sarg.
Ich sehe noch, wie einer von denen den Deckel nimmt, dann kann ich vorbeifahren.

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Hm, während ich weiterfahre überlege ich, warum die das so gemacht haben und ob wir das auch so machen würden.

Ich kenne die Häuser in dieser Gegend, ich weiß daß es da eng zugeht. Manchmal hat man in den kleinen Schlafzimmern wirklich nicht mal Platz für die Trage und muß entweder Nachtschränkchen rausräumen oder sonstwie umbauen.
Da kann es schon mal vorkommen, daß man den Verstorbenen nicht mit der Trage bergen kann, sondern das Bettlaken um ihn schlägt und ihn dann so in den Flur trägt, um ihn dort auf die Trage zu legen.

Aber quer über die Straße? Nein, das würden wir nicht machen. Irgendwo im Haus ist immer Platz für die Trage, sodaß man den Verstorbenen nicht im Bettlaken durch die Gegend tragen muß. Ich finde, da muß keiner bei zuschauen können.

Warum aber nehmen die überhaupt das Bettlaken?
Nun, um einen Verstorbenen auf die Trage legen zu können oder wenigstens in einen flexiblen grauen Leichensack mit Griffschlaufen, muß es unabdingbar irgendwo eine Stelle geben, an der man den Verstorbenen gerade hinlegen kann. Manchmal erlauben die Örtlichkeiten das eben nicht. Kleine Einraumwohnungen, vollgestellt mit Mobiliar, Toilettenräume, Kelleraufgänge usw. bieten oft nicht die Möglichkeit dazu und dann muß man eben schauen, wie man den Verstorbenen so pietätvoll wie möglich von A nach B bekommt.

Für den Transport in einer flexiblen Hülle spricht auch oft die Enge der Treppenhäuser. Ich behaupte zwar immer, daß geübte Bestatter mit der Trage überall durchkommen, aber manchmal stimmt das eben doch nicht. Speziell bei der Bergung aus unüblichen Räumlichkeiten, wo der Verstorbene etwa über die Feuerleiter oder über enge Notausstiege transportiert werden muß, tut man sich manchmal leichter, wenn er nicht auf einer über zwei Meter langen starren Trage festgeschnallt ist.

Das sind aber seltene Ausnahmen und da in der Bismarckstraße dürfte es nicht so gewesen sein. Wenigstens im Treppenhaus unten im Flur wäre Platz gewesen.

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#bettlaken

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