Man könnte ja meinen, das sei eine sehr einfache Geschichte und zwar in zweierlei Hinsicht.
Zum einen ist es ja leicht, sich als Unternehmer und Kaufmann aus dem Ganzen einfach herauszuhalten. Herr Görgens ist ein Kunde und was der bestellt, das liefere und leiste ich und alles was drumherum passiert, das geht mich nichts an; könnte ich sagen.
Aber ich war noch nie ein hartgesottener Kaufmann, der seinen Gewinn als einziges Maß im Sinn hatte, und ich habe mich schon immer nicht nur um den Kunden in seiner Funktion als Auftraggeber und Zahler gekümmert, sondern auch um den Menschen. Ich bin keiner, der die Menschen als Masse so unwahrscheinlich lieb hat, daß er ständig mit Menschen zu tun haben will und nur dann Glück empfindet, wenn er von möglichst vielen homo sapiens umgeben ist. Nein, der einzelne Mensch an sich, das separierte Schicksal, das interessiert mich, das weckt in mir Empathie und Sympathie und bringt mich dazu, mich zu kümmern.
Schon deshalb bemühe ich mich, weit über das Maß der kaufmännischen Erfordernisse hinaus, daß es meinen Kunden gut geht. Ich sehe es immer so, daß sich diese Menschen in einer für sie ganz schwierigen Situation an mich wenden und sich mir anvertrauen. Es liegt nun in meiner Hand, ob sie sich wohlfühlen, ob wir ihnen eine Hilfe und Stütze sind, oder ob wir einfach nur alles fehlerfrei abwickeln.
Zum anderen könnte man sich ganz leicht auf die Seite von Herrn Görgens stellen oder die Position seiner Frau einnehmen. Beide haben wahrscheinlich ein bißchen Recht und man würde dem jeweils anderen sicherlich Unrecht tun, würde man nun nur einen von beiden verstehen wollen.
Nein, ich konnte Frau Görgens nicht einfach davonrennen lassen. Frauen fressen sowas nicht in sich hinein, Frauen bewegen solchen Kummer und Ärger im Kopf und mit den Lippen, sie potenzieren es und schneller als es „Mann“ lieb ist, steckt „Mann“ in einer ausweglosen Situation.
Ich klopfte Herrn Görgens kurz auf die Schulter und eilte seiner Frau hinterher. Die stand in der Halle bei der über Winter etwas kümmerlich gewordenen Yucca-Palme und schniefte in ein Taschentuch. Als sie mich bemerkte, wischte sie noch einmal über ihre Nase und sagte: „Nicht, daß Sie denken, ich würde jetzt weinen, DER weine ich keine Träne hinterher, ich bin nur so aufgeregt.“
Ich spürte, daß das was nun kommen würde, länger dauern würde und zog Frau Görgens einfach am Ellenbogen mit mir in die Trauerhalle unseres Hauses und drückte sie dort leicht auf einen Stuhl ziemlich hinten. Übers Telefon wies ich Frau Büser an, Herrn Görgens zu beschäftigen und ihm etwas zu servieren, der würde mir nicht weglaufen, da war ich mir sicher.
Dann setzte ich mich neben Frau Görgens und wir schwiegen in der halbdunklen Halle die Buntglasfenster an.
Wieviel Zeit vergangen war, weiß ich nicht mehr, mir kam es ziemlich lange vor bis Frau Görgens endlich zu sprechen begann.
Und schon nach den ersten Sätzen war mir klar, daß das keine einfache Sache werden würde. Da sind zwei Seelen, um die man sich kümmern muß.
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Anders gesehen sind da 3 Seelen, um die man sich kümmern muss 😉
Yes! das wird bestimmt ein Tom’scher 6-Teiler. Freu mich schon, wenn „Bestatterweblog – S02E03 – Birgitt packt aus“ im Netz auftaucht. 😉
Nö, sind zwei Seelen. Die dritte ist bereits gen Himmel/Patadies/Fegefeuer/Hölle/Nirvana/Wiedergeburt/WasAuchImmer gefahren. Da gibt es nur noch den Körper. 😉
Tom, ich finde es gut, daß Du Dich um die Menschen kümmerst, soweit es geht und sie es zulassen. Als Bestatter bist Du im Gegensatz zu anderen Außenstehenden in einer besonderen Position, die Dir das auch ermöglicht. Und genau genommen ist das in Deinem Beruf sogar kaufmännisch vernünftig, da sich eine warme, menschliche Behandlung in dieser nicht einfachen Zeit herumsprechen wird. Das hat sicherlich schon den einen oder anderen Kunden mehr gebracht, der nicht wissend, welche Bestatter er nehmen soll, Freunde oder Bekannte gefragt hat. In kalten Zahlen lässt sich das sicher schwer fassen. Aber ich bin mir sicher, daß es so ist.
Und was ist mit unseren Seelen???? Mal ehrlich, so geht das doch nicht … das ist ja schlimmer als die Möhre vor´m Maul des Esels!
Meine Nerven (*HandrückentheatralischamKopfhaltend*) 😉 …
Cliffhanger nennt man sowas, oder? ;-D
Und an unsere armen Seelen denkst du nicht, wenn du mal wieder nen Cliffhanger produzierst?
😉
@ 4 & 6 (einfach…ich & Tinchen)
Auuuuaaaaaaa, wann gehts endlich weiter???Ups, da ist der Satz weggeblieben. Da stand, hätte ich selbst nicht besser sagen können.
Am liebsten würd ich dir den Hals umdrehen. Jetzt muss ich die ganze Zeit bis es soweit ist an die Geschichte denke.
@5:
Nope, ich bin das nicht.
manchmal beschleicht einen schon das Gefühl, der ein oder andere Kommentator sieht in diesem Weblog seine klassische Daily Soap – aber vielleicht sollte man nicht vergessen, dass hier reale Menschen reales Leid erfahren …
Ich hoffe, ich stehe eines Tages – wenn es denn irgendwann so weit kommen sollte – einem Bestatter gegenüber, der mich ebenfalls auch seelisch in meiner Ohnmacht und Trauer unterstützt und nicht nur sachlich mein Geld gegen eine Leistung will.
Aaah, endlich mal wieder eine lange, ernste Geschichte!
Man kann die Geschichte aber auch so stehen lassen. Ich finde es nicht unbedingt notwendig, die Seelennöte der Frau (und auch ihres Mannes?) ausbreiten zu müssen …
Hier müsste es doch auch noch weiter gehen?!
Gruß
Uwe