Frag doch den Undertaker

Bodensee, Totenasche und Fahrräder

Unser Bestatter hat uns eine Seebestattung im Schweizer Teil des Bodensees verkauft. Das ist alles ordnungsgemäß per Vorsorgevertrag geregelt. Nun teilt er uns schriftlich mit, daß ab sofort die Urnenversenkung im Bodensee verboten ist. Wir sollen nun einer Waldrand- bzw. Almwiesenbestattung in der Schweiz zustimmen. Was ist da jetzt verkehrt? Der Bestatter sagt, er könne das laut Vertrag später machen wie er wolle, kündigen könnten wir nicht.

Ach, das wird ja in den letzten Tagen sowieso viel diskutiert. Zunächst einmal: Totenasche ist für die Trinkwasserqualität unbedenklich. Die Asche sinkt auf den Grund, verbleibt dort und wird vom Sediment überlagert.
Dennoch ist der Bodensee Trinkwasserspender für fast 5 Millionen Menschen, von denen sich natürlich viele gruseln, wenn sie denken, in dem Wasser das sie trinken, könnten „Leichen“ enthalten sein, bzw. es könne mit Leichen in Verbindung gekommen sein.
Obwohl in einem solchen Gewässer ja schon fischseitig sehr viel gestorben und gegammelt wird, muß man die Bedenken der Menschen ernst nehmen und verstehen.

Deshalb ist es von deutscher Seite aus sowieso verboten, Urnen oder Asche in einen See zu werfen. In Deutschland herrscht Friedhofszwang mit den vier bekannten Ausnahmen:

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1. man hat (als adelige Familie oder klösterliche Gemeinschaft) eine eigene Beisetzungsstelle, quasi einen Privatfriedhof.
2. die Beisetzung erfolgt in einer historischen Grablege, etwa in der Krypta eines Doms.
3. die Aschenbeisetzung erfolgt in einem Beisetzungswald, der den Stellenwert eines Friedhofs hat
4. die Asche wird auf hoher See mitsamt einer auflösbaren Urne versenkt

Besonders der Teilsatz von Punkt 4 „auf hoher See“ ist hier maßgebend, gemeint ist damit nämlich weder der Neckar, noch der Pludershausener Badesee, sondern das Meer.

Anders sieht die gesetzliche Lage in der Schweiz aus. Die Schweizer sind im Umgang mit Totenasche sehr viel liberaler als wir Deutschen und erstaunlicherweise wird bei den Steuer-CD-Verkäufern auch kein Schindluder mit den Urnen und der Asche getrieben.
Das ist ja hierzulande immer das Hauptargument, wenn es darum geht, am Friedhofszwang speziell für Totenaschen festzuhalten. Es heißt immer, es sei dann nicht gewährleistet, daß pietätvoll mit der Asche umgegangen würde und man wisse auch nicht was später mal aus der Urne werde, wenn der letzte Aufbewahrungswillige stirbt oder keine Lust mehr hat.

In Nordrhein-Westfalen wurde das Thema vor vielen Jahren schon einmal diskutiert und da gab ein Landtagsabgeordneter tatsächlich von sich, in Holland habe man ja ein Riesenproblem mit diesen Alturnen und die niederländische Grachtenwacht müsse Jahr für Jahr hunderte von solchen Urnen aus den Grachten fischen.
Wie sich später herausstellte, was das nichts als völlig frei erfundene Schaumschlägerei, mal eben im Brustton der Überzeugung vorgetragen, wissend, daß das sowieso keiner ad hoc überprüfen kann. Seine Wirkung indes hatte dieses erfundene Argument sicherlich nicht verfehlt, eine Liberalisierung des Umgangs mit Totenasche wurde seinerzeit in NRW abgelehnt.
Später hat dann doch jemand (u.a. ich) bei den niederländischen Behörden nachgefragt und es stellte sich heraus, daß beim Auskämmen der Grachten in erster Linie alte Fahrräder gefunden werden, die deshalb problematisch sind, weil sich an den Gestellen allerlei Wurzel- und Astwerk verfängt, woran dann alles Mögliche hängen bleibt.
Urnen indes hat man keine gefunden. Die Geschichte mit den in Grachten versenkten Alturnen war völlig ohne Substanz.

Es ist mir auch überhaupt kein einzelner Fall bekannt, in dem irgendwer, sei es nun in Ländern in denen die Aufbewahrung erlaubt ist oder sei es, daß sich hier jemand in den Besitz der Urne gebracht hat, damit Schindluder getrieben habe.
Was soll man denn mit so einer Totenasche machen? Abends auf dem Tisch ausschütten und beschimpfen?
Das Schlimmste was damit passieren könnte, wäre doch, wenn jemand diese Asche ganz böse irgendwo verstreut oder vergräbt.
Meine Güte! Asche ist steril und unbedenklich.

Und so sehen es auch die Schweizer. Sie erlauben das Ausstreuen der Asche auf Bergwiesen, im Wald, am Waldesrand, in Bergbächen, Flüssen und, jetzt kommen wir wieder an den Anfang, im Bodensee.
Allerdings gibt es eine Einschränkung: Das Ausstreuen im Bodensee ist nur Privatleuten gestattet und nicht gewerblichen Bestattern.
Wenn jemand also den tiefen Wunsch hat, seinen Angehörigen in freier Wildbahn Natur auszustreuen, so stehen ihm die Schweizer Behörden nicht im Wege.
Man will aber nicht, daß das zum Geschäft gemacht wird.

Jetzt wird da natürlich mit allerlei Tricks gearbeitet. Der eine Bestatter pachtet ein Waldstück und damit erfolgt die Aschenbeisetzung auf seinem Privatgrund.
Ein anderer läßt die Asche von irgendeiner Privatperson in den Bodensee werfen.

Einzig richtig wäre es, wenn die Arbeit des Bestatters damit endet, daß er die Angehörigen bis zum Bodensee fährt und ihnen die Urne aushändigt und die Angehörigen den Rest als Privatperson selbst erledigen.

In diesem Sinne würde ich noch einmal mit dem Bestatter sprechen. Kann er nichts Entsprechendes anbieten und möchten Sie an Ihrem Wunsch, im Bodensee beigesetzt zu werden, festhalten, dann schreiben Sie mir, ich kann Ihnen Adressen von Unternehmen nennen, die das zuverlässig und im Rahmen der Gesetze abwickeln.

Haben Sie einen Vorsorgevertrag über eine bestimmte Form der Bestattung abgeschlossen und kann der Bestatter diese Art von Bestattung nicht mehr anbieten, so müssen Sie sich nicht mit dem von ihm vorgeschlagenen Alternativangebot zufrieden geben. Sie können den Vorsorgevertrag dann nämlich kündigen und bei einem anderen Bestatter, der Ihre Wünsche besser erfüllt, fortsetzen.
Die Behauptung mancher Bestatter, in ihren Verträgen stehe etwas, das es ihnen erlaube, Leistung und Lieferung nach Gutdünken frei zu wählen, ist Quatsch.
Natürlich gibt es solche Vertragsbestimmungen. Die regeln aber etwas ganz anderes. Da wird festgelegt, daß der Bestatter auch andere Waren (Särge, Decken, Urnen) nehmen kann oder andere Dienstleistungen erbringen kann, wenn im Todesfall das Geld nicht ausreichen sollte. Er kann dann Lieferung und Leistung auf ein Maß herunterfahren, daß er mit dem Geld noch hinkommt.
Er kann aber nicht eine grundsätzlich andere Art der Bestattung vornehmen und muß trotzdem im Wesentlichen den Vorausverfügungen des Verstorbenen folgen.

Bildquellenangabe: Jörg Sabel / pix elio.de

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