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Bunt, bunter, am Buntesten

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Die Eventbestatter waren es, die Herrn Volkerts von der Verwaltung aufgeregt hatten.

Dazu muß man wissen, daß das Bestatten in einer Großstadt ziemlich straff durchorganisiert ist. Am Liebsten hätte es die Verwaltung wenn alle Bestatter nach Schema F so arbeiten, daß es den Vorgaben genau entspricht und den fast schon industriellen Bestattungsapparat am wenigsten stört.

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Die privaten Bestatter mit ihren zahlreichen Sonderwünschen sind vor diesem Hintergrund eher lästig, machen mehr Arbeit und verursachen sicher auch allerlei Kosten. So manches was sich die Bestatter und Hinterbliebenen einfallen lassen und was von den Lesern des Weblogs auch als mal eben so machbar wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit nach den Vorstellungen der Verwaltung eher unerwünscht, schon allein deshalb, weil es vom Üblichen abweicht.

Als kleines Beispiel möge dienen:
Auf einem der Stadtteilfriedhöfe gibt es kein ordentliches Kondolenzpult. Es ist ja bei vielen Bestattungen üblich, daß ein Kondolenzbuch ausgelegt wird, in das sich die Trauergäste eintragen können. Manche schreiben nur ihren Namen hinein, andere ganze Abschiedsbotschaften und manche zeichnen auch etwas. Jedenfalls ist es notwendig, daß es für diesen Zweck Pulte oder Ablagen gibt, auf denen diese Bücher in beschreibbarer Höhe liegen können.

Als die Bestatter mit den Kondolenzbüchern anfingen, brachte jeder von ihnen sein eigenes Pult mit, baute es vor der Trauerfeier auf, was allerdings in den Augen der Verwaltung den Tatbestand der kommerziellen Nutzung des Friedhofsgeländes erfüllte. Deshalb wurde das Mitbringen eigener Pulte untersagt und die Stadtverwaltung schaffte entsprechende Pulte an.

Nur auf diesem einen Friedhof ist irgendwann das Pult mal abhandengekommen oder kaputtgegangen, das weiß man nicht mehr so genau, jedenfalls ist keins mehr da. Stattdessen stellt der Friedhofswärter immer einen aufklappbaren Notenständer hin. Dieser ist aber sehr wackelig und die Ablage ist so steil, daß man nur unter Verrenkungen schreiben kann.
Die Bestatter bringen also wieder ihre eigenen Pulte mit, was in jedem Einzelfall schriftlich beantragt und von der Verwaltung genehmigt werden muß. Versäumt man die Einholung der Genehmigung, verstößt man gegen das Verbot der gewerblichen Betätigung und muß mit einer Abmahnung rechnen.

Da das städtische Bestattungsinstitut keine Kondolenzbücher auslegt, ist denen das vollkommen egal.
Das ganz legitime Begehren der Bestatter nach einem brauchbaren Pult wird in diesem Fall also zu einem Verwaltungsakt, der Geld kostet, Mühe bereitet, Arbeitszeit verschwendet und somit bei den Bediensteten der Stadt sehr unbeliebt ist. Schuld daran ist aber in den Augen der Städtischen nicht die unsinnige Verordnung, sondern das alberne Gehabe der Bestatter, „die alle immer wieder was Anderes und Neues wollen“.

Man kann sich vorstellen, wie wir Bestatter, gegenüber einer solch knöchernen Verwaltung, zu kämpfen haben, wenn wir beispielsweise einen Sänger am Grab haben wollen, eine Lautsprecheranlage aufstellen möchten oder sonst irgendetwas machen möchten, das ansonsten eher unüblich ist. Da wird schon der Wunsch, einige Stühle am Grab aufstellen zu wollen, zu einer schier unüberwindbaren Hürde.

Einige Städte weiter gibt es zwei Frauen, die ein Bestattungsinstitut betreiben und das unter dem Motto „Eventbestattungen“. Angefangen von besonders farbenfrohen Särgen bis hin zu einer üppigen Ausschmückung von Aufbahrungsraum und Grabstätte reicht das Angebot der rührigen Damen. Kaum eine Bestattung läuft ohne Musik am Grab ab und oft gesellen sich Tanz und Pantomime dazu. Auch hier kann man sich leicht ausmalen, was das im Einzelfall für ein Kampf für die beiden sein muß, sich das immer genehmigen zu lassen. Sie tun das deshalb auch oft gar nicht, sondern lassen es einfach darauf ankommen.
Das wiederum führt dazu, daß alle privaten Bestatter mit Argusaugen argwöhnisch beäugt werden und immer mehr Rundschreiben mit immer neuen Verboten herausgegeben werden.

Im konkreten Fall ärgert sich Volkerts aber über eine Aufbahrung, die die beiden Bestatterinnen durchgeführt haben. Diese ist vom Friedhofsverwalter ausführlich mit der Digitalkamera fotografiert worden und die Bilder legt mit Volkerts nun vor.

Aufgebahrt werden die Verstorbenen in den dafür vorgesehenen Aufbahrungsräumen auf dem Friedhof. Ansonsten könnte das noch in geeigneten Räumlichkeiten beim Bestatter geschehen. Nicht erlaubt hingegen ist es, den offenen Sarg aus der Aufbahrungszelle in die Friedhofskapelle zu schieben und diese mit etlichen Quadratmetern buntem Stoff auszuschmücken.

Das genau aber haben die Eventbestatterinnen gemacht. Am Freitagnachmittag, als der Verwalter schon im wohlverdienten Wochenende war, haben sie mit ihrem Schlüssel die Leichenzelle geöffnet, den offenen Sarg mitten in die benachbarte Kapelle geschoben und dort dann allerhand aufgebaut. Eine Lautsprecheranlage, ein Mischpult und eine Nebelmaschine.
Die ganzen Wände der Kapelle haben sie mit bunten Stoffbahnen in Technicolor und in allen Regenbogenfarben ausgestattet und sind dabei auch nicht davor zurückgeschreckt, Dutzende kleiner Nägel in die Wände zu klopfen.

Auf den Fotos ist vom Sarg selbst kaum etwas zu sehen, die Ausgestaltung mit Stofftüchern und Kunstblumen ist einfach zu überladen und üppig.

Kaum waren die fünf Gäste gekommen, um so von ihrem Verstorbenen Abschied zu nehmen, ist der Friedhofsverwalter am Freitag doch noch einmal aufgetaucht.
Man kann sich vorstellen, was los war. Glücklicherweise ist dieser Verwalter einer von den Vernünftigen, die nicht gleich herumblöken und damit den Hinterbliebenen alles verderben. Als die aber gegangen waren, hat er ausgiebig Fotos gemacht und kurzerhand den beiden Eventbestatterinnen Hausverbot erteilt.

Ja und jetzt schlägt sich eine ganze Verwaltung mit diesem Fall herum.
Mir persönlich ist es doch egal, ob die Damen ihre Toten in rote Särge mit grünen Punkten legen und ob sie eine Trauerfeier mit Tüchern und Musik ausgestalten. Sie bedienen damit doch auch nur ein Publikum, dem das Überbunte und Laute gefällt. Jedem das Seine.
Aber dadurch, daß sie ohne Absprache, außerhalb der normalen Öffnungszeiten so etwas veranstaltet haben, werfen sie die Bemühungen der anderen Bestatter um Jahre zurück.
Im Zweifelsfall unterscheidet man nämlich bei der Verwaltung nicht und schert alle Bestatter jetzt wieder über den gleichen Kamm.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#bunt #bunter #buntesten

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(©si)